«Star Trek: Discovery» – Der neue queere Blick in die Sterne
In die Serie werden eine trans Figur und junge nicht-binäre Rolle eingeführt
Seit er ein Kind ist, liebt unser Autor «Star Trek». Die Serie war das Versprechen, dass eine bessere Welt möglich und machbar war. Doch blieb die Queerness leider auf der Strecke. Nun bietet die 3. Staffel von «Star Trek: Discovery» sowohl eine trans Figur als auch eine nicht-binäre Rolle auf. Das freut unseren Samstagskommentator* – für sich selbst, aber vor allem für die neue Generation junger Queers.
Was waren die Hoffnungen 2017 gross, dass auch wir Queers mit «Star Trek: Discovery» endlich unsere Portion Sternensahnetorte abbekommen! Die Captain der U.S.S. Discovery sollte eine weibliche Asiatin sein – die um keinen ultralässigen Spruch verlegene Philippa Georgiou, gespielt von der James-Bond-erprobten Michelle Yoeh. Aber die eigentliche Hauptfigur: eine schwarze Frau mit dem klassischerweise männlichen Vornamen Michael. Also rätselten queere Trekkies vor dem Serienstart von «Discovery»: Wird Michael Burnam etwa trans sein? Soweit wir nach zwei Staffeln wissen: leider nein. Sie heisst einfach Michael. Auch cool. Stattdessen bekamen wir Queers zwei schwule Hauptfiguren, die sogar ein Paar sind: Chef-Ingenieur Paul Stamets (Anthony Rapp) und Chef-Arzt Hugh Culber (Wilson Cruz).
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Leider bin ich mit den beiden nie so richtig (kein Wortspiel!) warm geworden – was wohl vor allem daran lag, dass die erste Staffel übertrieben rasant geschnitten war und kaum Zeit für liebevolle Charaktermomente liess. Sämtliche Figuren schienen eher Plot-Erfüllungsgehilf*innen zu sein. Die zweite Staffel hat da zum Glück vom Tempo her etwas runtergechillt, auch zugunsten von mehr emotionaler Dynamik zwischen den Charakteren. Paul und Hugh hatten sogar richtig dramatische Szenen, in Todesangst. Viel Persönliches hat man über sie trotzdem nicht erfahren, ausser dass sie beide die Oper lieben. Wie originell!
Nun mit der dritten Staffel der CBS-Serie «Star Trek: Discovery», die in Europa am 16. Oktober bei Netflix startet, könnte aber alles besser werden: Wie CBS im September verlauten liess, kriegen wir in der dritten Staffel einen jungen trans Mann namens Gray, gespielt, exakt, von einem trans Mann: Ian Alexander, 19, manchen bekannt aus der Mystery-Drama-Serie «The OA». Gray gehört der Spezies der Trill an, die in «Star Trek» seit jeher queeres Potential geboten hätte, das aber nur in zwei Folgen bisher richtig genutzt wurde.
Die Trill bestehen nämlich aus einem Wirtskörper und einem so genannten Symbionten, einer Art Wurm (wenn man so will), mit der der äussere, in etwa menschlich aussehende Körper, in Symbiose lebt. Da der Symbiont in der Regel viel älter wird als der Wirt wird, lebt der Symbiont im Laufe seines Lebens in verschiedenen Wirtskörpern, die verschiedenen Geschlechts sein können – was dazu führt, dass Trill, als symbiotisches Wesen gedacht, weder vollständig männlich noch weiblich sind, sondern jeweils auch Erinnerungen an ihr früheres Leben im anderen Geschlecht haben.
Dieses queere Potential wurde aber in den vielen hunderten bisherigen «Star Trek»-Folgen nie auch nur ansatzweise angemessen ausgeschöpft: Es gab bloss zwei Folgen (1991 in «Star Trek: The Next Generation», Staffel 4, Folge 23: «The Host» – und 1995 in «Star Trek: Deep Space Nine», Staffel 4, Folge 5 «Rejoined»), in denen letztlich aber eigentlich schöne Lieben daran scheiterten, dass ein Nicht-Trill nicht mit dem scheinbaren Geschlechtswechsel des Trills klarkam. Wie ernüchternd für eine Serie, die ansonsten so viel Mut macht!
Nun also: auf ein besseres in «Star Trek: Discovery»! Dass man die Rolle des Gray auch mit einem trans Mann besetzt hat, ist ja schon mal erfreulich und lässt wirklich hoffen. Aber damit noch nicht genug: Zudem wird es eine junge nicht-binäre Figur geben: Adira, gespielt von Blu del Barrio, Anfang 20. Del Barrio identifiziert sich ebenfalls als nicht-binär, also weder weiblich noch männlich. Und es heisst, Adira würde Freundschaft schliessen mit dem schwulen Paar aus «Star Trek: Discovery».
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Die Chancen stehen also gut für Community-Spirit und dafür, dass wir auch über die Querness von Paul und Hugh mehr erfahren ausser dass sie gerne in die Oper gehen. Die Ausgangslage ist perfekt. Nun muss das «Discovery»-Team nur noch das Erzähltempo drosseln, um einen nicht ständig mit Action zuzuballern, sondern auch mal Zeit für sensible Szenen zuzulassen – wie das bei «Stranger Things» in dieser Mixtur ja auch prima klappte. Und früher auch bei «Star Trek».
«Wir sind alle in der Gosse», heisst es beim Bonmot-Meister Oscar Wilde in «Lord Darlington». Und dann der Twist, sonst wäre es ja nicht Wilde: «Doch manche von uns», so heisst es also weiter bei Wilde, «schauen zu den Sternen». Yes! Manche von uns schauen «Star Trek». Ziemlich viele sogar. Jemand hat mal gesagt, das Internet basiere massgeblich auf Pornographie und auf „Star Trek». Ausnahmsweise mal nicht Wilde, aber ist trotzdem wahr. Wer’s nicht glaubt, darf probegoogeln. Jedenfalls: Wann immer mir die Decke auf den Kopf fiel, hab ich zu den Sternen geschaut; mit dem Teleskop raus aus der rheinhessischen Provinz zu Saturns Ringen und den Jupiter-Monden. So sehen viele meiner Nächte in der dritten, vierten Klasse aus.
Und dann in der fünften Klasse: «Star Trek: Das nächste Jahrhundert». Captain Picard und Data! Das war irgendwie noch aufregender als Sternefunkeln. Eine Crew von verschiedenen Kontinenten, ach was, verschiedenen Planeten gar. Diverse Hautfarben. Der Ingenieur war blindgeboren. Viele wären in unserer realen Gegenwart Outsider. Doch «Star Trek», das war und ist eine Welt ohne Geld, ohne Gier, ohne Hunger. «Star Trek» war, bei allem Entertainment, allen Sternenabenteuern, war immer auch das Versprechen, dass eine bessere Welt möglich und machbar ist. Doch während die Serie Pionierarbeit in Sachen Anti-Rassismus und auch Feminismus geleistet hat, blieb die Queerness leider auf der Strecke.
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Martin Luther King war ein grosser Fan der Original-«Star Trek»-Serie (1966-1969), die mitten im Kalten Krieg eine (nebenbei bemerkt: kommunistische) Zukunft gezeigt hat, mit einer schwarzen Frau auf der Brücke: Lieutenant Uhura. Und auch die Hauptfiguren der Nachfolgeserien waren starke Statements: «Star Trek: Deep Space Nine» zeigte 1993 den schwarzen Raumstation-Commander Sisko, bevor die USA einen schwarzen Präsidenten hatten. Und «Star Trek: Voyager» zeigte 1995 die weibliche Captain Janeway, bevor in Deutschland eine Frau zur Bundeskanzlerin gewählt wurde. «Star Trek» hat sich oft was getraut, aber in Sachen Queerness leider lange nicht. Warum eigentlich nicht? Bei aller Utopie hab ich das als schwuler Teenager in der Provinz das Queere schmerzlich vermisst.
Meine Hoffnungen sind nunmehr sind gross. Das «Discovery»-Team schielt mit den jungen nicht-konformen Charakteren sicher auch darauf, ein ebensolches Publikum vor den Screen zu locken. Das ist aber auch nicht verwerflich. Sollen sie machen! Dass sie gleich zwei junge Queers in die Serie einbringen und sie mit queeren Schauspieler*innen besetzen, deutet nämlich darauf hin, dass sie es ernst meinen – und hier nicht einfach marketingstaugliche Tokens installieren. Das wirkt entschlossener als die sekundenkurze Szene im Kinofilm «Star Trek: Beyond», die Lieutenant Sulu mit Mann und Tochter an seiner Seite zeigte – aber so kurz, dass es auch jede*r easy übersehen konnte. Und auch entschlossener als die angedeutete lesbische Liebschaft zwischen Raffi Musiker und Seven of Nine kürzlich in der ersten Staffel von «Star Trek: Picard», die sehr unvermittelt gegen Serienende hin aus dem Nichts auftauchte.
Ich würde mir wünschen, dass eine next Generation junger Queers bei «Discovery» Gray und Adira sehen. Und dass ihnen, selbst wenn sie sich derweil in der Gosse fühlen, ihnen dieser Blick hinaus zu den Sternen Hoffnung gibt. Dafür war «Star Trek» doch immer auch da. Bloss wurden wir Queers viel zu lange ausgeklammert.
*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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