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Trans­geschlechtlichkeit in England: «Die Debatte ist so toxisch geworden»

Eine neuen Studie konstatiert, dass das System bisher versagt habe

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Symbolfoto: Kyle / Unsplash

Auch wegen kritischer Aussagen von Prominenten wie J.K. Rowling wird in Grossbritannien scharf über Fragen geschlechtlicher Identität gestritten. Eine Studie mahnt jetzt zu einem wissenschaftlichen Ansatz.

Die Autorin eines lange erwarteten Untersuchungsberichts zu staatlichen Angeboten für trans  Jugendliche in Grossbritannien hat eine vergiftete Diskussion durch Kulturkriege beklagt. «Die Debatte ist so toxisch geworden, dass Menschen Angst haben, in diesem Bereich zu arbeiten», sagte die pensionierte Kinderärztin Hilary Cass der Zeitung Guardian (Bezahlschranke). Zudem sei die Gefahr gross, dass Eltern und Ärzt*innen, die sich gegen eine Geschlechtsanpassung aussprechen, in sozialen Netzwerken vorschnell als transphob verurteilt werden.


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Der am Mittwoch veröffentlichte Bericht untersucht Angebote des staatlichen Gesundheitsdiensts NHS für Minderjährige, die sich in ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht wohlfühlen. Die Studie war 2020 vom National Health Service (NHS) in Auftrag gegeben worden. Anlass war ein starker Anstieg der Fälle. In den vergangenen 15 Jahren nahm die Zahl der an den NHS überwiesenen jungen Patienten von etwa 50 auf mehr als 3000 pro Jahr zu. Mittlerweile gehe es vor allem um Jugendliche, die bei ihrer Geburt als Mädchen identifiziert wurden, sagte Cass.


Verantwortlich für die zugespitzte Lage seien die Erwachsenen. «Die Minderjährigen werden als Spielball benutzt, und dieser Gruppe sollten wir mehr Mitgefühl entgegenbringen.» Jugendliche seien im Stich gelassen worden, weil die Wissenschaft nicht gut genug sei und keine guten Daten vorhanden seien, sagte Cass. Das bisherige System habe versagt.

NHS England kündigte eine umfassende Überprüfung aller Behandlungen an. Der Gesundheitsdienst hatte bereits im März die Verschreibung von Pubertätsblockern an Minderjährige gestoppt. Die Medikamente, die das Einsetzen von Pubertätsmerkmalen wie Menstruation, Brustwachstum und Stimmbruch verhindern, dürfen nur noch bei klinischen Studien zum Einsatz kommen.

Die Regierung begrüsste den Bericht. «Wir kennen die langfristigen Auswirkungen einer medizinischen Behandlung oder eines sozialen Übergangs auf sie einfach noch nicht und sollten daher äusserste Vorsicht walten lassen», sagte der britische Premierminister Rishi Sunak. Die in den Umfragen führende Labour-Partei versicherte, sie wolle im Falle eines Wahlsieges die Empfehlungen umsetzen.


Die gesellschaftliche Debatte um geschlechtliche Identität wird in Grossbritannien vor allem von konservativen Kreisen zunehmend als Kulturkrieg geführt. Kommentatoren sehen darin einen Versuch, angesichts des enormen Rückstands in den Umfragen noch Stimmen vor der für dieses Jahr geplanten Parlamentswahl zu gewinnen. Für Aufsehen sorgen auch Stellungnahmen von Prominenten wie «Harry Potter»-Autorin J.K. Rowling, die trans Frauen stets als Männer bezeichnet (MANNSCHAFT berichtete).


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Die Regierung hatte unter anderem reinen Mädchen- und Jungenschulen genehmigt, trans Schülerinnen beziehungsweise Schüler abzulehnen, ohne dass juristische Folgen wegen Diskriminierung drohen. Lehrkräfte können sich weigern, Schülerinnen und Schülern mit selbst gewählten Pronomen zu bezeichnen (MANNSCHAFT berichtete).

Der knapp 400 Seiten lange «Cass Report» enthält 32 Empfehlungen zur Funktionsweise sogenannter Gender-Dienste für Minderjährige. Dazu gehören Überlegungen zu medizinischen Eingriffen, weiterer Forschung und Schutzmassnahmen. Cass plädierte für eine bessere Erforschung der Charakteristika junger Menschen, die eine Behandlung anstreben, sowie einen individuellen, ganzheitlichen Ansatz. Dabei solle auch die mentale Gesundheit untersucht werden, da viele Jugendliche an ADHS, Autismus, Angstzuständen oder Depression litten.

Die britische Gleichstellungsministerin Kemi Badenoch will sich offenbar nicht mit etablierten LGBTIQ-Organisationen treffen. Dies soll sie dem schwulen Aktivisten Peter Tatchell mitgeteilt haben (MANNSCHAFT berichtete).


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