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Schwules Mitglied aus Kirchgemeinderat gemobbt

«Homosexualität hat in der Gemeindeleitung keinen Platz», findet Chantal Lanz, Kirchenratspräsidentin von Melchnau.

schwul mobbing
Symbolbild (Foto: Pixabay)

Wegen seiner sexuellen Orientierung wurde B. (Name ist MANNSCHAFT bekannt) von seinen Ratskolleg*innen der Kirchgemeinde Melchnau angefeindet und schikaniert. Sogar ein Amtsenthebungsverfahren drohte man ihm an. Das schwule Mobbing-Opfer stürzte in eine psychische Krise.

Im Dezember 2017 wurde B. einstimmig in den Kirchgemeinderat in Melchnau gewählt. Dies wollte Chantal Lanz, Präsidentin des betreffenden Gremiums in der kleinen Gemeinde im Oberaargau im Kanton Bern, mit einem Brief verhindern: In einem Schreiben an die damalige Pfarrerin schilderte sie, weshalb B. aufgrund seiner sexuellen Orientierung nicht in den Kirchgemeinderat gehöre. Der Brief ist ein drastisches Beispiel von religiös motivierter Homophobie.

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Homophobe Vergleiche
«Seine Neigung/sein Verlangen zu anderen Männern ist ein Ausdruck für ein Herz, das in erster Linie an eine Neigung vergeben ist, die nicht Gottes Willen entspricht», heisst es in dem Text wörtlich. Weiter nennt Lanz darin Homosexualität eine Sünde und vergleicht sie mit Faulheit, Habgier und Selbstsucht. B. gehöre nicht in den Kirchenrat; die Bibel sei diesbezüglich sehr klar. Für ihn sei nun «gute Seelsorge» wichtiger als die Aufgaben im Rat.

Die mehrheitlich freikirchlich orientierten Ratskolleg*innen machten B. die Arbeit von Beginn an schwer. Als dessen Idee, die Einnahmen einer Kollekte der Aids-Hilfe zukommen zu lassen, abgelehnt wurde, kam es zum Streit. Das Mobbing-Opfer wandte sich an die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso). Eine Auszeit und eine Mediation wurden vereinbart. Die Refbejuso hat das Vorgehen in Melchnau mittlerweile offen kritisiert; Diskriminierung wegen Homosexualität sei gegen die Haltung der Landeskirche.


Ausschluss aus der Whatsapp-Gruppe
Mit der Auszeit nahm das Mobbing gemäss B. noch schlimmere Züge an. Er erhielt keine Protokolle mehr, er wurde aus der Whatsapp-Gruppe ausgeschlossen und sein Name wurde von der Homepage genommen. Auch kontaktierte Lanz entgegen dem ausdrücklichen Wunsch von B. seine Chefin. Sogar ein widerrechtliches Amtsenthebungsverfahren drohte ihm.

«Verständnis für andere Auffassungen»
Der Fall Melchnau wurde gestern mit einem Bericht in den Tamedia-Tageszeitungen aufgegriffen. Bereits im Juni hatte «hab queer bern» in einer Pressemitteilung darüber informiert. Daniel Frey, Kommunikationsverantwortlicher des Vereins, traf im Frühjahr B. und dessen Partner. Seine Geschichte habe ihn sehr berührt, wie er gegenüber MANNSCHAFT sagt.

«Nicht unbedingt die Tatsache, dass er in der Kirche wegen seiner Homosexualität gemobbt wird, sondern die Erkenntnis, dass sich niemand in seinem kirchlichen Umfeld hinter ihn stellt.» Auch wenn von kirchlicher Seite mit Gesprächen und einer Mediation viel unternommen wurde: Niemand habe sich zu hundert Prozent für B. eingesetzt.


Frey schrieb im Namen von «hab queer bern» einen dreiseitigen Brief an den Synodalrat der Refbejuso. Im Antwortschreiben hiess es: «Entsprechend unserer Tradition als offene Volks- und Landeskirche sehen wir eine zentrale Aufgabe darin, in Fragen des religiösen Lebens für andere Auffassungen und Lebensweisen unter Beteiligten Verständnis zu entwickeln und bei Konfliktsituationen im Dialog gemeinsam geeignete Auswege zu suchen.»
Für Daniel Frey warf diese Antwort wiederum die Frage auf, ob es denn in der heutigen Welt noch «andere Auffassungen» beim Thema Homosexualität geben dürfe.

B. geht zurzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu den Ratssitzungen. Ausserdem wird ihn der Rat wegen «unkollegialen Verhaltens» Ende Jahr nicht mehr zur Wahl vorgeschlagen.
Auf Anfrage von MANNSCHAFT meint Kirchgemeinderatspräsidentin Chantal Lanz knapp, dass der Tamedia-Artikel nicht den Tatsachen entspreche. «Wir bedauern die Unstimmigkeiten.» Mehr wollte Lanz zu den Vorwürfen nicht sagen.

Evangelisch-reformierte Kirche in Österreich öffnet die Ehe

Toleranz von ganz oben
Dass es innerhalb der reformierten Kirche in der Schweiz durchaus ganz andere Meinungen zum Thema Homosexualität gibt, zeigte Gottfried Locher. Der oberste Protestant des Landes hat sich in einem Interview letzten Monat explizit für die Öffnung der Ehe ausgesprochen (MANNSCHAFT berichtete). Zuvor hat die Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (MANNSCHAFT berichtete) folgende Position festgehalten: «Wir sind von Gott gewollt, so wie wir geschaffen sind. Unsere sexuelle Orientierung können wir uns nicht aussuchen. Wir nehmen sie als Ausdruck geschöpflicher Fülle wahr.»

Bei der katholischen Kirche sind im Vergleich dazu die Vorgaben und Positionen stets verbindlich und bei LGBTIQ-Themen viel konservativer. Beispielsweise können homosexuelle Katholik*innen offiziell ihrer Kirche weiterhin nicht als Seelsorger*innen dienen, weil ihnen die Bischöfe die Beauftragung verweigern.

Umgang mit homosexuellen Klerikern in der Kirche ist «niederträchtig»

Es liegt wohl an der hierarchischen Struktur der reformierten Kirche, dass homophobes Mobbing wie in Melchnau heute noch auftreten kann. Den einzelnen Gemeinden sind – im Vergleich zur katholischen Kirche – durch die flache Hierarchie mehr Freiheiten gegeben.
Es kommt also schliesslich auf die Pfarrer*innen und die Kirchgemeinde an, wie mit dem Thema Homosexualität intern und in den Gottesdiensten umgegangen wird.


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