«Nyad»: Eine lesbische Schwimmerin, die die Welt verblüffte
Annette Bening und Jodie Foster überzeugen in dem Film über sportliche Träume, Frauenfeindlichkeit und Altersdiskriminierung
Die lesbische Schwimmerin Diana Nyad schaffte mit 64 Jahren das Unmöglichgeglaubte und schwamm von Kuba nach Florida. Ein Film erzählt nun die bewegende Geschichte der New Yorkerin, die sich von Frauenfeindlichkeit und Altersdiskriminierung nicht abschrecken liess.
Im deutschsprachigen Raum mag der Name Diana Nyad nicht allzu vielen Menschen etwas sagen, doch in den USA ist das durchaus anders. Die lesbische Langstreckenschwimmerin wurde in den 1970er Jahren bekannt, als sie in Rekordzeit um ganz Manhattan herumschwamm. Weitere Rekordstrecken, vor allem auf dem offenen Meer, folgten, und Nyad wurde schnell zu Medienstar, sowohl als Talkshow-Gast wie auch als Sportkommentatorin.
Dass sie später sogar bei Ellen DeGeneres auf der Couch sass und als Kandidatin bei «Dancing With the Stars» mitmachte, verdankte sie allerdings einem zweiten Karrierehoch, von dem nun der Spielfilm «Nyad» (seit 3. November bei Netflix) erzählt.
Mit dem bevorstehenden 60. Geburtstag nämlich setzt bei Diana (Annette Bening) der Frust ein. Das kann doch nicht alles gewesen sein! Nicht bereit, die Aussicht auf Ruhestand und die allgegenwärtige Misgynie gegenüber älter werdenden Frauen hinzunehmen, beschliesst sie, ein fast schon aufgegebenes Ziel doch noch zu erreichen. Im Alter von 28 Jahren scheiterte ihr Versuch noch, ohne Unterbrechung von Kuba nach Florida zu schwimmen. Aber warum sollte es ihr nicht 30 Jahre später gelingen? Dass ihr praktisch jeder sagt, die 103 Meilen lange Strecke sei für eine Frau ihres Alters eigentlich nicht zu schaffen – schon gar nicht ohne schützenden Hai-Käfig –, stachelt sie nur noch mehr an.
Auch Bonnie (Jodie Foster), kurzzeitige Ex-Liebhaberin und vor allem beste Freundin, sieht Dianas ehrgeizigen Plan eher skeptisch, lässt sich aber trotzdem überreden, das Projekt als Trainerin zu begleiten. Irgendwann sind auch ein Kapitän (Rhys Ifans) samt Boot gefunden und allerlei Vorrichtungen getroffen, die Diana bei ihrem durchaus lebensgefährlichen Unterfangen schützen sollen.
Doch sowohl fiese Strömungen und heftige Unwetter als auch schlimme Quallen-Bisse sorgen dafür, dass zwei Jahre lang mehrere Versuche abgebrochen werden müssen. Erst am gelingt ihr, kurz nach ihrem 64. Geburtstag, im Sommer 2013 das schier Unmögliche und sie erreicht nach 53 Stunden im Wasser den Strand von Key West.
Mit Extremsituationen und Menschen, die weit über ihre eigentlichen Grenzen hinausgehen, kennt sich Ehepaar und Regie-Duo Elizabeth Chai Vaserhelyi und Jimmy Chin sich bestens aus. Nach den Dokumentarfilmen «Free Solo» (für den sie den Oscar gewannen) und «The Rescue» wagen sie sich mit «Nyad» nun erstmals an einen Spielfilm – und so packend die kräftezehrenden Schwimmszenen inszeniert sind, so sehr gerät die Inszenierung hier an anderen Stellen ins Straucheln.
Das zahlreiche reale Archivmaterial aus Nyads Karriere etwa fügt sich nur bedingt in das konventionell aufgezogene Biopic-Narrativ ein. Und auch die Rückblenden in die Jugend der Protagonistin, die früh von ihrem Stiefvater auf Erfolg getrimmt und von einem Trainer missbraucht wurde, sind nicht immer stimmig in den Rest integriert.
Dass «Nyad» all die Kontroversen und Zweifel ausblendendet, die gegenüber Diana Nyad, ihrer Leistung von 2013 sowie diversen anderen Punkten ihrer Lebensgeschichte immer wieder geäussert und teilweise auch belegt wurden, überrascht kaum. Dass ein Film, dessen Drehbuch auf der Autobiografie der Titelheldin basiert, eben diese vor allem feiern will, versteht sich jedenfalls von selbst.
Weswegen es eigentlich recht erfreulich ist, dass Nyad – deren Queerness für die Handlung übrigens praktisch keine Rolle spielt – trotzdem nicht als unkomplizierte Sympathieträgerin herüberkommt, sondern als anstrengende, über-ambitionierte und geradezu besessene Egomanin, die grösstenteils um sich selbst kreist.
Annette Bening spielt das zwar nicht mit der gewohnten Subtilität, aber dafür mit der nötigen Verve und sichtbarer Freude an spröder Verbissenheit. Zum heimlichen Star des Films wird aber interessanterweise Jodie Foster, obwohl deren Nebenrolle eigentlich die deutlich undankbarere ist.
Doch der ehrliche Blick auf die tief empfundene, am Ende trotz reichlich Konfliktpotential unerschütterliche Freundschaft dieser beiden lesbischen Frauen macht letztlich den besonderen Reiz von «Nyad» aus – und Foster erdet als Bonnie die Geschichte mit bemerkenswerter Wärme und Verständnis und wird so zum Anker nicht nur für Nyad, sondern auch für das Publikum.
Bei Netflix gibt es jetzt auch «Nuovo Olimpo» zu sehen: Ein Film über usterbliche Liebe in der ewigen Stadt (MANNSCHAFT berichtete).
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