Beten gegen Präsident Putin – «Jeder kann Pussy Riot sein!»
Auftakt der Europatournee
Ein Protest mit Kapuzen in einer Kirche hat sie schlagartig bekannt gemacht. Auch zehn Jahre später lässt die russische Punkband Pussy Riot nicht locker im Kampf gegen Putin. Zum Auftakt ihrer Europa-Tour haben die Musikerinnen ein paar Botschaften dabei.
Sie kommen mit den Kapuzen. Strickware in grellen Farben mit Löchern für Augen und Mund. Die so verdeckten Gesichter sind eine Art Markenzeichen. Die Musikerinnen der russischen Punkband Pussy Riot tragen die Maskierung auch beim ersten Song zum Auftakt ihrer Europatournee am Donnerstagabend in Berlin.
Die Kapuzen sind weltbekannt, seitdem die Aktivistinnen damit 2012 in einer russisch-orthodoxen Kirche lautstark gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin protestierten. Zehn Jahre später sind die Frauen keinen Ton leiser – auch nicht mit ihrer Musik. Es geht um Protest. Immer noch gegen Putin, nun auch gegen den russischen Krieg in der Ukraine.
Maria Aljochina hat für diesen lang geplanten Tourneestart einiges riskiert. Die 33-Jährige stand in Moskau zuletzt unter Hausarrest. Als Essenslieferantin verkleidet entkam die Aktivistin ihren Bewachern, konnte im dritten Anlauf die Grenze überwinden, erreichte mit falschen Papieren schliesslich die Europäische Union. (MANNSCHAFT berichtete)
Wie so etwas funktionieren kann («nicht zu Hause ins Internet»), welche Regeln im Kampf gegen ein autoritäres System zu beachten sind («nach jedem Telefonat SIM-Karte wechseln»), wird den mehreren Hundert Besucherinnen und Besucher des gut einstündigen Konzerts in einer Nebenhalle des früheren DDR-Funkhauses im Laufe des Abends auch musikalisch vermittelt.
Die «Pussy Riot Anti-War Tour» basiert auf Aljochina Buch «Riot Days», das unter dem Titel «Tage des Aufstands» auch auf Deutsch erschienen ist. Auf der Bühne ist auch Olga Borisova. Die Sängerin hat «Riot Days» editiert. Musikalisch bestimmen Pussy-Riot-Gründerin Diana Burkot an Schlagzeug und Elektronik sowie Saxofonist Anton Ponomarev den Abend mit schnellen Beats, elektronisch geprägten Sounds, harten Drums und gelegentlichen Ausflügen in Improvisationen.
Das Konzert folgt den Kapiteln des Buches und damit der Geschichte von Pussy Riot. In den meist durch Beatwechsel angezeigten musikalischen Abschnitten geht es um erste Aktionen, die «Pussy Riot Church», die anschliessende Flucht, Untersuchungshaft, Gerichtsverhandlung, den Gefangenentransport, schliesslich die Zeit im Straflager im Ural. (MANNSCHAFT berichtete zu den Fluchtbedingungen der LGBTIQ)
Videos zeigen dazu dokumentarische Szenen der Ereignisse, Proteste, Auftritte Putins, staatliche Gewalt gegen Pride Paraden. Der harte, häufig fast geschriene Sprechgesang der Musikerinnen wird in deutschen oder englischen Übersetzungen angezeigt. «Jeder kann Pussy Riot sein!», heisst es dann, und: «Zeig die Freiheit des bürgerlichen Zorns». Es geht gegen «eine Herde von Wichsern im Regime». An die Mutter Gottes wird appelliert: «Virgin Mary, put Putin away!» und schliesslich: «Russland wird frei sein!» Johlender Applaus.
Aljochina wurde 2012 mit ihrer Bandkollegin Nadeschda Tolokonnikowa zu zwei Jahren Straflager verurteilt. Ende 2013 wurden sie begnadigt und kamen frei. Aljochina geriet aber immer wieder ins Visier der russischen Strafverfolgungsbehörden, etwa im Zusammenhang mit Demonstrationen für den eingesperrten Kremlgegner Alexej Nawalny.
Das Konzert steht auch im Zeichen des russischen Krieges gegen die Ukraine. Noch vor dem Auftritt der Band gibt es einen Spendenappell, Videos zeigen Kunstaktionen mit zerbombten Gebäuden. Die Einnahmen des Abends sollen an minderjährige Geflüchtete des Krieges und ein Krankenhaus in der Ukraine gehen. Im Song der Zugabe fragt ein verzweifeltes Kind seine Mutter nach der russischen Propaganda: «Mama, es gibt keine Nazis hier. Mama, sie nennen es Spezialoperation.»
Aljochina wollte die Tour unbedingt spielen, auch das für sie ein Grund für die Flucht aus Russland. Es sind 19 Auftritte angekündigt, unter anderem in Rostock, Kassel, München, Stuttgart, Hamburg, Amsterdam, Zagreb, Barcelona, Madrid und Lissabon. Für den Schlussapplaus hat sich die Musikerin und Aktivistin nach den Bühnen-Kostümen schnell noch ein frisches T-Shirt übergezogen: «Stand with Ukraine!»
Das könnte dich auch interessieren
Religion
Kardinal Müller: Neuer Papst muss Umgang mit Homosexuellen klarstellen
Papst Franziskus ist tot. Der deutsche Kurienkardinal Müller war einer seiner lautesten Kritiker. Er hofft, dass dessen Nachfolger anders auftritt - etwa bei den Themen Islam und Homosexuelle.
Von Newsdesk/©DPA
Queerfeindlichkeit
Schwul
News
Serie
«Wednesday»: 2. Staffel kommt mit «Absolutely Fabulous»-Star
Back in black: Sie kommt zurück – und zwar in zwei Teilen. Staffel zwei der Hit-Serie «Wednesday» wird aufgeteilt. Start ist im Hochsommer. Neu dabei u.a. ein Star aus der Kult-Serie «Absolutely Fabulous»
Von Newsdesk/©DPA
Unterhaltung
Kultur
People
Ehre für Green Day und Sänger Billie Joe Armstrong
Die weltweit erfolgreiche Punkband Green Day wird in Hollywood mit einer Sternenplakette auf dem «Walk of Fame» gefeiert.
Von Newsdesk/©DPA
Musik
Kultur
Bi
Deutschland
Neue Leitlinie für trans Jugendliche: «Zu langes Warten kann schaden»
Für wen sind Pubertätsblocker erlaubt? Experten erstellen neuen Leitfaden.
Von Newsdesk/©DPA
Gesundheit
TIN