Wieder homophober Angriff – Polizeistreife reagierte nicht

In Zürich sind Angriffe gegen LGBTIQ weiterhin ein grosses Problem.

(Symbolbild: Instagram/stadtpolizeizh)
(Symbolbild: Instagram/stadtpolizeizh)

D. (Name ist MANNSCHAFT bekannt) wollte nur im Zürcher Niederdorf einen gemütlichen Abend mit Freunden verbringen. Doch dann wurde er unvermittelt von etwa zehn jungen Männern homophob beleidigt, angepöbelt und bedroht. In der Nähe stand ein Fahrzeug der Stadtpolizei – aber die Polizistin und der Polizist zeigten kein Interesse am geschilderten Vorfall und der gewaltbereiten Gruppe.

Es war der letzte Freitag im August. Der schwule D. suchte mit vier Hetero-Freunden nach einem Büro-Apéro die Cranberry-Bar im Zürcher Niederdorf auf. Es sollte ein lustiger und gemütlicher Abend werden. Doch dann verliess D. kurz die Bar, um eine SMS versenden zu können, da es im Gebäude keinen Mobilfunk-Empfang gab. Um genau 00:38 Uhr schrieb er draussen einem Freund, er solle doch auch in die Bar kommen. Plötzlich habe er von der Schneggengasse her Schreie von Jungs im «Balkan-Slang» gehört: «Ey, Schwuchtel! Geh zurück in die Schwuchtelbar!»

Von Täter gefilmt Er blickte vom Handy auf und sah eine Meute von etwa zehn jungen Männern. «Ich bin eine friedliebende Person und wandte mich ab», erzählt D. im Interview mit MANNSCHAFT. Aber dann kam einer der Typen in seine Richtung. Er hielt sein Smartphone hoch und sagte: «Ich filme dich, du Schwuchtel! Du wirst sehen, was ich damit mache!» D. erinnert sich, wie die Lampe des Smartphones in seine Augen leuchtete, etwa zwanzig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt.

D. blieb ruhig. Er habe die Hand zum Friedenszeichen erhoben und gesagt: «Peace, ich will keinen Ärger – bin schon weg.» Daraufhin zog er sich in die Bar zurück. Dort habe er dem Barkeeper vom Vorfall erzählt. «Er meinte, dass er mit denen reden werde. Das tat er dann aber nicht.» D. nimmt ihm das nicht übel. Er könne gut verstehen, dass er sich nicht unbedingt mit einem alkoholisierten Mob anlegen wollte.

Binnen zwei Stunden – zwei homofeindliche Attacken in Berlin

Flucht auf den Hirschenplatz Zwei seiner Heterofreunde gingen dann aber raus, um mit den Typen zu sprechen. Sie hatten keinen Erfolg. Nach nur zwei Minuten kamen sie zurück. Sie stuften die Gruppe als gewaltbereit ein und meinten, dass es besser wäre, sie würden jetzt von hier verschwinden. «Wir baten den Barkeeper, uns durch die Seitentür rauszulassen, um nicht in die Hände dieser Meute zu geraten.»

Sie liefen dann via Marktgasse auf den Hirschenplatz, wo ein Polizeibus stand. Diese Gelegenheit wollte sich D. nicht entgehen lassen. Er signalisierte dem Polizisten und der Polizistin im Fahrzeug, dass er ihnen etwas mitteilen wolle. Der Polizist kurbelte das Seitenfenster etwa zehn Zentimeter nach unten.

Polizei zeigte kein Interesse D. habe ihm dann den homophoben Angriff geschildert. Doch dies habe den Polizisten erschreckend wenig interessiert: «Es ist Freitagnacht in Zürich, damit muss man leider rechnen», hat er laut D. geantwortet. Dieser entgegnete, dass er mit solch einer Einstellung nicht einverstanden sei. Schliesslich befände man sich hier am Zürcher Hotspot für homophobe Übergriffe. Die Polizistin auf dem anderen Sitz meinte bloss: «Da kann man leider nichts machen.»

Für D. ist dieses Verhalten enttäuschend. Schliesslich hat Polizeivorsteherin Karin Rykart (MANNSCHAFT berichtete) versichert, die Polizei würde homophobe Gewalt ernst nehmen. Seit einiger Zeit kommt es nämlich in Zürich – vor allem im «Niederdörfli» – immer wieder zu Attacken auf Schwule (MANNSCHAFT berichtete). Ausserdem heisst es von Politiker*innen oft, dass es wichtig sei, homophobe Straftaten zu melden, damit statistische Daten vorliegen.

Zürich kriegt eine neue LGBTIQ-freundliche Kultur-Oase

«Das ist es nicht wert.» «Es ist ausserordentlich bedauerlich, dass die Polizei trotz bekannter Problematik nicht auf Hinweise eingeht», findet D. Eine Intervention der Gesetzeshüter*innen wäre wünschenswert gewesen. Eine Anzeige habe er nicht erstattet, da sich die Polizei ja offensichtlich nicht für den Vorfall interessierte. Er habe jedoch ein Onlineformular von lgbt-helpline.ch ausgefüllt.

Es sei schon der dritte homophobe Vorfall innerhalb von drei Jahren, den D. erleben musste. Gemäss seiner Beobachtung und Einschätzung seien jedes Mal junge Männer aus dem Balkan in die Tat involviert gewesen. D. geht nun nicht mehr ins Niederdorf. «Zu riskant. Das ist es nicht wert.»

Wir haben die Stadtpolizei Zürich mit der Geschichte konfrontiert. Der Umstand, dass keine Anzeige erstattet wurde, macht die Suche nach den beteiligten Personen schwierig. «Mit den vorhandenen Informationen konnten wir in der vorgegebenen Zeit die betreffende Polizistin und den betreffenden Polizisten nicht ausfindig machen», sagt Sprecher Marco Cortesi.

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