Schauspieler aus Ukraine: Jetzt in Frankreich dank «Glitzernde Garnelen»
Durch die Filmarbeit an der Fortsetzung der Erfolgskomödie kam Sasha Ivanov aus seiner umkämpften Heimat raus
Der ukrainische Schauspieler Sasha Ivanov nennt zwar auf seiner Facebook-Seite Kiew als Heimatstadt, aber er sei nach dem Überfall auf die Ukraine nach Paris geflohen, schreibt das Edge Media Network. Es weist darauf hin, dass Ivanov im neuen LGBTIQ-Film «La Revanche des Crevettes Pailletées» mitspielt, der im April in französischen Kinos startete.
Bei dem Film handelt es sich um die Fortsetzung der erfolgreichen Kinokomödie «Die glitzernden Garnelen» von 2019 über eine schwule Wasserballmannschaft, die mit einem homophoben Trainer zu den Gay Games nach Kroatien aufbricht (MANNSCHAFT berichtete).
Im neuen Film spielt Ivanov einen jungen Russen, der eine Konversionstherapie über sich ergehen lassen musste und nun als Übersetzer beim französischen Team arbeitet. Denn: In der Fortsetzung landet die Mannschaft auf dem Weg zu Spielen in Tokyo unterwegs in Russland und bleibt dort hängen. Auf diese Weise konnten die Macher*innen des Films sich mit den notorisch homophoben Gesetzen des Landes auseinandersetzen.
Cédric Le Gallo, Co-Regisseur des Films, sagte in einem Interview mit der französischen LGBTIQ-Zeitschrift Têtu, dass diesmal politischere Themen angesprochen würden und die Staatshomophobie in Russland attackiert werde.
Keine Drehgenehmigung für Russland bekommen Da es nicht möglich war, angesichts des Stoffes in Russland selbst eine Drehgenehmigung zu bekommen, wurde in der Ukraine gefilmt – vorm Angriffskrieg Putins. (MANNSCHAFT berichtete über das homophobe Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, der als enger Verbünderter Putins auf die EU-Sanktionsliste kommen soll.)
Le Gallo sagt: «Die Schauspieler*innen fühlten sich sehr frei in der Ukraine. Auch wenn dort für LGBTIQ nicht alles perfekt ist, hat die Ukraine nichts gemein mit Russland.» Deshalb sei es laut Le Gallo auch sehr wichtig, «dass die Ukraine die Ukraine bleibt».
Ivanov hat laut Edge Media Network in Kiew Architektur studiert und erste Schauspielerfahrungen gemacht mit «Stop-Zemlia» von Kataryna Gomostai. Dafür gewann er bei der Berlinale 2021 sogar einen Preis. Er begann daraufhin verschiedene Übersetzungsjobs anzunehmen, wodurch er in Kontakt mit den «Garnelen»-Macher*innen kam. Die boten ihm eine Rolle an, obwohl er den ersten Film nie gesehen hatte. «Als ich ihn dann anschaute, erkannte ich, mit welch sarkastischem und überraschendem Humor er mit dem Genre spielt», so Ivanov zu Têtu.
Queere Clubs und Buchläden in der Ukraine Ivanov habe die meiste Zeit seines Lebens in den russischbesetzen Gebieten der Ukraine gelebt, heisst es. «Die Ukraine ist seit 31 Jahren ein eigenständiges Land, und die Bürger*innen wollten schon immer Teil der EU werden. Die Folge davon ist, dass das Land in Bezug auf LGBTIQ-Themen sehr frei ist, besonders in den letzten Jahren. Viele Institutionen haben sich geöffnet und Pride-Demos werden von der Polizei geschützt. Es wurde zunehmen mehr akzeptiert, dass Menschen so leben können, wie sie wollen, und lieben können, wen sie möchten.» (MANNSCHAFT berichtete über Angriffe auf den Odessa-Pride.)
Laut Ivanov habe es in Kiew viele Clubs gegeben, wo sich LGBTIQ nicht mehr heimlich hätten treffen müssen. In der Hauptstadt habe man auch Buchläden gefunden, die Titel im Sortiment gehabt haben sollen für junge Leser*innen, um über Identität aufzuklären. Trotzdem habe es auch in Kiew viele Gegner dieser Entwicklung gegeben, räumt Ivanov ein.
Er sei in Paris angekommen, genau in dem Moment, als der Krieg ausbrach. «Ich mochte mein Leben in Kiew sehr, ich lebte dort mit einem Mitbewohner aus Berlin zusammen; es war eine sehr internationale Atmosphäre.» Kiew sei eine der schönsten Städte, die er kenne. Einige seiner Familienangehörigen seien inzwischen ebenfalls aus dem Land geflohen, andere sässen jedoch fest in kleinen Städten, wieder andere hätten sich entschlossen, zu kämpfen, so Ivanov. (MANNSCHAFT berichtete darüber, wie Präsident Selenskyj sich im eigenen Land schützend vor die LGBTIQ-Community stellen musste.)
Scham darüber, in Sicherheit zu sein «Der Agressor hat keine Empathie für die Bevölkerung. Sie fühlen sich den Ukrainern sehr überlegen, obwohl die weit fortschrittlicher sind, was ihre Mentalität angeht», sagt Ivanov. «Ich hoffe, dass durch diesen Krieg die Menschen auf der ganzen Welt begreifen, was da passiert.» Es gehe nicht nur um den Kampf in der Ukraine, sondern um einen «globalen Kampf».
Ivanov gibt zu, dass er sich in gewisser Weise schäme, in Paris in Sicherheit zu leben. «Jeder, der selbst schonmal geflüchtet ist, kennt dieses Gefühl.» Er versuche sich in Frankreich mit Arbeit über Wasser zu halten und eine kulturelle Opposition gegen Russland in Paris zu organisieren. Dabei falle ihm auf, wie wenige russische Künstler*innen sich öffentlich gegen Putin stellten, sagt er.
Sein grösster Wunsch sei es, so schnell wie möglich nach Kiew zurückzukehren. Bis dahin freue er sich mit dem neuen «Garnelen»-Film auch jungen Russen Mut zu machen, von denen viele ihr Land verlassen haben, um anderswo so zu leben und zu lieben, wie sie es wollen, und nicht wie Putin es ihnen vorschreiben will.
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