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«Todesmutig»? Oliver Pocher zeigt Regenbogen in Katar

Der Comedian habe mit seiner Aktion auf die LGBTIQ-Lage im Emirat hinweisen wollen

Oliver Pocher
Oliver Pocher (l.) mit Kameramann Ibrahim in Katar (Foto: Instagram / @oliverpocher)

«Eigentlich ist er für zynisches Promi-Bashing bekannt», schreibt die ARD über den deutschen Comedian Oliver Pocher. Derzeit macht er sich allerdings nicht über den Wendler lustig, sondern singt «Hurra hurra, wir fahren nach Katar». Zum Musikvideodreh reiste er mit Regenbogenbinde am Arm in den Wüstenstaat.

Die ARD-Sendung «Brisant» bemerkt: «Als Oliver Pocher vor gut zwei Wochen im Megapark auf Mallorca seinen WM-Song ‹Hurra, Hurra, wir fahren nach Katar› dem Ballermann-Publikum vorstellte, hagelte es Buhrufe.»

Die ironisch zugespitzte Kritik an der Vergabe der Fussball-WM 2022 an Katar wollte man auf Mallorca offensichtlich nicht hören. Die Sorgen vieler fussballinteressierter und fussballspielender LGBTIQ, in Katar verhaftet zu werden oder mit Konsequenzen rechnen zu müssen, falls sie sich öffentlich als «queer» erkennbar machen, schienen den Zuhörer*innen auf Mallorca nicht wichtig. Weil sie als Heteros nicht davon betroffen sind, dass in Katar auf Homosexualität eine bis zu siebenjährige Gefängnisstrafe steht, homosexuellen Muslimen nach islamischem Recht sogar die Todesstrafe droht?

Für Tourist*innen werde in der Regel ein Auge zugedrückt, liest man oft. Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani hatte zudem verlauten lassen, dass zur WM alle Gäste willkommen seien – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung (MANNSCHAFT berichtete).


«Mal sehen, wie lange das gut geht»
Pocher demonstrierte nun in einer Instagram-Story, das er als prominenter Tourist mit eigenem TV-Team vor den Anti-LGBTIQ-Gesetzen in Katar nicht zurückschreckt. Und so zeigte der 44-Jährige vor Ort beim Videodreh zu seiner Anti-Hymne Flagge: neben der Deutschlandfahne trug er am Oberarm eine regenbogenfarbene Mannschaftskapitänsbinde.

Oliver Pocher
Oliver Pocher mit Deutschlandfahne und Regenbogenbinde am Arm (Foto: Instagram / @oliverpocher)

«Mal sehen, wie lange das gut geht», scherzte Pocher auf Instagram über dieses Zeichen der Solidarität mit der LGBTIQ-Community.

Wir erinnern uns: Kürzlich hatte ein hochrangiger katarischer Sicherheitsverantwortlicher damit gedroht, Regenbogenfahnen in den WM-Stadien zu beschlagnahmen. Zur Begründung hiess es: Falls ein Fan die Regenbogenfahne zeige und der Sicherheitsverantwortliche sie ihm bzw. ihr wegnehme, geschehe dies, um die betroffene Person «zu schützen», so Generalmajor Abdulasis Abdullah Al Ansari.


Wenn Abdulasis Abdullah Al Ansari es nicht täte, könnte jemand die Person mit Regenbogenfahne «attackieren»: «Ich kann nicht für das Verhalten aller Menschen garantieren», sagte er. (MANNSCHAFT berichtete darüber, wie schwule Paare von Hotels in Doha abgewiesen wurden.)

«Ein kritischer Spass, der durchaus ins Auge hätte gehen können»
Wobei man anmerken sollte, dass in Katar nicht nur homophobe Hardliner*innen rumlaufen, sondern auch sehr viele sehr moderne und aufgeklärte Menschen. Das weiss jeder, der schon einmal dort war. Aber man weiss halt nie, auf wen man im Zweifelsfall trifft. Deshalb schreibt «Brisant» zur Pocher-Aktion: «Ein kritischer Spass, der durchaus ins Auge hätte gehen können.»


In einer neuen RTL-Reportage schildern Homosexuelle aus Katar selbst erstmals ihre Lage (mehr).


Weiter bemerkt «Brisant»: «Bei einer Online-Abstimmung des Deutschlandfunks im Jahr 2021 spr(a)chen sich 65 Prozent der Teilnehmenden für einen Boykott des Fussball-Events aus. In Deutschland hat Philip Lahm angekündigt, aus besagten Gründen nicht nach Katar reisen zu wollen, sondern die Spiele am heimischen Bildschirm zu verfolgen.» (MANNSCHAFT berichtete.) Der Kommentar der ARD-Sendung hierzu: «Ein Boykott sähe anders aus.»

«Brisant» kommt zu dem Fazit: «Spannend bleibt, welche politischen Grössen sich im Wüstenstaat zeigen werden. Zu den olympischen Winterspielen in Peking waren weder Bundeskanzler Olaf Scholz noch Aussenministerin Annalena Baerbock gereist.»

In einem weiteren Instagram-Post zeigt sich Pocher mit dem älteren Bruder seiner Frau Amira, dem 30-jährigen Ibrahim, genannt «Hima». Dazu schreibt Pocher: «Hima dreht hier ‹Todesmutig› (sic) das Video …»

«Droht Pocher jetzt der Katar-Knast?»
Man könnte zynisch fragen, ob Pocher hier seinen vermeintlichen «Todesmut» nicht nur für PR-Zwecke für sich selbst nutzt, statt LGBTIQ-Solidarität zu demonstrieren. Bei der Bild-Zeitung und bei Der Westen hat das funktioniert. Dort liest man in der Überschrift reisserisch, Pocher habe sich mit seiner Aktion «in Lebensgefahr» gebracht. Bild fragt, ob ihm jetzt der «Katar-Knast» drohe?

In einer weiteren Insta-Story weist Pocher auf die katastrophalen Arbeitsverhältnisse in der Baubranche von Katar hin – die für die Errichtung der Fussballstadien verantwortlich ist. Das alles bringe ihn «auf die Palme», schreibt Der Westen.

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Eine weitere Instagram-Story zur Situation in der Baubranche (Foto: Instagram / @oliverpocher)

Ob Pocher für seine Regenbogen-Aktion von der LGBTIQ-Community genauso ausgebuht wird wie kürzlich auf Mallorca, muss man abwarten.

In jedem Fall haben die damit entstandenen Boulevard-Schlagzeilen der Bekanntheit seines neuen eigenen Liedes sicher nicht geschadet. Die WM findet vom 21. November bis 18. Dezember 2022 in Katar statt, ob Pocher dann abermals mit Regenbogensymbolen und Schwager Ibrahim im Wüstenstaat auftauchen wird, bleibt gleichfalls abzuwarten.

Wenn man Pochers eigenen Promi-Bashing-Ansatz auf den Comedian anwendet, darf man diesbezüglich berechtigte Zweifel haben.

In einer regierungsnahen Zeitung in Katar erschien kürzlich ein Artikel, der vor der «Bewerbung» von Homosexualität über soziale Medien warnt – besonders bei Snapchat. Das würde «die Kinder» vom rechten Pfad Gottes abbringen.


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