«Lange überfällig»: Erstes Gedenken an LGBTIQ zum Volkstrauertag

Lesbischen Müttern wurde einst das Sorgerecht entzogen.

16.11.2025, Berlin: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, geht im Deutschen Bundestag zum Rednerpult um bei der Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag zu sprechen. Der Volkstrauertag findet zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und an die Toten beider Weltkriege statt.
Frank-Walter Steinmeier (SPD) (Bild: Carsten Koall/dpa)

Am Sonntag war Volkstrauertag. An der Gedenkstunde im Bundestag wurde zum ersten Mal auch ausdrücklich an Menschen erinnert, die wegen ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität während des Nationalsozialismus verfolgt und getötet wurden.

Am Totengedenken nahmen auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth teil. Bei der Veranstaltung wurde zum ersten Mal auch ausdrücklich an Menschen erinnert, die wegen ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität während des Nationalsozialismus verfolgt und getötet wurden.

«Aus dem Gedenken an die staatliche Verfolgung von LGBTIQ erwächst jedoch auch eine politische Verantwortung für ihren wirksamen Schutz in Gegenwart und Zukunft.»

Henny Engels, LSVD⁺

Dazu erklärt Henny Engels für den Bundesvorstand des LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt: «Wir begrüssen ausdrücklich, dass beim Totengedenken am Volkstrauertag erstmals auch der während des Nationalsozialismus verfolgten queeren Menschen gedacht wurde. Es war lange überfällig, dass auch die lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und inter sowie weitere queere Opfer des NS hier einbezogen werden. Aus dem Gedenken an die staatliche Verfolgung von LGBTIQ erwächst jedoch auch eine politische Verantwortung für ihren wirksamen Schutz in Gegenwart und Zukunft.»

Vom LSVD heisst es weiter: «Damit so ein Unrecht nie wieder geschehen kann, fordern wir die demokratischen Fraktionen im Bundestag auf, gemeinsam den Antidiskriminierungsparagraphen im Grundgesetz um den expliziten Schutz aller LGBTIQ zu ergänzen. Mit Art. 3 Abs. 3 sollten 1949 die Lehren aus dem NS-Regime gezogen werden, aber LGBTIQ wurden dort bewusst nicht aufgenommen. Das Unrecht schrieb sich fort: Gleichgeschlechtlich liebende Männer waren auch in der Bundesrepublik noch jahrzehntelang der oft lebenszerstörenden Verfolgung durch den § 175 StGB unterworfen. Lesbischen Müttern wurde das Sorgerecht entzogen. Ein expliziter grundgesetzlicher Schutz von LGBTIQ ist nicht nur ein Gebot historischer Verantwortung, sondern auch ein Gewinn für die gesamte demokratische Gesellschaft!»

Julia Klöckner rief zum Volkstrauertag dazu auf, Frieden und Demokratie konsequent zu verteidigen. Gedenken müsse mehr heissen als zu erinnern, sagte sie in Berlin. «Es muss heissen, zu verstehen und zu handeln: Frieden und auch Demokratie sind keine Zustände, die einfach gegeben sind, die man verwalten kann. Sie sind Aufgaben, die jeden Tag neu beginnen und die kein anderer für uns erledigt.»

Die Bundestagspräsidentin betonte, wer die Opfer von Krieg und Gewalt ehre, wisse, wohin Hass und Verblendung führen. «Der darf nicht schweigen, wenn Frieden und Demokratie bedroht werden – nirgendwo auf der Welt.»

In der Gedenkstunde im Bundestag wies der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, darauf hin, dass Diktatur und Krieg eng beieinander lägen und umgekehrt Demokratie und Frieden zusammengehörten. «Wo Krieg geführt wird, verschwindet die Demokratie. Und wo die Demokratie abgeschafft wird, wird die Tür für den Krieg geöffnet.»

Marianne Rosenberg übernimmt Schirmherrschaft der Christmas Avenue in Berlin. Los geht es in einer Woche (MANNSCHAFT berichtete).

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