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Hoffnung für die queere Community in Namibia

Das Rechtssystem atmet immer noch den Geist der Kolonialzeit – Sex zwischen Männern, «Sodomie» genannt, ist in Namibia strafbar. Aber es geht voran

Namibia
Friedel Dausab ist Direktor von Out-Right Namibia (Foto: Tobias Sauer)

Namibias LGBTIQ-Community ist guter Stimmung: In der Gesellschaft wie auch politisch scheint sich ihre Lage zu verbessern. Aktivist*innen hoffen, dass endlich die noch aus der Kolonialzeit stammenden Gesetze abgeschafft werden, die Sex zwischen Männern verbieten.

Dicht an dicht stehen die Gäste an diesem Abend im Warehouse, einer angesagten Bar im Zentrum von Windhoek. In der namibischen Hauptstadt ist sie als Hot­spot der LGBTIQ-Community bekannt. Die Stimmung ist fröhlich und gelöst. Beim Karaoke stellen Gäste ihre Lieblingssongs vor, immer wieder unterbrochen von Applaus. Über einem Bier tauscht man den neuesten Klatsch und Tratsch aus. Und an den Wochenenden ist hier noch mehr los: In dem alten Gewerbegebäude steigen dann auch Partys mit angesagten DJs.

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Feiern im Warehouse (Foto: Tobias Sauer)

Die Polizei lächelt freundlich
Mitten im Getümmel steht Friedel Dausab, der Direktor der Nichtregierungsorganisation Out-Right Namibia, die sich für die Belange von LGBTIQ in dem südwestafrikanischen Land einsetzt. Auch er ist guter Dinge. Denn Namibia öffnet sich zunehmend gegenüber der queeren Community – auch wenn es bis zur Gleichstellung noch ein weiter Weg ist. Doch die Richtung stimmt, meint er. Einige Monate später sieht er seinen Optimismus bestätigt: Im Dezember gingen 250 Demonstrant*innen auf die Strasse, um Regenbogenfahnen schwenkend beim zweiten Pride-Umzug Windhoeks für Gleichstellung zu demonstrieren.

«Er herrschte ein Gefühl von Gemeinschaft und eine feierliche Stimmung», beschreibt Friedel die Stimmung. Auch weiter westlich in der Küstenstadt Swakopmund stiess die Parade eine Woche später auf ein positives Echo. Carlichia Pretorius, die schon den ersten Pride in Swakopmund vor zwei Jahren mitorganisiert hat, erinnert sich, dass sie vor Beginn jener ersten Demonstration nervös auf die Reaktionen von Polizei und Öffentlichkeit wartete. «Als uns dann aber gleich zu Beginn der Demo ein Polizeioffizier zugelächelt hat, löste sich die Stimmung», erinnert sie sich. Und von Seiten der Bevölkerung erfuhr die Demonstration freundlichen Applaus.


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Erstes LGBTIQ-Gesundheitszentrum
Auch die Infrastruktur für die queere Community Namibias wird ausgebaut. Im Mai 2018 eröffnete in den Räumen von Out-Right Namibia, unweit des Stadtzentrums von Windhoek, ein LGBTIQ-Gesundheitszentrum. Neben einem grossen Gemeinschaftsraum, das für Gruppentreffen genutzt wird, ist jetzt ein kleines Wartezimmer untergebracht, eine Tür führt von dort in das Besprechungszimmer. Es ist einfach eingerichtet, aber Spritzen zur Blutabnahme, Tupfer und Pflaster sind vorhanden. «Es ist das erste Zentrum seiner Art», berichtet Friedel stolz. Patienten können sich hier nicht nur auf HIV testen lassen, der Arzt behandelt auch andere sexuell übertragbare Krankheiten.

«Viele Leute haben Angst, stigmatisiert zu werden, wenn sie zum Arzt gehen», erklärt Friedel und verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2009, der zufolge mehr als 18 % der schwulen Namibier diese Befürchtung äusserten. Ihre Sorge: gegen ihren Willen öffentlich geoutet zu werden, sollten sie mit dem Mediziner über ihre sexuelle Orientierung sprechen. «Hier dagegen bieten wir einen geschützten Raum. Alle wissen, was LGBTIQ ist, alle sind sensibilisiert», sagt Friedel.

Den queeren Aktivist*innen machen ihre Erfolge der letzten Zeit Mut. Um den Rückenwind auch auf politischer Ebene nutzen zu können, haben sich im vergangenen Jahr mehrere LGBTIQ-Organisationen zum Dachverband der Diversity Alliance Namibia (DAN) zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Die rechtliche Gleichstellung aller Namibier*innen, egal ob hetero oder homo, bi oder trans. Denn das namibische Rechtssystem atmet immer noch den Geist der Kolonialzeit – einst beschlossene Gesetze sind nach der Unabhängigkeit im Jahr 1990 in Kraft geblieben.


Keine Verurteilungen von Schwulen
Sex zwischen Männern, «Sodomie» genannt, ist in Namibia strafbar, weil die seit der Unabhängigkeit ununterbrochen regierende Partei Swapo bislang keinen Grund sah, das Verbot abzuschaffen. Sam Nujoma, der das Land in die Unabhängigkeit führte und bis 2005 als Präsident amtierte, hatte noch im Jahr 2001 erklärt, Namibia erlaube keine «Homosexuellen und keine Lesben» auf seinem Territorium, diese sollten stattdessen «festgenommen, deportiert und ins Gefängnis gesteckt» werden. Allerdings wurde seit der Unabhängigkeit Namibias kein schwuler Mann aufgrund der entsprechenden Paragraphen verurteilt.

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Verbot führt zu Angst und Unsicherheit
«Trotzdem können diese Gesetze leicht für Erpressungen genutzt werden», sagt Friedel von Out-Right Namibia. In der Folge herrschen Angst und Unsicherheit. Die Gesetze haben auch weitere, absurd scheinende Konsequenzen: In den Gefängnissen werden beispielsweise keine Kondome zur Verfügung gestellt – sie könnten ja homosexuelle Handlungen unter den Gefangenen fördern, so die Sorge der Behörden. Tatsächlich steigt aber vor allem das Risiko, dass sich die Insassen, sollte es dennoch zu Sex hinter Gittern kommen, gegenseitig mit HIV infizieren …

Der vollständige Artikel ist in der April-Ausgabe der MANNSCHAFT erschienen. Hier geht es zum Abo Deutschland und hier zum Abo Schweiz.


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