Keine neuen HIV-Übertragungen bis 2030? Ziel «ernsthaft in Gefahr»

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Symbolbild (Bild: iStockphoto)

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die aktuellsten Zahlen zu HIV und sexuell übertragbaren Infektionen (STI) in der Schweiz veröffentlicht. Nationale und globale Sparmassnahmen würden die erreichten Fortschritte und das Ziel 2030 gefährden, so die Medienmitteilung.

So sehen die STI-Zahlen in der Schweiz für 2024 aus. Die Gonorrhoe-Fälle steigen, die Meldungen von Syphilis und Chlamydiose stagnieren auf hohem Niveau und die Zahl der HIV-Neudiagnosen sind leicht rückläufig. Die Schweiz bleibe bei der Prävention von HIV und STI international führend, schreibt die Aids-Hilfe Schweiz in einer Mitteilung. Dennoch sei das Ziel, bis 2030 keine neuen HIV-Übertragungen mehr zu verzeichnen, «ernsthaft in Gefahr».

Im Jahr 2021 haben sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen dazu verpflichtet, dass HIV und Aids bis 2030 keine öffentliche Gesundheitsbedrohung mehr darstellen. Das bedeutet: Ab 2030 soll es zu keinen neuen Übertragungen von HIV mehr kommen. Dafür wurden klar definierte Zwischenziele bis 2025 festgelegt. Diese sogenannten 95-95-95-Ziele von UNAIDS sehen vor, dass bis 2025 95 Prozent aller Menschen mit HIV ihren Status kennen, 95 Prozent der diagnostizierten Personen eine antiretrovirale Therapie (ART) erhalten und bei 95 Prozent dieser Personen die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt.

«Die aktuelle HIV-Kaskade zeigt, dass die Schweiz dieses Ziel bis Ende 2024 noch nicht erreicht hat», schreibt die Aids-Hilfe Schweiz. Laut BAG kennen 93 Prozent aller mit HIV lebenden Menschen in der Schweiz ihren Status, 98 Prozent der diagnostizierten Personen werden behandelt, und bei 96 Prozent ist das Virus unterdrückt. «Damit bleibt die erste Stufe der Kaskade hinter dem internationalen Zielwert zurück.»

«Diese Zahlen sind beeindruckend, aber sie zeigen auch: Wir haben die 95 Prozent noch nicht erreicht. Heute wissen rund sieben Prozent der Menschen, die mit HIV leben, nicht, dass sie mit HIV leben – und das ist unserer Einschätzung nach noch konservativ geschätzt. Ohne entschlossene Investitionen wird das Ziel, keine neuen Übertragungen bis 2030, verfehlt», warnt Andreas Lehner, Geschäftsleiter der Aids-Hilfe Schweiz. «Jede unerkannte Infektion bedeutet ein Risiko für eine Weiterübertragung. Wir wissen, wie HIV-Übertragungen verhindert werden können – aber wir als Gesellschaft müssen es auch wollen.»

Während die medizinische Versorgung in der Schweiz auf hohem Niveau sei, werde in der Prävention zunehmend gespart, schreibt die Aids-Hilfe Schweiz weiter. Das BAG habe die Mittel für die nationale STI-Präventionsarbeit gekürzt, darunter insbesondere für die erfolgreiche «Love Life»-Kampagne. Gleichzeitig hat das Parlament die Schweizer Beiträge an UNAIDS gestrichen – eine Entscheidung, die ein falsches Signal sende. «In einer global vernetzten Welt sind nationale Kürzungen keine isolierte Entscheidung», so Lehner weiter. «Menschen reisen, migrieren, leben in Beziehungen über Grenzen hinweg. Wenn weltweit in der HIV-Prävention gespart wird, gefährdet das auch die Fortschritte in der Schweiz. Prävention endet nicht an der Landesgrenze.» Nun seien das nationale Parlament und vor allem auch die Kantone gefordert, die Mittel für die Prävention entschieden auszubauen. Im September setzte Lehner zusammen mit anderen Organisationen auf dem Bundesplatz in Bern ein Zeichen gegen die geplanten Kürzungen (MANNSCHAFT berichtete).

Der aktuelle BAG-Bericht zeigt zudem, dass mehrere sexuell übertragbare Infektionen stagnieren oder weiter zunehmen. Die Zahl der Gonorrhoe-Fälle ist im Jahr 2024 um 11,6 Prozent auf 6’805 gestiegen. Die Syphilis-Fälle stagnierten mit 1’042 auf hohem Niveau, ebenso die Chlamydiose mit 12’793 Fällen. Die Zahl der HIV-Neudiagnosen ist mit 318 Fällen leicht rückläufig (2023: 357 Fälle). «Diese Entwicklung verdeutlicht: Testangebote und Präventionsarbeit müssen gestärkt und finanziell gesichert werden, um den Trend der Stagnation oder gar des Wachstums umzukehren», so die Aids-Hilfe Schweiz.

«Wir wissen, dass Prävention wirkt», so Lehner abschliessend. «Aber sie funktioniert nur, wenn sie für alle zugänglich ist – unabhängig vom Einkommen. Wer heute spart, zahlt morgen doppelt: menschlich und finanziell.»

Mehr: Deutschland gibt 2,5 Millionen Euro für Aids-Programm der UN (MANNSCHAFT berichtete)

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