«Gut f***en»: Film über Jürgen Baldiga und das Berlin der 80er
Markus Stein hat dem Fotografen und Aids-Aktivisten eine Doku gewidmet
Diese Woche startete der vielgepriesene Film «Baldiga» in den deutschen Kinos. Zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember finden zudem zahlreiche Special Screenings in Kooperation mit den regionalen Aidshilfen statt.
Der Film von Regisseur Markus Stein nimmt Zuschauer*innen mit ins West-Berlin von 1979. Dorthin ist Jürgen Baldiga, Sohn eines Essener Bergmanns, gezogen und arbeitet als Stricher, denn ihm gefiel die Idee, «gut zu ficken und dann auch noch Geld dafür zu kriegen», wie eine Wegbegleiterin in der Doku sagt.
Wilder Sex und das Leben auf der Strasse
Mit seiner HIV-Infektion entdeckte er 1984 die Fotografie. Seine Bilder zeigen seine Freunde und Lover, wilden Sex und das Leben auf der Strasse – und immer wieder «die lustvollen Tunten des Schwulenclubs SchwuZ», die zu seiner Wahlfamilie werden, wie es in der Ankündigung zum Film heisst. (MANNSCHAFT berichtete über die Ära.)
«Zwischen Verzweiflung und Begehren, Auflehnung und unbändigem Überlebenswillen wird Baldiga im Angesicht des nahen eigenen Todes zum Chronisten der West-Berliner Subkultur», heisst es weiter.
Künstlerisches Vermächtnis
Als er 1993 im Alter von 34 Jahren stirbt, hinterlässt er ein einzigartiges künstlerisches Vermächtnis, das heute zum Grossteil im Archiv des Schwulen Museums Berlin aufbewahrt wird. Im Museum waren seine Arbeiten auch schon in vielen Ausstellungen prominent zu sehen. Besonders häufig seine berühmte Bildserie, in der er seinen eigenen Tod chronologisch dokumentierte, nach wie vor ein herausragendes Werk zum Thema Aids.
Radikal und komplex
Entlang von Baldigas poetischen Tagebüchern und schonungslosen Bildern sowie über die Erinnerungen von Wegbegleiter*innen zeigt «Baldiga - Entsichertes Herz» den Künstler nicht nur als bahnbrechenden Fotografen, sondern auch als Aids-Aktivisten und engagierten Kämpfer gegen die Stigmatisierung schwuler Lebensentwürfe. Es ist das Porträt eines radikalen und komplexen Künstlers – aber auch der schwulen West-Berliner Szene der 80er und frühen 90er Jahre.
Regisseur Markus Stein hatte zuvor Dokumentarfilm wie «Unter Männern – Schwul in der DDR» (2012) gedreht (MANNSCHAFT berichtete über das Thema), aber auch «Die Kommunisten und der Pop» (2021). Stein lebt und arbeitet in Berlin.
Die Termine in den deutschen Kinos sind auf der Webseite von Salzgeber gelistet.
Auch der Fotograf Rüdiger Trautsch war ein Chronist der «schwulen und späteren queeren Bewegung», sein Nachlass liegt ebenfalls im Schwulen Museum Berlin (MANNNSCHAFT berichtete).
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