«140 cm geballter Sex» – Ruth Westheimer im Kino!
Die Doku «Fragen Sie Dr. Ruth» ist im Kino angelaufen
Die in Deutschland geborene US-Sexualtherapeutin Ruth Westheimer nahm ihre Arbeit vor 40 Jahren auf. Sie kam gerade recht, um in der kurz darauf beginnenden AIDS-Krise das Stigma rund um HIV und Homosexualität zu bekämpfen. Nun läuft die Doku «Fragen Sie Dr. Ruth» in den deutschen Kinos.
Man kann es sich heutzutage kaum noch vorstellen, doch es gab mal Zeiten, in denen man noch wirklich für Aufsehen sorgen konnte, wenn man öffentlich über Sex sprach. Niemand wüsste das besser als Dr. Ruth Westheimer. Die 1928 in Hessen geborene und 1956 in die USA emigrierte Soziologin gilt als berühmteste Sexualtherapeutin der Welt, seit sie 1980 erstmals im amerikanischen Radio eine Kolumne bekam, um Hörer*innen-Fragen zu beantworten und Ratschläge für guten Sex zu geben. (Bei uns macht das Dr. Gay und Team, etwa zur Frage: Warum kriege ich nicht den ganzen Dildo rein?)
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Innerhalb kürzester Zeit wurde Westheimer, die sich aufgrund ihrer Körpergrösse gerne mal scherzhaft als «140 cm geballten Sex» bezeichnet, zu einem medialen Phänomen, bekannt für ihre Offenheit, ihren Witz und natürlich den starken deutschen Akzent. Innerhalb weniger Jahre wurde ihre Sendung nicht nur zu einer der meistgehörten in New York, sondern wurde landesweit ausgestrahlt.
Sie bekam eigene Fernsehsendungen und war Dauergast in Talkshows, drehte Werbespots für Autos oder Shampoo und hatte Auftritte in Serien wie «Zurück in die Vergangenheit» oder «Melrose Place». Sogar in der legendären Sketch-Show «Saturday Night Live» wurde die Mutter zweier Kinder parodiert. Auch in Deutschland kam man in den Neunziger Jahren an Westheimer kaum an ihr vorbei: mehrere ihrer Bücher wurden auch hier übersetzt, und nicht nur Alfred Biolek oder Harald Schmidt begrüssten sie gerne in ihren Sendungen.
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1994 wurde sie von der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung mit der Magnus-Hirschfeld-Medaille ausgezeichnet. Für seinen Dokumentarfilm «Fragen Sie Dr. Ruth», der schon im Herbst 2019 in den Deutschschweizer Kinos lief, hat der schwule Regisseur Ryan White Westheimer über einen längeren Zeitraum begleitet, zu Vorträgen an Universitäten genauso wie zu Familienfeiern, in ihre bescheidene, seit Jahrzehnten bewohnte Wohnung in New York, aber auch bei Reisen in die Schweiz, wo die Jüdin als Kind im Dritten Reich einige Zeit verbrachte, während ihre Eltern im KZ ermordet wurden, sowie nach Israel, wo sie nach der Gründung des Staates eine Ausbildung als Kindergärtnerin gemacht hatte.
Diese Bilder, Gespräche und Erinnerungen kombiniert White mit jeder Menge Archivmaterial von Westheimers medialen Auftritten und setzt ihr ein filmisch nicht aufregendes, aber emotional umso packenderes Denkmal. So unglaublich sympathisch, witzig und clever, wie Westheimer bis heute ist, kann man gar nicht anders, als auch in «Fragen Sie Dr. Ruth» ihrem entwaffnenden Charme zu erliegen.
Dass ihr, ihrer bewegten und bewegenden Biografie sowie natürlich ihrer faszinierenden, aussergewöhnlichen Karriere ein filmisches Denkmal gesetzt wurde, ist höchste Zeit – und ein grosses Vergnügen. Zumal es White nicht versäumt, ein Gefühl dafür zu erzeugen, wie bahn- und tabubrechend, aber natürlich durchaus auch provozierend Westheimers Aufklärungsarbeit für (vor allem) die US-Gesellschaft tatsächlich war.
Nicht zuletzt übrigens aus queerer Sicht. Mit für damalige Verhältnisse kaum vorstellbarer Selbstverständlichkeit beantwortete sie schliesslich auch Sex-Fragen von Schwulen und Lesben – und trug ihren Teil dazu bei, auf der Höhe der AIDS-Krise das Stigma rund um HIV und Homosexualität zu bekämpfen. Auch deswegen also: unbedingt ansehen!
Als Aktivist kämpfte der vielfach preisgekrönte Autor Larry Kramer gegen AIDS. Er verstarb im Mai dieses Jahres an einer Lungenentzündung (MANNSCHAFT berichtete).
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