«Historisch!» – LGBTIQ sollen unter Schutz des Völkerstrafrechts!
Der LSVD lobt die Pläne des Kabinetts
Die Verfolgung von im Ausland verübten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit soll in Deutschland verbessert werden.
Das Bundeskabinett beschloss dazu am Mittwoch eine Reihe von Änderungen. Unter anderem sollen Opfer bestimmter Straftaten sowie ihre Angehörigen bei Verfahren in Deutschland künftig als Nebenkläger zugelassen werden. Ohne weitere Voraussetzungen soll ihnen zudem ein Anwalt beigeordnet werden. Um sie in den meist extrem belastenden Verfahren zusätzlich zu unterstützen, sollen die Opfer außerdem problemlos Anspruch auf eine psychosoziale Prozessbegleitung erhalten.
Einfacher werden soll es nach dem Willen der Bundesregierung auch, in Deutschland das Verbrechen des «Verschwindenlassens» zu verfolgen. Das ist bislang nur möglich, wenn die Angehörigen nachweisen können, dass sie bei den Behörden oder bei lokalen Machthabern nach dem Verbleib der Verschwundenen gefragt haben. «Verschwindenlassen ist leider nicht nur in Syrien, sondern auch durch die russischen Besatzer im Osten der Ukraine gängige Praxis zur Einschüchterung der Bevölkerung», sagte der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg. Es sei Angehörigen nicht zuzumuten, bei Pseudobehörden einer Besatzungsmacht erst nachzufragen, damit dies geahndet werden könne.
Der nun vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf sieht ausserdem vor, dass in Zukunft stets ein Dolmetscher verfügbar sein soll, um auch ausländischen Medienvertreter*innen zu ermöglichen, Verfahren zu verfolgen, in denen es um Verbrechen in ihrer Heimat geht.
Die Fortschritte seien auch aus LGBTIQ-Perspektive immens, erklärt die SPDqueer: «So sollen die Rechte von Opfern weiter gestärkt und queere Menschen explizit unter den Schutz des Völkerstrafrechts gestellt werden. «In enger Zusammenarbeit mit den Verbänden ist uns heute etwas Historisches gelungen», erklärte Falko Droßmann, der queerpolitischer SPD-Sprecher: Als erster und bisher einziger Staat weltweit wollen wir queere Menschen auch explizit unter den Schutz des Völkerstrafrechts stellen. Wir wollen ausdrücklich regeln, dass queerfeindliche Verfolgung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein kann.»
Es sei klar, so Droßmann: «Der Schutz vor Verfolgung wegen des Geschlechts schliesst auch eine Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung, der geschlechtlichen Identität sowie Geschlechtsmerkmalen ein. Die Rechtsauffassung hat sich auch international entsprechend weiterentwickelt.» Der SPD-Politiker appelliert an die internationale Staatengemeinschaft, diesen Schutzauftrag ebenfalls zu erfüllen und eine historische Schutzlücke zu schliessen.
Dass die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen gegen LGBTIQ verbessert werden soll, lobt auch der LSVD. «Der Gesetzentwurf der Bundesregierung stellt eine konsequente Fortentwicklung des völkerstrafrechtlichen Schutzes von Menschen dar, die Menschenrechtsverletzungen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität erleiden», so Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des LSVD.
«Künftig soll das deutsche Völkerstrafgesetzbuch ausdrücklich klarstellen, dass auch Verbrechen gegen Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung als Völkerrechtsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden können. In der Begründung wird zudem klargestellt, dass Verbrechen, die sich auf die geschlechtliche Identität beziehen, als geschlechtsbasierte Verbrechen verfolgbar sind.» Die Bundesregierung setze damit international ein Zeichen, dass Völkerrechtsverbrechen gegen LGBTIQ nicht ungesühnt bleiben dürfen, und setze eine Kernforderung des LSVD um.
Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch lasse bisher offen, ob Verbrechen gegen LGBTIQ völkerstrafrechtlich verfolgt werden können. Der unklare Wortlaut erschwere eine effektive Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen gegen LGBTIQ. Das internationale Recht sei schon weiter: «Der Internationale Strafgerichtshof hatte im Dezember 2022 ausdrücklich und ausführlich klargestellt, dass die Verfolgung von LGBTIQ geschlechtsbasierte Gewalt darstellt. Dem deutschen Gesetzgeber bietet sich nun die Chance, die Entwicklungen des internationalen Rechts im Völkerstrafgesetzbuch zu verstetigen und die bestehende Rechtsunsicherheit im deutschen Recht damit auszuräumen.» Gerade Deutschland, das selbst über hundert Jahre LGBTIQ systematisch verfolgt hat, stehe in der Pflicht, hier deutlich Stellung zu beziehen. (mit dpa)
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