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Schluss mit Homophobie und Geschwurbel: Gnade für Xavier Naidoo?

Der Sänger hat diese Woche erklärt, er wolle wieder bei Trost sein

Xavier Naidoo
Xavier Naidoo (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Xavier Naidoo hat in einem Video zugegeben, sich in Verschwörungserzählungen verrannt zu haben. Auch von Homophobie und Antisemitismus distanziert er sich. Ob wir ihm glauben können und sollen, erklärt unser Autor in seinem Kommentar*.

Der Mannheimer Popmusiker Xavier Naidoo war seit den späten neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts für die Musikindustrie die heisseste Bank, wenn es um Chartplätze ging und damit um Umsätze. Alles, was der inzwischen 50-Jährige auch nur realisierte, wurde zu Gold. Mit ihm schmückten sich alle relevanten privaten TV-Sender, RTL und Pro7 vorwiegend. Naidoo hatte auch viele Jahren unter queeren Menschen viele Fans, die meist raunende, nicht besonders blutdrucktreibende Musik gefiel auch in schwulen Kreisen.

Diese Sympathie bröckelten und zerstoben schliesslich völlig, als der Mannheimer immer mehr nicht nur dräuende, finster anmutende Musik publizierte, sondern auch politisch immer schräger unterwegs war. Sein Weg – er konnte kein queerer mehr sein. Naidoo hat sich für den bundesdeutschen Mainstream in den meisten der vergangenen Jahre alles zuschulden kommen lassen, was gar nicht geht. Sympathien für die Reichsbürgerszene, miese und fiese Andeutungen zu homophoben Phantasien, die Schwules irgendwie in Verbindung mit sexuellem Kindesmissbrauch brachten – gerichtlich festgestellt darf inzwischen auch straflos gesagt werden, dass der Musiker sich antisemitisch, also antijüdisch äusserte.

Er stand ja seit langem im Verdacht, zu den unappetitlichsten politischen Kräften in der Bundesrepublik zu halten – und genau das wurde ihm 2016 angekreidet, als der NDR bekannt gab, ihn, also den Popstar aus deutschen Landen schlechthin, Xavier Naidoo himself, für den Eurovision Song Contest als Deutschlands Vertreter zu nominieren. Das scheiterte, auch, weil die halbe Medienwelt gegen Naidoo mobilisierte – dabei wäre es spannend gewesen zu sehen, wie der Musiker sich bei einem ESC und seiner queeren Supacrowd nicht nur im Background bewegt und agiert. Jedenfalls: Es sind schon viele Jahren, die Naidoo einen Weg ging, den mehr und mehr Leute mit ihm nicht mehr mit beschreiten wollten.


Mit anderen Worten: Xavier Naidoo, der Goldesel des Pop Business in der Rolle des notorischen Verschwörungsrauners, war ein Outcast geworden, seine Produkte waren nicht mehr stubenrein, sie wurden allenfalls noch von Impfgegnern, Putinverstehern und Reichsdeppen gekauft. Nazis, das muss man gerechterweise auch sagen, blieb er immer mehr als ein Dorn in den Augen – die Hautfarbe war einfach nicht penatencremefarben genug.

In den vergangen Monaten, mancher Xavier-Naidoo-Hasser registrierte das akkurat schon länger, hielt der Sänger mehr und mehr zurück mit seinen bizarren Interventionen. Jetzt hat er sich erklärt, in einem Video, in dem er in gut drei Minuten erläutert, dass er wieder bei Trost sein wolle (MANNSCHAFT berichtete). Er sei auf schwierigen Pfaden gewesen, habe viel Unsinn von sich gegeben – und derlei mehr Bekundung, Irrtümern aufgesessen zu sein, der Krieg des Putinregimes gegen die Ukraine war ihm eine monströs-blutiger Wake-Up-Call, könnte man sagen.

Die Frage, die man sich stellen muss, lautet natürlich: Können wir ihm glauben? Ist er ein Geläuterter oder spielt Xavier Naidoo das nur, um beim Älterwerden nicht vollends zu vereinsamen? Ich würde vorschlagen, ihm zu trauen. Er mag in seiner Videobotschaft immer noch zu undeutlich, zu unkonkret sprechen – ich finde das hinnehmbar. Er raunte immer schon, dann wäre es ein Wunder, klänge er jetzt, da er zum ordentlichen Weg zurück will, wie ein Buchhalter korrekt abgetragener Versäumnisse und Pannen. Vielleicht wird er nie bürgerrechtliche Forderungen der LGBTIQ-Bewegung gut finden, ja, womöglich fremdelt er. Aber sicher ist, dass er mit der rechtsradikalen Hood nichts mehr zu schaffen haben will.


Was uns bleibt, ist eine Art Fähigkeit des Verzeihens. Wer sündigt, und das muss Xavier Naidoo unbedingt attestiert werden, fällt. Aber wer aufsteht und in dieser Weise erläutert, verdient keine ungnädige Behandlungen, sondern, religiös gesprochen: Gnade. Er ist kein perfekter Mensch, aber wer kann das schon von sich selbst sagen?

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen LGBTIQ-Thema. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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