Sex mit Jugendlichen: Schwere Vorwürfe gegen LGBTIQ-Anlaufstelle
Die queeren Dachverbände zeigen sich bestürzt über den mutmasslichen Machtmissbrauch beim Sozialwerk.LGBT+
Der Verein Sozialwerk.LGBT+ betreibt Anlaufstellen in den Städten Chur und Buchs SG: Dort sollen queere Jugendliche, die gemobbt wurden, Zuflucht finden und sich beraten lassen. Nun gibt es gegen die Gründer schwere Vorwürfe.
Der Verein Sozialwerk.LGBT+ wird von den Kantonen Graubünden und St. Gallen, der Stadt Chur, aber auch von Firmen und Stiftungen finanziell unterstützt (MANNSCHAFT berichtete). Der Treff ist ein Vorzeigeprojekt: Beide Standorte wurden im letzten Jahr von Botschafter ausländischer Staaten besucht, darunter von US-Diplomat Scott Miller oder dem deutschen Botschafter Michael Flügger. Das macht die Vorwürfe gegen die beiden Gründer zusätzlich brisant.
Recherchen von Zeitungen der Tamedia-Gruppe zeigen: Die beiden Personen, die den Verein 2020 mitbegründet haben und seither zentrale Positionen bekleideten, haben offenbar ihre Macht missbraucht. Einer der beiden Vorstände soll sexuelle Kontakte mit zwei 17-jährigen Jugendlichen gehabt haben. Zudem verfüge er über gar keine Ausbildung als Sozialarbeiter, dabei war auf der Website bezüglich seiner Tätigkeiten zu lesen: «LQBTIAQ+-Einzelberatung» und «Beratung Eltern queerer Kinder». Mit seinem Ehemann, der als Geschäftsleiter des Vereins fungierte, soll er eine sexuelle Dreierbeziehung mit einem der Jugendlichen gehabt haben.
Es ist wichtig, bei solch einem Verhalten nicht wegzuschauen.
Das Recherche-Team von Tamedia habe mit 15 Personen aus dem Umfeld des Vereins gesprochen, um die Vorwürfe zu überprüfen. Die grosse Mehrheit wollte anonym bleiben. Immerhin Daniel Huber, ein ehemaliger Vorstand des Vereins, der das Ehepaar zusammen mit einem anderen ehemaligen Vorstandsmitglied bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat, wollte sich äussern. «Das Verhalten der beiden ist für uns ein totaler Machtmissbrauch, das spürten auch die Jugendlichen.» Er habe das immer wieder zur Sprache gebracht», so Huber. «Es ist wichtig, bei solch einem Verhalten nicht wegzuschauen.»
Die LGBT-Dachverbände Pink Cross, Lesbenorganisation Schweiz (LOS) und Transgender Network Switzerland (TGNS) zeigten sich in einer ersten Reaktion bestürzt über die Vorwürfe. Sie haben vor Kurzem dem Sozialwerk.LGBT+ die Mitgliedschaft in ihren Verbänden eingestellt und fordern eine sorgfältige Prüfung und Nachbearbeitung der Übergriffe.
«Jugendliche, welche sich ihrer sexuellen Orientierung nicht sicher sind oder noch nicht den Mut gefunden haben, sich zu outen, sind besonders vulnerabel. Es schockiert mich, wie schamlos die beiden Verantwortlichen des Sozialwerk.LGBT+ diese Situation ausgenutzt haben. Die Beratung und Unterstützung von queeren Jugendlichen benötigt besondere Empathie und Professionalität – hier fehlte offensichtlich beides», so Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross.
Alessandra Widmer, Co-Geschäftsleiterin der LOS, erläutert: «Ein Machtmissbrauch von diesem Ausmass muss weitreichende Konsequenzen haben», erläutert Alessandra Widmer, Co-Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation Schweiz (LOS).
Die negativen Effekte werden nicht nur in der Community, sondern auch für alle queeren Organisationen und Aktivist*innen spürbar sein.
Die LGBT-Dachverbände erwarten, dass von allen Beteiligten eine sorgfältige Nachbearbeitung der Ereignisse rund um das Sozialwerk.LGBT+ stattfinden wird. «Die negativen Effekte werden nicht nur in der Community, sondern auch für alle queeren Organisationen und Aktivist*innen spürbar sein», sagt Sandro Niederer, Geschäftsleiter von TGNS.
Diskriminierungserfahrungen machen gewisse Personengruppen besonders vulnerabel. Umso wichtiger sei es, dass die involvierte Organisationen und Geldgeber*innen klare Standards setzten, wenn sie Projekte mit marginalisierten und vulnerablen Personengruppen unterstützen, ohne LGBT+ Projekte unter Generalverdacht zu stellen, erklären die LGBTIQ-Dachverbände. Sie kündigten an, hierzu demnächst Guidelines zu veröffentlichen.
«Ohne Helfer*innen geht gar nichts», sagt Jürgen Barth. Er war ehrenamtlicher Helfer bei den Eurogames 2023 in Bern und wollte den Pride Run nicht nur mitorganisieren, sondern auch mitlaufen (MANNSCHAFT berichtete).
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