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Ehemaliger Fussballer Thomas Beattie outet sich als schwul

Nach einer Kopfverletzung musste er seine Karriere aufgeben

Fünf Jahre nach seinem Rücktritt wagt der britische Fussballprofi Thomas Beattie sein Coming-out. Er habe lange einen gesellschaftlichen Druck verspürt, seine Sexualität geheim zu halten.

«Mein Name ist Thomas Beattie. Ich bin ein Bruder, ein Sohn, ein Freund, ein ehemaliger Fussballer, ein Unternehmer und ehrgeizig auf eine nervige Art. Ich bin viele Dinge, eines davon ist schwul.» Mit diesen Worten bestreitet der Thomas Beattie auf der Website des US-amerikanischen Sportsenders ESPN sein Coming-out. In einem langen Beitrag mit dem Titel «Meine versteckte Reise» beschreibt der 33-Jährige den Druck und die innere Zerrissenheit, die ihn während seiner ganzen Zeit als Profifussballer begleiteten.

Der Brite begann seine Karriere bereits im Alter von zehn Jahren, als er in der Nachwuchsmannschaft des FC Hull aufgenommen wurde. Mit 19 Jahren erhielt er ein Stipendium, um am Limestone College im US-Bundesstaat South Carolina Fussball zu spielen. Das Sport- und Biologiestudium gab ihm die Möglichkeit, der Isolation zu entfliehen, die er aufgrund seiner Sexualität verspürte.

Auch auf dem Fussballfeld brillierte er: An seinem College war Beattie der erfolgreichste Athlet der erste «All-American-Athlete» im Förderprogramm von Adidas. Das harte Training wurde zur Ausrede. «Während mein Umfeld herumexperimentierte, fühlte ich mich in Bars nie wohl», schreibt er. «Der Fussball war immer meine Ausrede. Ich würde sagen: ‹Ich habe keine Zeit, ich muss trainieren.›»


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Nach seinem Abschluss brachte ihn ein Talentscout zurück nach Europa, wo er unter anderem in Schottland und in der Eliteserien spielte, der höchsten Spielklasse im norwegischen Fussball. Die Karriere brachte ihn nach Kanada, wo er die Auszeichnung «SL Rookie of the Year» erhielt und schliesslich für den FC Ottawa spielte.

Als Profifussballer habe er stets den Druck verspürt, über seine Sexualität zu schweigen. «Nie habe ich daran gedacht, mich während meiner Karriere zu outen», schreibt er. «Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes den Eindruck, mich für das eine oder das andere entscheiden zu müssen: Wer ich bin oder der Sport, den ich seit jeher liebe.»

Nach seiner Zeit in Kanada spielte Beattie in Asien, wo er gemeinsam mit dem FC Warriors in Singapur den Meistertitel holte. Bei einem frontalen Zusammenstoss während eines Spiels zog er sich 2015 schwere Kopfverletzungen zu, die seine Profikarriere beendeten. Er erlitt eine Gehirnblutung sowie mehrere Frakturen im Gesicht, unter anderem an der Stirn, in den Augenhöhlen und an den Wangen.


 

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Beattie bezeichnet seinen Unfall als «wunderschönen Albtraum». «Als ich nach der Operation aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sagte ich mir, dass – sollte ich alles überstehen – ich mir die Zeit und den Raum gönnen würde, um mich so zu akzeptieren, wie ich bin», schreibt er. «Kein Geld, keine Häuser, Autos oder Leistungen im Fussball werden mir je Zufriedenheit bringen, wenn ich nicht in mein Inneres blicke und meine Gefühle zu verstehen versuche.»

Nach seinem Unfall blieb Beattie in Singapur, wo er nun als Investor tätig ist. 2019 bezeichnete ihn ein Frauenmagazin als einer der «begehrtesten Junggesellen Singapurs» – Aufmerksamkeit, die er nicht gesucht hattte. «Ich hatte einige Verpflichtungen, die ich erfüllen sollte: an Konferenzen sprechen, Frauen an einen Event begleiten, meine Follower*innen dazu zu bringen, für mich abzustimmen», schreibt er. «Während der ganzen Qual fragte ich mich: ‹Warum tue ich das immer noch?›»

In den vergangenen drei Monaten hat sich Beattie allmählich gegenüber seinem privaten Umfeld geoutet. Auch mit ehemaligen Teamkollegen habe er gesprochen. Die Reaktionen seien «grossartig» gewesen. Jetzt wolle er den Schritt in die Öffentlichkeit wagen – als erster Profifussballer Asiens. «Ich fühle mich verpflichtet, meine Geschichte jetzt zu erzählen», schreibt er. In seiner Jugend habe er nie eine solche Geschichte gelesen. «Ich frage mich, wie mein Leben anders verlaufen wäre, wenn ich es getan hätte.»

Er schreibe diese Zeilen in einer Zeit, in der die Corona-Pandemie viele Leben durcheinandergebracht habe. «Das gegenwärtige Klima hat uns mehr denn je in unserem Inneren gefangen und isoliert. Für einen ungeouteten schwulen Sportler ist das nichts Neues. Versuch einmal, dein ganzes Leben lang mit diesem Gefühl umzugehen; es kann lähmend sein.»

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Beattie hofft, dass er andere Sportler*innen dazu animieren kann, sich selbst zu akzeptieren und zu verstehen. «Ich hoffe, dass meine Geschichte bei dir nachhallt, damit du weisst, dass du nicht alleine bist. Ich hoffe, dass wir schliesslich an einen Ort kommen, an dem du dich selbst nicht opfern musst, um einen Athlet oder eine Athletin zu werden.»

Am Ende seines Texts nimmt er die Fussballwelt in die Pflicht. «Spieler, Trainer, Management, Eigentümer, Fans: Euch fordere ich auf, mitfühlend zu sein», schreibt Beattie. «Fragt euch selbst: Was glaubt ihr, wirklich über Vielfalt, über Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit zu wissen? Habt keine Angst vor dem Tag, an dem ein schwuler Sportler euer Trikot trägt. Fürchtet den langen Zeitraum, in dem es keinen gibt. Schliesslich besteht die Gefahr, dass wir den nächsten Lionel Messi verpassen, weil er zufällig schwul ist.»

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