«Fussball ist Fussball – und Liebe ist Liebe»
Viktoria Schnaderbeck plädiert dafür, sich als Fussball-Profi zu outen und Tabus zum Thema Sexualität zu brechen
Acht Monate ist es her, dass sich Viktoria Schnaderbeck öffentlich via Instagram geoutet hat. Die Kapitänin des österreichischen Nationalteams, die derzeit bei Arsenal London unter Vertrag steht, antwortet jetzt auf einen offenen Brief, den ein offenbar schwuler Profi aus England anonym veröffentlicht hatte.
Vor wenigen Wochen hatte ein nach eigenen Angaben schwuler Profi der englischen Premier League einen offenen Brief über das Geheimhalten seiner Sexualität geschrieben, der von der Justin Fashanu Foundation veröffentlicht und im Daily Mirror und in der Sun aufgegriffen wurde und grosse Wellen schlug.
Unter anderem hiess es in dem Brief: «Die Wahrheit ist, dass ich einfach nicht glaube, dass Fussball schon bereit dafür ist, dass sich ein Spieler outet. Es bräuchte radikale Veränderungen, dass ich mich für diesen Schritt bereit fühlen würde.»
Das veranlasste Viktoria Schnaderbeck dazu, sich zu Wort zu melden. Mit einem offenen Brief, veröffentlicht am Wochenende auf ihrem Blog, wolle sie ihre Stimme erheben.
«Ich werde keine radikale Veränderung bewirken, aber ich möchte einen Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen. Um als professioneller Fussballer oder professionelle Fussballerin unvoreingenommen, befreit und entfesselt über Homosexualität sprechen zu können, erfordert sehr viel Mut und nicht zuletzt Überwindung. Wenngleich die Wunschvorstellung einer emanzipierten, entwickelten und toleranten Gesellschaft existiert, ist die Realität immer noch stark geprägt von Vorurteilen, Tabus und heteronormativen Einstellungen», so Schnaderbeck.
Sie habe sich Ende des letzten Jahres bewusst dazu entschieden, die Beziehung zu ihrer Freundin öffentlich zu machen. «Ich habe mich bereit gefühlt und wollte endlich den kleinen Lügen ein Ende setzen. Ich wollte uneingeschränkt und befreit leben und zu 100% ich selbst sein. Ob es mir schwer gefallen ist? Natürlich. Ich stehe in der Öffentlichkeit und habe eine gewisse Fanbase. Medien und Fans werden darauf reagieren – das war klar. Allerdings nicht, in welchem Ausmass und in welcher Form.»
Aber ihr wurde immer mehr bewusst, dass sie eine einzige Entscheidung für sich selbst treffen musste: «Möchte ich mein Leben genau so frei und uneingeschränkt leben, wie ich es möchte oder möchte ich mein Leben so leben, damit ich es heteronormativ programmierten Menschen Recht mache? Die Antwort war klar und ich fühlte mich bereit: ich möchte mich öffentlich bekennen, dass ich lesbisch bin.»
Mit 20 oder 25 Jahren, schreibt sie, hätte sie noch anders gehandelt. Mit 20 Jahren hätte sie sich selbst eingeredet, dass es nur eine Phase sei. Sie hätte gelogen und vielen Menschen aus meinem Umfeld etwas vorgespielt.
«Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, als ich geweint hatte, als mich meine Mama mit der Frage konfrontierte, ob ich eine Freundin hätte? Ich bin in Tränen ausgebrochen, weil ich mich geschämt hatte, ich mich schuldig fühlte und schlichtweg nicht zu meiner Sexualität stehen konnte. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass meine Eltern nie ein Problem mit meiner sexuellen Orientierung hatten.» Es sei lediglich sie selbst gewesen, die ein Problem gehabt habe, ein grosses und tiefliegendes.
«Mit 25 Jahren hätte ich mir dann schon eingeredet, dass es ausreichend ist, wenn es meine Familie und Freunde wissen, aber mein berufliches und erweitertes Umfeld davon ausgeschlossen bleiben. Heute, mit 29 Jahren, rede ich mir nichts ein, sondern weiss, dass ich auf Frauen stehe. Heute weiss ich, dass sexuelle Orientierung überhaupt nicht wichtig ist. Dass es überhaupt keine Rolle spielt, welches Geschlecht ich liebe. Viel wichtiger ist, dass ich liebe. Ich glaube auch, dass Sexualität vor allem durch die Gesellschaft Wichtigkeit bekommt.»
Kürzlich hatte sich der britische Fussballprofi Thomas Beattie geoutet – fünf Jahre nach seinem Rücktritt als aktiver Spieler (MANNSCHAFT berichtete). Auch Thomas Hitzlsperger outete sich erst, nachdem seine Karriere als Spieler vorüber war (MANNSCHAFT berichtete).
Daher wollte sie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und einen Beitrag zu einer besseren, toleranteren und friedlicheren Welt leisten. «Je mehr wir darüber sprechen, desto eher schaffen wir einen Rahmen, wo sich Leute nicht mehr schämen müssen. Einen Rahmen, in dem Tabus zum Thema Sexualität gebrochen und stigmatisierte Denkweisen abgelegt werden.»
Im 21. Jahrhundert dürfe es keinen Platz für Homophobie, Rassismus, Sexismus oder andere Formen der Diskriminierung geben. «Unser Planet – unter anderem das Fussballstadion – soll ein Platz für Diversität, Inklusion und Fairness sein. Denn, damit endet der Brief von Viktoria Schnaderbeck: «Fussball ist Fussball. Und Liebe ist Liebe.»
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