Geplantes Gesetz gegen Hass-Chatgruppen keine Lösung
Die Strafbarkeit ändere nichts an menschenverachtenden Einstellungen
Mit einem Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verschärfung des Strafgesetzbuchs, den Justizminister Limbach vergangene Woche im Bundesrat vorstellte, sollen zukünftig «volksverhetzende Inhalte und verfassungswidrige Kennzeichen» auch in geschlossenen Chatgruppen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes strafbar sein.
Bisher wurden Verfahren gegen Polizeibeamt*innen oder Anwärter*innen, Justizvollzugsbedienstete oder Soldat*innen mit der Begründung eingestellt, dass solche Äusserungen in geschlossenen Gruppen den «öffentlichen Frieden» nicht störten, heisst es erklärend auf dem Justizportal NRW.
Der Bundesrat habe den Entwurf der Bundesregierung zugeleitet; wann sich der Bundestag damit befasst, stehe aber noch nicht fest.
Andrea Deckelmann, stellvertretende Vorsitzende der Piraten-Partei in NRW kommentiert: «Es ist gut, dass verstanden wurde, wie sehr durch das Bekanntwerden solcher Chats das Vertrauen in den Staat beeinträchtigt wird. Drohende Suspendierungen und Disziplinarverfahren zeigten anscheinend keine abschreckende Wirkung, vielleicht weil auch nur wenige Einzelfälle bisher öffentlich wurden.»
«Ursachenforschung und Auseinandersetzung der Exekutive» Deckelmann weiter: «Aber nur durch das Strafbarmachen rassistischer, menschenverachtender Posts verändert sich die Einstellung dahinter ja nicht. Durch die geplante Gesetzesänderung wird das Problem nicht angegangen, und schon gar nicht beseitigt.»
Die Ursachenforschung und Auseinandersetzung der Exekutive mit ihren Mitarbeitenden werde auf die Judikative verlagert, heisst es. Damit entledige man sich aller «Problemfelder» in Sachen Mediation, Supervision, psychosozialer Betreuung, Personalauswahl und -betreuung, (Weiter-)Bildung und die längst überfällige Einrichtung unabhängiger Ermittlungs- und Beschwerdestellen. Denn das wären die Aufgaben der Innenminister*innen der Länder und des Bundes.
«Ich erwarte, dass endlich etwas unternommen wird; nicht nur gegen volksverhetzende Inhalte oder verfassungswidrige Kennzeichen in privaten Chats, sondern auch gegen Rassismus, Antisemitismus sowie queer- oder frauenfeindliche Einstellungen in der Polizei», sagt Deckelmann.
«Mitarbeiter*innen, die sich von den im Grundgesetz verankerten unabdingbaren Grundlagen der Menschenrechte entfernt haben, sollte man Hilfe anbieten, aber sie sollten keine Waffen tragen und keinen Zugang zu sensiblen Daten haben», fordert Deckelmann in einer Presseerklärung.
Die Staatsanwaltschaft hatte 2022 gegen fünf Frankfurter Polizist*innen Anklage erhoben. Sie sollen rassistische und homophobe Inhalte in einer Chatgruppe geteilt haben (MANNSCHAFT berichtete).
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