Nicht von dieser Welt: Science Fiction mit queeren Rollenbildern
Erst in den 1990er-Jahren setzte eine Entwicklung hin zu Vielfalt und Inklusivität ein
Wie divers ist die Galaxie? Lange zeichneten sich Sci-Fi-Filme und -Serien durch ihre Heteronormativität und Überbetonung von Männlichkeit aus. Das ist zum Glück vorbei.
Anlässlich seines 85. Geburtstags (MANNSCHAFT berichtete) wurde der Schauspieler George Takei mit folgenden Worten zitiert: «Das Raumschiff Enterprise war eine Metapher für das Raumschiff Erde, und seine Stärke bestand darin, Vielfalt zusammenzubringen.» Zwar spielte der offen schwule LGBTIQ-Aktivist seinerzeit in der Serie «Star Trek» noch keine homosexuelle Figur, doch bietet auch das Science-Fiction-Genre mittlerweile Raum für die Darstellung von Queerness. Dies kann bisweilen fortschrittlich und progressiv sein, jedoch mitunter auch von Ressentiments und Ängsten zeugen. Denn wenn Queerness nur in fremden Galaxien stattfindet, wird die vermeintliche Andersartigkeit nur zusätzlich hervorgehoben und kann durchaus als Bedrohung wahrgenommen werden.
Wie ihre literarischen Vorläufer, die Abenteuergeschichten für ein vorwiegend junges männliches Publikum, zeichnen sich auch frühe Sci-Fi-Filme und -Serien durch ihre Heteronormativität und Überbetonung von Männlichkeit aus. Und lange Zeit ändert sich daran nur wenig. Einzig die Weltraum-Amazone «Barbarella» traf schon 1968 während ihrer Abenteuer in der Galaxie auf eine bösartige Königin, die sie – ganz in der Tradition der Altherrenfantasie – zur lesbischen Liebe zwingen wollte. Auch Frank N. Furter aus dem Kultklassiker «Rocky Horror Picture Show» gibt sich als Ausserirdischer vom Planeten Transsexual zu erkennen, der ein heterosexuelles Pärchen verführen will.
Erst wenn wir mit Lichtgeschwindigkeit in die 1990er-Jahre reisen, zeichnet sich eine Entwicklung in Sachen Vielfalt und Inklusivität ab und wir haben es nicht mehr ausschliesslich mit bösen, intergalaktischen Verführern zu tun. In einer Episode der fünften Staffel der Serie «Star Trek: The Next Generation» trifft die Besatzung der Enterprise mit den J’naii auf eine androgyne Spezies, die ihre ursprüngliche Zweigeschlechtlichkeit abgelegt hat und über ein neutrales Geschlecht verfügt.
Zwischen Commander Riker und Soren, einem Mitglied dieser Spezies, entwickelt sich eine Liebesbeziehung, die jedoch nur von kurzer Dauer ist. Denn wer sich von den J’naii doch einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlt und das jeweils andere Geschlecht begehrt, wird verfolgt und einer Behandlung unterzogen. So ergeht es auch Soren, die sich eher als weiblich identifiziert und folglich wieder zur Nicht-binarität gezwungen wird. So ist die Episode weniger progressiv als vielmehr der zum Drehbuch gewordene Alptraum rechtskonservativer Kirchenvertreter.
Tatsächlich werden nicht-binäre Figuren bis heute recht häufig als zugleich nicht-menschlich dargestellt. Im besten Falle kann dieser erzählerische Kniff genutzt werden, um einem ansonsten eher zögerlichen Publikum schonend Aspekte und Fragen rund um Genderidentität näherzubringen. Oder aber, um nicht-binären Figuren im wahrsten Sinne ihre Menschlichkeit abzusprechen und sie in den Bereich des Monströsen zu drängen.
Das «Star Trek»-Franchise bleibt trotz einer recht grossen LGBTIQ-Fangemeinde und entsprechenden Rufen lange Zeit recht zurückhaltend, was queere Themen und Inhalte angeht. Zunächst sind es die langlebigste britische Science-Fiction-Serie «Dr. Who» (in der «Sex Education»-Star Ncuti Gatwa die nächste Inkarnation des Doctors spielt) und besonders deren Ableger «Torchwood», die sich erzählerisch mehr trauen und Diversität abbilden. So führt die Silurianer-Kriegerin Vastra etwa eine Beziehung mit der Menschenfrau Jenny Flint, obwohl sie Menschen ansonsten mit Vorliebe verspeist. In «Torchwood» wiederum werden zahlreiche Charaktere als sexuell fluid dargestellt. So auch der omnisexuelle Jack Harkness, der eine lange Beziehung mit einem anderen Mann führt.
Auch nachdem im Jahr 2004 eine lesbische Nebenfigur in «Battlestar Galactica» und 2009 in der Serie «Stargate Universe» schliesslich mit Camille Wray eine lesbische Hauptfigur eingeführt wird, sollte es noch bis 2017 dauern, bis eine «Star Trek»-Serie nachzog. In «Star Trek: Discovery» führt Lieutenant Commander Paul Stamets eine Beziehung mit dem ersten medizinischen Offizier Dr. Hugh Culber. Ein Meilenstein für das Franchise und eine Entwicklung, die auch George Takei freut. Er ist der Ansicht, man sei mit dieser Serie wieder ganz nah an der ursprünglichen Vision von Erfinder Gene Roddenberry, der stets die unendliche Diversität der Galaxie in all ihren Formen habe zeigen wollen.
Brandy und Eve versuchen das Comeback – als «Queens» in der gleichnamigen Serie bei Disney+ (MANNSCHAFT berichtete).
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