Geflüchtete Queers aus Uganda vor Abschiebung – BAMF in der Kritik
Immer mehr Menschen suchen Beratung
Immer häufiger lehnen BAMF und Gerichte Asylanträge queerer Menschen ab. Das beklagen Beratungsstellen für Geflüchtete. Werden die Betroffenen zurückgeschickt, droht im schlimmsten Falle die Todesstrafe.
Letra und Sub fordern die Behörden zum Einlenken auf.
Mit eindringlichen Appellen an Behörden, Gerichte und die Zivilbevölkerung versuchte die Münchner Community am Mittwoch, die Abschiebung queerer Geflüchteter aus Uganda zu verhindern. Bei einer Pressekonferenz im Schwul-Queeren Zentrum Sub, dem MANNSCHAFT-Queero 2023, warnten Vertreter*innen der Lesbenberatungsstelle Letra und vom Sub vor den Folgen einer solchen Entscheidung.
In Uganda ist Homosexualität bekanntlichstrafbar, Betroffene und ihre Unterstützer*innen müssen mit Haft, seit 2023 sogar der Todesstrafe rechnen. Mit dem so genannten Anti Homosexuality Act können Fälle «schwerer Homosexualität» in Uganda seit dem vergangenen Jahr zu Todesurteilen führen. Das Gesetz in Uganda zählt zu den härtesten Anti-LGBTIQ-Richtlinien weltweit (MANNSCHAFT berichtete).
Das neue Gesetz kriminalisiert auch jegliche Unterstützung für homosexuelle Personen und verhängt dafür bis zu 20 Jahre Gefängnis. Religiöse, politische Autoritäten sowie Medien schüren Hass und Vorurteile gegenüber queeren Menschen, was zu einer Zunahme von Gewalt und Diskriminierung geführt hat. Viele sind gezwungen, ihr Heimatland zu verlassen.
Wie dringlich die Lage ist, zeigen Statistiken: Bis Anfang 2023 betreute die Geflüchtetenberatung von Letra 208 Klient*innen. Nach Einführung des Anti Homosexuality Act sprang die Zahl auf 390; aktuell liegt sie bei 595. Die Sub-Geflüchtetenberatung betreute im Jahr 2023 exakt 199 neue Klienten; 2024 waren es schon 289.
«Queere Personen werden vom BAMF immer häufiger abgelehnt werden, weil ihnen nicht geglaubt wird, dass sie lesbisch, schwul oder trans sind»
Deutsche Behörden ignorieren Lebensrealität in Uganda
«Wir beobachten, dass queere Personen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie dem Verwaltungsgericht immer häufiger abgelehnt werden, weil ihnen nicht geglaubt wird, dass sie lesbisch, schwul, trans oder queer sind», sagt Annina* von der Geflüchtetenberatung im Sub. Die Anerkennungsquote in Asylverfahren liege unter zehn Prozent. (*Da Mitarbeiter*innen von Letra und Sub wegen ihres Jobs regelmässig bedroht, wird aus Sicherheitsgründen auf die Nennung der Nachnamen verzichtet.)
Das Problem sei die Art und Weise, wie die Behörden bei der Befragung vorgingen. So arbeiteten sie im Wesentlichen mit einem Fragebogen, dessen Hauptteil darauf abziele, herauszufinden, ob die Antragsteller*innen einen «inneren Konflikt» erlebten, als sie ihr Coming-out hatten. Als glaubwürdig gilt, wer so einen Konflikt formulieren kann. «Dazu sind aber viele einfach nicht in der Lage», sagt Julia Serdarov von der Geflüchtetenberatung bei LeTRa. Auch hierzulande falle es schliesslich vielen Menschen nicht leicht, reflektiert über ihre Gefühle zu sprechen.
Wie schwer aber tun sich erst Geflüchtete aus einem anderen Kulturkreis damit, sich gegenüber ihnen völlig unbekannten Beamt*innen und Richter*innen zu öffnen, um über ein aus ihrer Sicht intimes, vielfach schambehaftetes Thema zu sprechen?! «Dafür müssten sie, was die eigene sexuelle Orientierung oder Gender-Identität angeht, schon sehr empowert sein», so Serdarov. Und das trifft in den seltensten Fällen zu: Jeder dritte Klient der Sub-Beratungsstelle etwa ist suizidgefährdet.
Es sei ausserdem fraglich, inwieweit Geflüchtete sich wirklich erklären können, wenn für ihre Muttersprache keine Dolmetscher*innen zur Verfügung stehen und die Betroffenen gezwungen sind, eine Zweitsprache zu bemühen. «Es kann durchaus passieren, dass Geflüchtete in eben dieser Zweitsprache nur begrenzte Kenntnisse haben, was es erschwert, Emotionen und komplexe Erlebnisse auszudrücken», sagt Annina. Ausserdem hielten sie sich aus Angst vor Missverständnissen oft zurück oder vereinfachten ihre Aussagen, wodurch wichtige Details verloren gingen.
Dazu kommt: Nach Traumata werden Erinnerungen eher fragmentarisch abgespeichert. Tatsächlich erwartee das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aber eine exakte chronologische Erzählung der Fluchtgeschichte. Wie hart diese Ignoranz deutscher Behörden die Menschen treffe, zeigen die Berichte Betroffener im Sub.
Patience Musiimenta (34) kam 2021 nach Deutschland. Bei ihrem ersten BAMF-Interview traute sie sich nicht zu erzählen, dass sie lesbisch ist, und wurde abgelehnt. Im August dieses Jahres war dann die Verhandlung beim Verwaltungsgericht dazu. Auch dort hat sie ihre sexuelle Orientierung lieber verschwiegen – auf Rat des Anwalts hin, um nicht unglaubwürdig zu erscheinen. Sie wurde abermals abgelehnt. In ihrer ersten Geflüchtetenunterkunft hat Musiimenta heftige Anfeindungen und körperliche Angriffe erlebt, bis Letra sie in eine Frauenunterkunft in München vermitteln konnte. Die Mutter einer Tochter (2 Jahre) ist bei LeTRa in Beratung.
Ronnaldss Washington Ckheumbe (27) sucht in Deutschland Schutz, weil er in seinem Heimatland Uganda permanent bedroht wurde und Angriffen ausgesetzt war. Seine Familie wurde politisch verfolgt, er selbst durch eine Schusswaffe verletzt. Eine von ihm gegründete Fussball-Akademie musste schliessen, weil ihm die Behörden vorwarfen, dort Homosexualität zu propagieren. Kaum in Europa, wurde er Opfer von Zwangsprostitution. Heute könnte Ckheumbe als schwuler Mann frei leben. Doch das BAMF hat seinen Asylantrag abgelehnt, weil der Behörde Ckheumbes Homosexualität nicht glaubhaft erschien. Er hat Hilfe im Sub gesucht.
Die Geflüchteten fordern die deutschen Behörden und Gerichte auf, die Lebensrealität von Queers aus Uganda anzuerkennen und die eindeutige Rechtslage vor Ort bei ihren Beschlüssen zu berücksichtigen. Damit queere Flüchtlinge Schutz finden und sich in Deutschland ein neues, selbstbestimmtes Leben aufbauen können.
Um weiterhin der LGBTIQ-Community in Uganda helfen zu können, bitten die Vereine um Spenden. Dies ist hier möglich. Finanziert werden u.a. Lebensmittelpakete für Menschen, die aus Furcht vor Lynchjustiz oder Verhaftung nicht aus dem Haus können, aber auch für kleinere Notunterkünfte.
LGBTIQ in Afrika: Kill the gays? Kill the bill! Wie Aktivist*innen gegen Verfolgung kämpfen (MANNSCHAFT berichtete)
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