Falsche Angaben bei MSM-Blutspende? Mögliche Konsequenzen!
Nur wenige HIV-Übertragungen durch Blutprodukte nach Falschangaben bekannt
In Österreich wie in der Schweiz dürfen Männer, die in den letzten zwölf Monaten Sex mit einem Mann hatten, nicht Blut spenden. Was ist eigentlich, wenn man trotzdem spenden geht und falsche Angaben macht über sein Risikoverhalten?
Es könnte das Delikt der Täuschung (§ 108 StGB: Haft bis zu einem Jahr) erfüllt sein, sagt Helmut Graupner, Präsident des österreichischen Rechtskomitee Lambda «Sollte es zu einer Infektion kommen, so kommen auch die Tatbestände der Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten (§ 178 StGB: bis drei Jahre Haft) sowie die Körperverletzungsdelikte in Betracht.» Solche Fälle seien ihm allerdings nicht bekannt.
Was die Schweiz betrifft, so erklärt das Team von Dr. Gay, falsche Abgaben bei der Blutspende hätten keine strafrechtlichen Konsequenzen, da wohl keine Schädigungsabsicht bestehe. Doch auch hier sind keine bisherigen Fälle bekannt.
Anders könnte es aussehen, wenn man eine Falschangabe zum HIV-Status (oder einer anderen Blutspende-ausschliessenden Krankheit) mache. «Dies könnte allenfalls eine Urkundenfälschung sein.» Man müsste dann aber noch genauer prüfen, ob der Blutspendefragebogen das Kriterium einer Urkunde erfüllt, die jedoch wiederum eine Schädigungsabsicht voraussetzt.
Weiter erkärt Dr. Gay: «Sicherlich ist es – moralisch gesehen – generell sinnvoll, korrekte Angaben zu machen, da die gestellten Fragen legitim sind. Obwohl wir ja aber nicht einverstanden sind, dass MSM von der Blutspende ausgeschlossen werden, wenn sie nicht 12 Monate keinen Sex haben. Aber das ist ein anderes Thema.»
Im Hinblick auf eine mögliche Falschangabe sieht das Transfusionsgesetz keine Ahndungsmöglichkeit (Straftat oder Ordnungswidrigkeit) vor.
Das deutsche Gesundheitsministerium teilte auf MANNSCHAFT-Anfrage mit: «Im Hinblick auf eine mögliche Falschangabe sieht das Transfusionsgesetz keine Ahndungsmöglichkeit (Straftat oder Ordnungswidrigkeit) vor.» Eine etwaige Strafbarkeit nach anderen Gesetzen (Strafgesetzbuch oder Arzneimittelgesetz) müsse in jedem Einzelfall von den Strafverfolgungsbehörden geprüft werden.
Peter Scriba, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, hatte das für Deutschland laut SZ so eingeschätzt. Wenn Personen aus Risikogruppen trotzdem Blut spenden – wobei sie etwa ihr Schwulsein verbergen und dies herauskomme –, so werden die Betroffenen dauerhaft vom Blutspenden ausgeschlossen. «Wer allerdings wissentlich falsche Angaben macht und damit andere Menschen schädigt, weil diese sich mit HIV oder Hepatitis infizieren, begeht eine Straftat.»
Eine Kontrollstudie in Grossbritannien ergab, dass 99,5 Prozent der Spender*innen zu ihrem Sexualverhalten korrekte Angaben gemacht hatten. Ähnliche Ergebnisse habe man in Australien sowie in Kanada festgestellt.
Auf MANNSCHAFT-Anfrage beim Bundesgesundheitsministerim teilt man uns mit: In Deutschland wurde von Januar bis März des Jahres 2020 eine bundesweite Compliance-Studie durch das Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführt, die von 23 Blutspendeeinrichtungen unterstützt wurde und an der 14.882 Blutspendende teilnahmen. Im Rahmen dieser Studie wurde mit einem anonymen Online-Fragebogen nach dem persönlichen Empfinden bei der Beantwortung von Fragen zu sexuellen Infektionsrisiken gefragt und analysiert, ob dies einen Einfluss auf die Validität der Angaben bei der Blutspende habe.
Im Fragebogen wurden u.a. sexuelle Risikoexpositionen erhoben, die die in der Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer festgelegten Auswahlkriterien widerspiegeln (etwa die Inanspruchnahme oder Ausübung von Sexarbeit, Sexualverkehr zwischen Männern, Sexualverkehr mit Personen aus HIV-Endemiegebieten). Zusätzlich wurden Fragen gestellt, die für eine individuelle Risikobewertung von Relevanz wären, etwa die Anzahl der Sexualpartner*innen im letzten Jahr oder Fragen zur Kondomnutzung.
Beinahe die Hälfte der aktiven MSM finden die Fragen zu sexuellen Risikoexpositionen im Spenderfragebogen zu privat.
Was das Ausmass an Non-Compliance, der mangelnden «Mitarbeit» in den Fragebögen also, bezüglich der Rückstellungskriterien für Personen mit erhöhtem Risiko für sexuell übertragbare, transfusionsrelevante Infektionen, so haben insgesamt 7% der Teilnehmenden angegeben, dass die Fragen zu sexuellen Risiken im Spenderfragebogen zu privat wären. Männer (8%) empfanden im Vergleich zu Frauen (5%) diese Frage signifikant häufiger als zu persönlich. Beinahe die Hälfte der aktiven MSM (44%) gab an, dass die Fragen zu sexuellen Risikoexpositionen im Fragebogen zu privat wären.
0,9 % der teilnehmenden Spender gaben im Nachhinein an, dass sie in den letzten 12 Monaten Sexualverkehr mit einem Mann hatten und somit bei Angabe dieser Information nicht zur Spende zugelassen worden wären – damals galt in Deutschland noch eine 12-moantige Rückstellungsfrist in der Richtlinie Hämotherapie. Der höchste Anteil war mit 1, 8% bei Männern der Altersgruppe 25 bis 35 Jahre zu verzeichnen und lag in der Altersgruppe der unter 25-Jährigen bei 1, 6 %.
Eine Non-Compliance bzgl. der Rückstellungskriterien bei heterosexuellen Risikoverhalten wurde in der Studie bei 2, 6% der Blutspendenden beobachtet – bei Frauen 2, 3%, bei Männern 2, 7%.
Wie uns das Paul Ehrlich Institut (PEI) mitteilt, hat es in Deutschland verschiedene Befragungen und Studien gegeben. Bei fünf von sechs der in Deutschland in den Jahren von 1997 bis 2009 bekannt gewordenen HIV-Übertragungen durch Blutprodukte konnte der Infektionsweg geklärt werden. Alle ermittelten Spenderinfektionen wurden durch Sexualkontakte erworben: Zwei davon gingen auf MSM-Kontakte zurück, zwei auf heterosexuelle Kontakte zu Personen aus Hochprävalenzländern (HPL) und eine auf heterosexuelles Risikoverhalten.
Sechs bekannt gewordene HIV-Übertragungen durch Blutprodukte Fünf von sechs der in Deutschland seit dem Jahr 1997 bekannt gewordenen HIV-Übertragungen durch Blutprodukte seien darauf zurückzuführen, dass die implizierten Spender die derzeit gültigen Ausschlusskriterien bei der Anamnese (MSM, heterosexueller Verkehr mit Personen aus HPL, heterosexuelles Risikoverhalten) nicht angegeben oder nicht vom vertraulichen Selbstausschluss Gebrauch gemacht haben.
Das PEI weist draufhin, dass Falschangaben einer Person, die eine der Ausschlusskriterien erfüllt, zur Infektion führen könne. «Wenn diese beispielsweise noch so frisch ist (in der Fensterphase), dass selbst ein direkter Virusnachweis die Infektion nicht erkennt.»
Zusammenfassend könne aber festgestellt werden, «dass das inzwischen erreichte Sicherheitsniveau sehr hoch ist». Aber trotz ständiger Weiterentwicklung der Testsysteme müsse auch in Zukunft damit gerechnet werdes, «dass einzelne infektiöse Spenden in der Fensterphase oder infolge Testversagens nicht nachgewiesen werden können».
Trotz der hohen Leistungsfähigkeit der Labortestung sei es weiterhin zur Risikominimierung erforderlich, so das PEI, dass man Personen nicht zur Spende zulasse, die durch ihr Verhalten ein erhöhtes Risiko haben, sich mit einem transfusionsrelevanten Erreger zu infizieren.
Mehrere grosse österreichische Unternehmen fordern, die diskriminierende Blutspendepraxis zu beenden (MANNSCHAFT berichtete): Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), müssen aber in Österreich 12 Monate ohne Sex leben, bevor sie spenden dürfen. In Ungarn allerdings ist die diskriminierende Regel für MSM bereits gefallen (MANNSCHAFT berichtete).
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