Tod vorm Bode-Museum: Neue Ausstellung zur Geschichte
Auf der Berliner Museumsinsel kann man die Ausstellung «Klartext: Zur Geschichte des Bode-Museums» sehen. Darin geht’s auch um Ernst Friedrich Bange, den schwulen Leiter der Skulpturenabteilung
Jetzt, wo die Inzidenzzahlen gesunken sind, haben in Berlin die Museen wieder auf. Und so können Besucher*innen endlich die neue Ausstellung Klartext im Bode-Museum sehen, in der es u.a. um den schwulen Sammlungsleiter Ernst Friedrich Bange geht, der sich 1945 direkt vorm Museum umbrachte.
Zur Erinnerung: Das Bode-Museum machte unlängst Schlagzeilen, weil es als erstes der Staatlichen Museen zu Berlin eine LGBTIQ-Ebene in seine Dauerausstellung einzog, mit dem Titel Der zweite Blick: Spielarten der Liebe (MANNSCHAFT berichtete). Die Idee dazu hatte Kuratorin Maria Lopez-Fanjul y Diez del Corral. Sie musste ihr Projekt mehr oder weniger nebenbei umsetzen, weil das Haus von der Direktion bis zur Pressestelle anfangs nicht so recht an eine solche queere Themenschwerpunktsetzung glaubte und das Resultat auch nur vorsichtig nach aussen kommunizierte.
Spielarten der Liebe war eine Kooperation mit dem Schwulen Museum, dieses organisierte auch die grandiose Eröffnungsfeier mit, bei der auffallend viele junge Queers aus aller Welt im Rahmen einer Performance singend und tanzend durchs Haus stürmten, um die meist etwas eingestaubt wirkenden Räumlichkeiten für sich zu erobern. Das war ein erinnerungswürdiges Ereignis. Inzwischen hängt das Riesenposter für Spielarten der Liebe deutlich sichtbar an der Aussenseite des Museums und weist auf eine der Perlen auf der Museumsinsel hin. Direkt gegenüber, auf der anderen Spree-Seite, befindet sich der «Muscle Beach» der Hauptstadt, also die Fitnessoase am Monbijoupark, wo junge Menschen – vor allem Männer – bei jedem Wetter ihre Tops abwerfen und Muskeln aufpumpen. Was für Spaziergänger visuell erfrischend ist und wie eine Aufwärmübung für Spielarten der Liebe wirkt.
Direkt neben den Spielarten-Postern hängt bereits seit November 2020 die Werbung für die andere von Maria Lopez-Fanjul initiierte Ausstellung Klartext, die sich mit der Geschichte des Bode-Museums als Institution beschäftigt und auch LGBTIQ-Mitarbeiter*innen der Vergangenheit vorstellt. MANNSCHAFT hat sich mit Maria Lopez-Fanjul und ihrem Kollegen Peter Hofmann vor Ort getroffen und sich die Ausstellung zeigen bzw. die Hintergründe erklären lassen.
Hallo Maria, nach deiner schlagzeilenmachenden LGBTIQ-Ausstellung Der zweite Blick: Spielarten der Liebe fürs Bode-Museum hast du als zweites Projekt Klartext konzipiert und umgesetzt. Hat die eine Ausstellung etwas mit der anderen zu tun? Maria Lopez-Fanjul y Diez del Corral: Ich möchte zunächst klarstellen, dass ich zwar die Gesamtleitung des Projekts innehatte, kuratiert wurde die Ausstellung Klartext aber gemeinschaftlich vom Personal der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst. Paul Hofmann, Leiter unserer Restaurierungsabteilung, war für die Sektion «Forschung» verantwortlich. Es handelt sich um eine bemerkenswerte, sämtliche Abteilungen des Museums integrierende Übung in historisch-kritischer Reflexion, die in Kooperation mit dem Zentralarchiv und dem Münzkabinett durchgeführt wurde.
Spielarten der Liebe war hingegen der erste Teil einer als Serie angelegten Ausstellungsreihe. Unter dem Obertitel Der zweite Blick wollen wir darin fundamentale Themen ansprechen und im offiziellen Narrativ verankeren, die im etablierten Kanon der Museen bisher ausgeblendet waren.
Sowohl Klartext als auch Der zweite Blick sind Elemente unserer Outreach-Strategie, mit der wir die heutige Gesellschaft und vor allem die Menschen in Berlin besser in die musealen Diskurse einbinden wollen. Letztlich sind unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nun einmal untrennbar miteinander verbunden.
Sich mit der eigenen Geschichte kritisch auseinanderzusetzen, scheint aktuell en vogue zu sein, besonders in Deutschland. Warum ist das Thema gerade jetzt so hochgekocht, warum nicht früher, warum ist es besonders für Berliner Museen und das Bode-Museum so wichtig? Paul Hofmann: Es gab verschiedene Impulse, die den Anstoss zu dieser Ausstellung gaben. Natürlich geht es an uns nicht spurlos vorbei, dass sich seit einigen Jahren die Massstäbe für die Bewertung der Geschichte von Staaten, Institutionen, Personen neu justieren. Man denke nur an die Diskussionen um NS-Raubkunst oder die aktuelle Debatte um Verfehlungen während der Kolonialzeit. Diese äusseren Einflüsse ergänzten sich bei uns mit internen Prozessen. Parallel zum Outreach verfolgen wir auch eine sogenannte Inreach-Strategie, mittels derer interne Zusammenarbeit und generell das Verständnis und der Respekt für die Arbeit der Kolleg*innen gefördert werden sollen.
Der Versuch, «anders» auf die Sammlungsgeschichte der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst zu schauen, drängte sich für ein kollektiv erarbeitetes Projekt geradezu auf, da hier neben den Kurator*innen auch die hausinternen Kolleg*innen der Abteilungen für Vermittlung und für Restaurierung ohne Schwellenängste mitarbeiten konnten. Es war zugleich eine wunderbare Möglichkeit, gegen eine fraglos auch bei uns vorhandene Betriebsblindheit anzugehen. Und ebenso natürlich war die Motivation für den nötigen Perspektivwechsel nicht bei allen Beteiligten gleichermassen ausgeprägt. Insgesamt war es aber für die Mitarbeiter*innen des Museums eine sehr positive Erfahrung, in diesen Turbo-Zeiten einen kritischen Blick nach hinten zu werfen. Es war ein hilfreicher Moment des Luftanhaltens. Und wir hoffen, dass sich dies auch unseren Besucher*innen vermittelt, dass sie sich in diesem Bild reflektieren und widerspiegeln können.
Maria, hast du als Spanierin, die in England studiert hat, einen anderen Blick als die meisten deutschen Museumsleute auf dieses Themenfeld und die Bode-Museum-Geschichte? Maria Lopez-Fanjul: Mir scheint, das ist eigentlich eine Frage, die meine deutschen Kolleg*innen beantworten müssten. (lacht) Nun, ich schätze, die Tatsache, dass ich in vier verschiedenen Ländern aufwuchs, studierte und arbeitete, hat mich mit einer grossen Bandbreite an unterschiedlichen Perspektiven beschenkt. Für Expats ist die kritische Haltung ein ständiger Begleiter. Manchmal ist sie positiv, manchmal negativ. Aber konstant ist sie insofern, dass du jeden Tag gezwungen bist, dich an bestimmte Situationen anzupassen, die dich dazu bringen, neu zu überdenken, woher du kommst, wo du stehst und was du von deinem früheren Leben und was vom jetzigen behalten willst. Diese ständige Herausforderung ist für das Privatleben sehr stressig, für die berufliche Tätigkeit jedoch befruchtend. Gerade als Kunsthistorikerin empfinde ich es dabei durchaus als Privileg, mich etwa der deutschen Geschichte aus sehr unterschiedlichen Perspektiven, zugleich aber ohne einen herkunfsmässig bedingten historischen «Rucksack» nähern zu können.
Ihr werft in Klartext einen Blick hinter die Kulissen des Hauses. Was sind denn die häufigsten gestellten Fragen von Besucher*innen zur Geschichte des Bode-Museums? Maria Lopez-Fanjul: Das Museum – und damit auch die Ausstellung – ist erst seit wenigen Tagen für die Öffentlichkeit zugänglich. Demensprechend konnten bisher nur sehr wenige Besucher*innen die Ausstellung sehen. Aber es wurden bereits Artikel veröffentlicht, die zur kritischen Debatte beitragen. Das ist etwas, was wir besonders begrüssen, denn das war unser Ziel.
[Der Feuilletonist Tilman Krause erregte sich in Die Welt darüber, dass der Namensgeber des Bode-Museums in «Klartext» als Antisemit dargestellt werde, obwohl es dafür – scheinbar – keine stichfesten Belege gäbe; Krause beklagt die Ausstellung würde sich «Ihrer Majestät der Politischen Korrektheit» beugen, nur um «woke» zu erscheinen; Anm.]
Für mich sind die spannendste Entdeckung und die grösste der noch zu füllenden Wissenslücken dieselben, nämlich Gründe für die dürftigen Umfänge mancher Sammlungen in unserem Museum. Wenn wir ein Museum betreten, machen wir uns normalerweise Gedanken über das, was wir dort vorfinden, aber nicht über das, was wir nicht sehen. Aber genau dies gibt uns wichtige Hinweise zum Entstehungsprozess einer Sammlung, und dieser wiederum hilft uns, die Gesellschaft zu begreifen, in der sie entstanden ist. In der Ausstellung liefern wir Erklärungen dafür, warum etwa britische, französische oder auch – was mich natürlich besonders interessiert hat – spanische Werke nur in geringem Umfang in unseren Beständen vertreten sind. Es ist weitgehend unbekannt, dass es 1874 Pläne gab, die instabile politische Situation in Spanien auszunutzen, um Meisterwerke aus dem Madrider Prado für die Berliner Museen zu kaufen.
Angeregt von Ideen des Finanzministers Otto van Camphausen, entwickelte der junge Museumsassistent Wilhelm Bode für Generaldirektor Guido von Usedom hierzu erste Gedanken. Es war niemand geringerer als Otto von Bismarck, der diesen Gedankenspielen aus politischen Erwägungen eine Abfuhr erteilte. Wie anders sähen heute die Sammlungen der Gemäldegalerie und des Bode-Museums, aber natürlich auch jene in Madrid aus, wenn Bismarck damals nicht interveniert hätte!
Einer der Menschen, die ihr als wichtige Player in der Geschichte des Bode-Museums vorstellt, ist ein schwuler Sammlungsleiter, der während der NS-Zeit am Haus arbeitete. Wer ist das? Was weiss man über ihn und sein Privatleben? Welche Dokumente existieren dazu? Paul Hofmann: Sie spielen auf den Kunsthistoriker Ernst Friedrich Bange (1893-1945) an. Ehrlich gesagt, haben wir leider nur sehr wenige Kenntnisse zu seinem Privatleben gewinnen können. Dass wir Bange als den von Ihnen so benannten «wichtigen Player» präsentieren, hängt ganz grundsätzlich mit seiner fachlichen Lebensleistung zusammen. So hatte er etwa unter Bode 1922 den umfangreichen Katalog über italienische Reliefs und Plaketten in Rekordzeit von nur zwei Jahren fertiggestellt und veröffentlicht. Ein Katalog, der noch heute – beinahe ein Jahrhundert später – von grundlegender Bedeutung ist.
Er war ja liiert mit dem Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Hatte das Auswirkungen auf seine Arbeit im Bode-Museum? Gab’s Kooperationen, die auf diese Partnerschaft zurückgehen? Wie konnten die beiden eine Beziehung führen im Schatten des Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und dem Paragraphen 175? Paul Hofmann: Das sind sehr interessante Fragen. Bange war allerdings nur 1944/45 als Leiter der Skulpturensammlung tätig. Zu der Zeit waren nur noch wenige Mitarbeiter*innen in den Museen, die Gebäude waren zerstört und die Kunstwerke wurden bis März 1945 deutschlandweit in Salzstollen, Kirchen und Bunkern ein- und umgelagert, um dann direkt nach Kriegsende beschlagnahmt zu werden. Banges früherer Liebhaber Ernst Günter Troche (1909-1971) wurde wiederum erst im August 1945 zum Direktor in Nürnberg, das war gut einen Monat nach dem Zeitpunkt, an dem sich Bange vor dem Bode-Museum das Leben genommen hatte. Aber, wie bereits ausgeführt, vom Privatmenschen Ernst Friedrich Bange wissen wir auch jetzt leider immer noch herzlich wenig. Gerade im Hinblick auf die Bedeutung von persönlichen Netzwerken für die Museumsarbeit bestehen fraglos noch einige grosse Wissenslücken. Diese Erkenntnis wuchs gerade auch während unserer Vorbereitungstätigkeiten. Die nötigen, tiefschürfenden Forschungsarbeiten zum Füllen dieser Lücken waren im Rahmen dieser Überblicksausstellung aber nicht zu leisten und müssen daher künftigen Projekten überlassen bleiben.
In den Kurzbiografien, die zu jedem der vorgestellten Player gehören, wird nicht erwähnt, dass Ernst Friedrich Bange schwul war. Was waren Argumente dafür und dagegen? Paul Hofmann: Wesentlicher Massstab bei der Betrachtung wichtiger Persönlichkeiten in der Geschichte unserer Institution war ein stark überdurchschnittliches Engagement für die Sammlungen unseres Hauses. So erklärt sich auch das Zustandekommen der «Ahnentafel». Fragen nach der persönlichen Identität dieser Personen, ob nun sexueller, religiöser oder sonstiger Art, standen hier nicht im Fokus. Diversität äussert sich in Klartext eher in der abwechslungsreichen, teilweise konfusen Geschichte unseres Hauses. Ein nochmals vertiefender Blick auf darin agierende Personen wie Ernst Friedrich Bange ist sicherlich eine spannende Aufgabe für die Zukunft.
Maria, du bist als Kuratorin für Outreach angestellt. Was heisst das genau für dich? Wen willst du erreichen? Wie tust du das am Bode-Museum und wie tun dies andere Museen weltweit? Maria Lopez-Fanjul: Ich bin die erste und bislang einzige Kuratorin für Outreach bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Ich habe das grosse Glück, als erste sowohl mit den Beständen der Gemäldegalerie als auch mit jenen der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst im Bode-Museum arbeiten zu können. Und ich bin auch die erste, deren Hauptaufgabe der Brückenschlag zwischen den alten Meistern und den diversen Publikumsgruppen des 21. Jahrhunderts ist. Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht dabei das Ziel, die gesellschaftliche Relevanz unserer Einrichtung und seiner Sammlungen zu stärken.
Outreach verstehen wir im Bode-Museum wie auch in der Gemäldegalerie als eine kuratorische Praxis, mittels derer das Museumspublikum sowohl aktiviert als auch entwickelt werden soll. Wir wollen intellektuelle, aber auch emotionale Verbindungen zwischen Kunstgeschichte und den Interessen des Publikums schaffen. Eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielt für uns eine multiperspektivische Interpretation der Sammlungen, die fest mit der wissenschaftlichen Arbeit der Kurator*innen verknüpft sein soll. In Grossbritannien ist Outreach ein wesentlicher Bestandteil kuratorischer Arbeit. Diese Aufgabe wird dort auch als «audience development» bezeichnet, ein Begriff, der in Deutschland häufig fälschlich als Synonym zu «community engagement» verstanden wird. Letztes fällt aber in den Museen in die Zuständigkeit der Abteilungen für Bildung und Vermittlung.
Du hast ja selbst in England studiert. Was machen Museen bzw. Kurator*innen im UK anders als in Deutschland? Wie beeinträchtigt das auch einen Umgang mit LGBTIQ-Themen? Maria Lopez-Fanjul: Wenn ich es in einem Wort zusammenfassen müsste, dann wäre es: vereinfachen. Britische Kurator*innen haben immer die Besucher*innen im Hinterkopf. Wenn eine Ausstellung geplant wird, wird sie im Hinblick auf die beste Kommunikation des Themas an das Publikum geplant. Beim Verfassen eines Textes ist das oberste Ziel, dass die Leser*innen ihn verstehen. Und das alles, ohne ein Jota an fachlicher Tiefe zu verlieren. Die Vereinfachung ist eine sehr schwierige Aufgabe, die viel Mühe und Erfahrung erfordert. Eine Aufgabe, die sicher nicht nur vom kuratorischen Personal zu erfüllen ist, wie in Deutschland manchmal der Eindruck erweckt wird. In Grossbritannien etwa haben die Museumspädagogen eine sehr solide historisch-künstlerische Ausbildung. Eine Dichotomie zwischen Kurator*innen und Pädagog*innen, wie wir sie leider in Deutschland vermehrt sehen, gibt es dort in diesem Masse nicht. Mir ist immer noch unbegreiflich, warum man sich zwischen diesen beiden Bereichen entscheiden soll, wenn die beste Arbeit doch stets im Zusammenspiel geleistet werden kann.
Klartext steht seit November 2020 fertig aufgebaut in der Ebene 0 des Bode-Museums. Wird’s noch eine grosse Eröffnungsfeier geben, jetzt wo Publikum kommen darf? Und wie lange kann man die Ausstellung sehen? Maria Lopez-Fanjul: Leider erlauben die pandemiebedingten Einschränkungen weiterhin keine grösseren Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Aber die gute Nachricht ist, dass die Ausstellung für einen längeren Zeitraum im Bode-Museum zu sehen sein wird.
Ich möchte nochmal auf Der zweite Blick: Spielarten der Liebe zurückkommen. Die Ausstellung ist ja auch wieder zu sehen nach dem langen Lockdown. Was für Rückmeldungen hast du dazu bekommen, von Kolleg*innen oder Besucher*innen? Maria Lopez-Fanjul: Die Kuratierung von Der zweite Blick: Spielarten der Liebe gehört für mich zu den schönsten Erfahrungen in meinem bisherigen Berufsleben. Für die Kunsthistorikerin in mir war es eine faszinierende Möglichkeit, mein Wissen über Europa und die Europäer*innen um eine neue Perspektive zu erweitern. Und als Kuratorin hat es mir nichts als tiefe Befriedigung verschafft. Ich werde immer wieder auf negative Kritiken innerhalb und ausserhalb der Institution angesprochen, aber ich kann dazu nur sagen, dass das Projekt auf allen Hierarchieebenen des Museums von Anfang an positiv gesehen wurde, dass die Kolleg*innen mich immer zu 100 Prozent unterstützt haben und dass sich bislang noch niemand aus dem Kreis der Besucher*innen offiziell beschwert hat.
In Klartext gibt’s am Ende eine Abteilung, wo ihr auf vergangene Ausstellungen und Kooperationen mit anderen Institutionen eingeht, auf Events im Haus usw. Komischerweise wird die Eröffnung von Der zweite Blick mit all den jungen Queers, die singend und tanzend durchs Haus zogen, nicht erwähnt? Auch nicht die Zusammenarbeit mit dem Schwulen Museum Berlin? Ist das zu kontrovers? Maria Lopez-Fanjul: Der Grund hierfür ist viel simpler. An der besagten Wand hängen die Plakate einiger Ausstellungen, die mit den Sammlungen des Bode-Museums seit den 1970er-Jahren durchgeführt wurden. Wichtige Ausstellungen, an die mittels dieser Plakate erinnert werden soll. Der zweite Blick: Spielarten der Liebe muss nicht an dieser Wand hängen, denn die Ausstellung ist ja nichts Vergangenes. Ganz im Gegenteil. Sie läuft weiterhin und ist vielfältig präsent: auf einem Banner an der Fassade, als Poster in der Eingangshalle, durch die Info-Blätter in der ständigen Sammlung, auf unserer Website…
Die anderen Häuser haben sich bislang nicht entschieden, ihrerseits LGBTIQ-Elemente in ihre Dauerausstellungen zu installieren. Wie erklärst du dir die Zurückhaltung? Schliesslich war ja Homosexualität_en 2015 im Deutschen Historischen Museum ein grosser Publikumserfolg; Interesse gibt’s also. Ein offen-schwuler Berliner Kultursenator Klaus Lederer würde das vermutlich auch begrüssen … Maria Lopez-Fanjul: …und ich hoffe, viele andere, die nicht schwul sind, ebenso! Das ist es ja, was ich immer wieder zu vermitteln versuche. Wenn man bestimmte historische Perspektiven ausblendet oder ihnen nicht genügend Sichtbarkeit einräumt, dann verlieren wir alle.
Was wirst du als nächstes Projekt in Berlin angehen? Maria Lopez-Fanjul: Mein nächstes Projekt ist der zweite Teil der Serie Der zweite Blick mit dem Titel Frauen. Wir hoffen, dass wir ihn im Herbst eröffnen können. Dieses Vorhaben beglückt mich aus naheliegenden Gründen ganz besonders, denn damit verankern wir zum ersten Mal die Geschichten der in unseren Sammlungen vertretenen Frauen dauerhaft im offiziellen Narrativ des Museums. Wie schon bei Spielarten der Liebe wird das Projekt in Zusammenarbeit mit externen Institutionen entwickelt. Es wird unseren Besucher*innen sicher wieder unerwartete Einsichten und mancherlei Denkanstösse bieten.
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