«With Legs Wide Open»: Schau über Sexarbeit in Berlin
Das Schwule Museum verspricht einen «Hurenritt» durch die Geschichte
Das Schwule Museum in Berlin hat eine neue Ausstellung angekündigt, die sich mit den Entwicklungen im Bereich Sexarbeit aus Perspektive derjenigen beschäftigen will, «die wissen worum es geht».
Die neue Schau trägt den Titel «With Legs Wide Open – Ein Hurenritt durch die Geschichte» und soll am 26. März 2024 eröffnet werden. In einer Pressemitteilung heisst es diese Woche: «Die Geschichte der Sexarbeit wurde bislang, wenn überhaupt, vor allem von ihren Regulierern und Unterdrückern geschrieben. Auch das akademische Wissen darüber ist grösstenteils voreingenommen oder unzutreffend. Im öffentlichen Reden über Sexarbeit gibt es viele Meinungen, aber wenig Informationen. Die eigentlichen Expert*innen werden fast nie gefragt. Sogenannte Schutzgesetze wurden entwickelt, ohne die Sexarbeitenden miteinzubeziehen» (MANNSCHAFT berichtete).
Daran wollen die «Huren vom Museum der Sexarbeit» etwas ändern, die sich als «Kollektiv aus Sexarbeiter*innen» beschreiben. Sie haben aus Archivmaterial, Oral History und sogenannten künstlerischen Interventionen «eine Berlin-Geschichte aus Hurenperspektive» zusammengestellt.
«Nicht über uns ohne uns» Die Leitidee lautet: «Nicht über uns ohne uns.» In der Pressemitteilung wird das Projekt so erklärt: «Sexarbeits-Geschichte als ‹Whorestory›, als kritische Auseinandersetzung mit institutioneller Abwertung, Regulierung und Überwachung, aber auch als Sichtbarmachung neuer Facetten der Sexarbeits-Kultur durch alle Zeiten hindurch, vom Mittelalter bis zum gegenwärtigen Aktivismus, die im historischen Diskurs über ‹abweichende Sexualität› und in aktuellen Phänomenen wie Hurenpässen und Sexkaufverboten ignoriert werden.»
Und weiter: «Die Communities von Sexarbeiter*innen und queeren Menschen sind eng miteinander verbunden. Sexarbeit hat mit Formen der Sexualität und Arbeitspraxis zu tun, die ausserhalb der heteronormativen Familie und reproduktiver Arbeit stehen, weshalb in der Sexarbeits- und in der queeren Kultur gleichermassen eine besondere Aufmerksamkeit für die soziale Konstruktion von Geschlecht und Sexualität herrscht. Im Schwulen Museum, gelegen im ‹Rotlichtviertel› Bülowkiez, entsteht deshalb für die Dauer der Ausstellung eine fiktive Institution, ein lebendiges, erotisches, magisches, witziges und zutiefst politisches ‹Museum der Sexarbeit›.»
Dieses Museum habe verschiedenen Abteilungen, erfährt man vorab, u.a. ein Arzneimittelkabinett, eine Garderobe, eine Beschwerdestelle, eine Gesundheitsabteilung, eine Stabsstelle für die Rückeroberung des öffentlichen Raums, ein Vernichtungsdezernat, eine Abteilung für horizontale Arbeit und eine Kapelle.
«Deutscher Bürokratiefetisch» Was in diesen Abteilungen zusammengetragen wurde, solle keinen chronologischer Überblick über die Kulturgeschichte der Sexarbeit ergeben, sondern eine «queere, spielerische, manchmal magische Verknüpfung von Dokumenten und Assoziationen» – über «alternatives Körperwissen, Arbeitsbedingungen, nicht-normative Sexualität, Ahnenverehrung, deutschen Bürokratiefetisch, kolonialistische und nationalsozialistische Verfremdung und Trauerarbeit».
Man kann das mindestens ambitioniert nennen; gefördert wird das Projekt von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die künstlerische Arbeit «Red Light Utopia Quilt» entwirft dabei die Utopie eines Bordells «in einer besseren Zukunft», in dem STI-Tests «immer kostenlos» sind, der Tee «immer heiss» und Hurenpässe «nicht mehr nötig» sind.
Das SMU hatte sich in der Vergangenheit schon mehrfach mit dem Thema Sexarbeit beschäftigt, sehr publikumswirksam in der Ausstellung «Porn That Way» zur Geschichte der LGBTIQ-Pornografie, wo mehrfach Sexarbeitende zu Talks eingeladen waren und Pornostar Tim Krüger als Stargast zur Eröffnung kam.
Das Bode-Museum Berlin hat zuletzt in der Ausstellung «Der zweite Blick» zum Thema «Frauen» ebenfalls mit einem Sexarbeiter*innenkollektiv zusammengearbeitet (MANNSCHAFT berichtete).
Zur neuen Ausstellung im SMU heisst es: «Das Museum der Sexarbeit im Schwulen Museum schafft – mit weit geöffneten Beinen – einen besonderen und noch nie dagewesenen Ort, an dem sich Sexarbeit als Überlebenskunst präsentiert und für alle eine politische Vision entwirft.»
Von einer kritischen Auseinandersetzung zu Themen wie Ausbeutung, Menschenhandel bzw. moderner Sklaverei ist in der Vorankündigung nicht die Rede. Man muss abwarten, ob diese Aspekte in der Ausstellung ebenfalls zur Sprache kommen werden. Die Schau läuft bis zum 31. Dezember 2024 – was für die Verhältnisse des SMU auffallend lang ist.
Mit Pekka Haavisto könnte Finnland demnächst seinen ersten schwulen Präsidenten bekommen (MANNSCHAFT berichtete).
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