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«Shwule Grüsse vom Balkan» (3) – Verliebt in Lasse

«Sag mal, hattest du schon einen Balkaner im Bett?»

Balkaner
Foto: Catalin Dumitra/Unsplash

Kennst du schon unseren Balkaner Aleksandar aus unserer Kolumne «Shwule Grüsse»? Aleks ist verliebt. Lasse zeigt ihm seine shwule Seite mitten in Zürich – und bald auch in Wien.

Was bisher geschah, kannst du hier lesen … Was mit einem Kuss in der Zürcher Cranberry-Bar begonnen hat, hat sich zum ersten gemeinsamen Kurzurlaub nach Wien entwickelt: Der shwule Jugo Aleks hat sich in den schwedischen Theaterschauspieler Lasse verliebt, der ihn vor ein paar Wochen im Cranberry verführt hat. Nun steht er vor Lasses Wohnstudio in Zürich Unterstrass – samt einem Baldrian-Dragee im Mund und einem ramponierten Minikoffer in der Hand, der den Kurztrip nach Wien vermutlich nicht überleben wird.

Wie Aleks auch: Seine Hände schwitzen, seine Knie schlottern, seine Pumpe klopft schon an der 150er Pulsmarke. Trotz der sommerlichen Hitze, die vom Asphalt her Aleks’ Waden hinaufwabert, friert es ihn von Kopf bis Fuss. Aber er mimt den coolen Jugo: Die Ray-Ban-Pilotenbrille sitzt, die hochgestylte schwarze Matte darüber hält jedem Orkan stand und die zerrissene Jeans-Shorts mit den Adidas Sneakern und dem Motto-Shirt «I never regret anything» lässt den slawischen Rebellen nach aussen durchaus wirken.

In sein Coolness-Mantra versunken merkt Aleks nicht, wie sich Lasse in dem Moment vom Hauseingang hinter ihm an ihn heranschleicht – wie ein Bengal-Tiger, der sich seine Beute krallen will: «Hallo unbekannter, schöner Mann», ertönt es in Aleks’ Nacken. Tief wie aus einem Brunnen (oder aus George Ezras Kehle), sodass sich Aleksandars Knie nun wie eine in der Sonne zergehende Buttercremetorte anfühlen. Leicht schwankend dreht er sich zu Lasse um, der ihn sogleich an sich presst und ihm einen nicht ganz jugendfreien Kuss aufdrückt.


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Etwas irritiert, aber kribbelig schaut Aleks fragend zu Lasse hinauf, der die ganze Situation mit seinem schwedischen Akzent entkräftet: «Da steht doch an der Ampel ‹Fussgänger drücken›. Gesagt getan.» Aleks kichert leicht bedripst und tomatig angelaufen wie die Fertig-Bolognese in der Werbung. Er entgegnet Lasse aber, dass er in seinem Umfeld noch ungeoutet sei und sich nicht wohlfühle, mitten in Zürich so abgeknutscht zu werden: «Meine Eltern sind sehr konservativ. Und ebenso ihre Freunde und Bekannten. Würde mich jemand so sehen, wäre das eine Katastrophe für mich und meine Familie.»

Lasse schluckt erst mal, da er das von Schweden so nicht kennt. Aufgewachsen ist er in einer Lehrerfamilie mit fünf Kindern, darunter zwei shwule Söhne – ihm und dem Nesthäkchen Lars. Bei beiden Brüdern war das Coming-out kein Problem, weil die Eltern und deren Umfeld keine Berührungsängste mit der Homosexualität haben.

Aber er spürt, wie sich Aleks beobachtet, ja fast schon verfolgt fühlt: «Sorry, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, sondern dir nur zeigen, wie sehr ich dich mag und wie sehr ich mich auf unseren Kurztrip nach Wien freue.» Aleks fühlt sich geehrt und lächelt: «Ich weiss. Ich mag dich doch auch und freue mich riesig auf Wien mit dir. Lass uns darum zum Flughafen fahren und das hier hinter uns lassen.» «Zu Befehl!», salutiert Lasse stramm und schelmisch vor Aleks, dem nun ein sichtlich gelöstes Lächeln ins Gesicht steigt.


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Am Flughafen Zürich angekommen durchwandern die beiden all die auf Hochglanz polierten Shopping-Alleen, Hipster-Lounges und überteuerten Boutiquen, bis sie schliesslich den Check-in und die Personenkontrolle passieren und nun auf ihren Flug in der Flughafenbar warten. Lasse hat beiden schon einen Wodka Energy bestellt, sodass sich Aleks’ Zunge langsam, aber forsch löst:

Sag mal, hattest du schon einen Balkaner im Bett?

Lasse schmunzelt und kratzt sich verlegen an der Schläfe: «Ja, einen Slowenen. Aber der war im Bett mehr mit seinem Spiegelbild beschäftigt als mit mir und hat sich während des Akts immer wieder im Schrankspiegel an sich selbst aufgegeilt. Leider kann ich mit Spiegelfickern nichts anfangen, auch wenn diese Typen noch so toll aussehen.» Aleks, deutlich beschwipst und zunehmend selbstbewusst, greift sich Lasses Hand und sagt: «Na, dann wird dir mit deinem dicken Jugo-Teddy wohl was ganz anderes blühen.» Lasse lacht spitzbübisch, kuckt auf die Uhr und ruft den Kellner: «Bitte zahlen, unser Flug geht gleich.»

*Wir schreiben in dieser Kolumne «shwul» statt «schwul», um den Balkan-­Slang wiederzugeben. Die ersten fünf Folgen sind nach und nach frei verfügbar, alle weiteren Texte danach nur mit MANNSCHAFT+ lesbar.


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