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Nach dem Anschlag in Bratislava: Die Täter dürfen nicht gewinnen!

Was sind die Konsequenzen aus der Bluttat?

Bratislava
Die Polizei am Tatort in Bratislava (Foto: Jaroslav Novák/TASR/dpa)

Am Mittwoch hat ein 19-Jähriger vor einem queeren Lokal zwei junge Männer erschossen und eine Frau schwer verletzt. Wir dürfen uns durch solche Taten nicht einschüchtern lassen, schreibt unser Kommentator*.

Am Mittwoch tötete ein Mann in der slowakischen Hauptstadt Bratislava vor zwei Gäste eines queeren Lokals in der Innenstadt – und er tat dies im sicheren Wissen, dass er, aus seiner Sicht, die richtigen trifft. Schwule Männer, Queers, wie es in der modernen Sprache heisst. Der Täter kannte sie nicht persönlich, sie waren nicht Opfer einer Beziehungstat, wie es immer so kalt heisst. Er erschoss sie, weil sie eben sind, was sie sind: schwule Männer.


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Es fand sich durch die Ermittlungsbehörden hernach ein Manifest des Mörders, in dem er jüdische Menschen und LGBTIQ-Menschen zu Aussätzigen, zu Auszulöschenden, zu den Feinden schlechthin erklärte – und erkannte sich als Nachfahr des norwegischen Massenmörders Anders Breivik, der vor einigen Jahren in Oslo und in einem Ferienlager der sozialdemokratischen Jugend des Landes mehrere Dutzend Menschen massakrierte; der Täter von Bratislava erkannte sich auch wieder in dem neuseeländischen Mörder Brenton Tarrant, der in einer Moschee Betende mit seinem Gewehr niedermähte.


«Wir werden ermordet», schrieben danach viele aus unserer Community in den sozialen Medien – und das ist auch nur gerecht so. Der Mord in Bratislava vor dem Lokal Téplareň ist eine Tragödie, ein blutiges Zeichen, dass es manche Menschen ernst meinen mit ihrem Hass auf die Moderne unserer Zeit. Jüd*innen, Queers, Muslim*innen – also, wie sie es verstehen, nichtweisse Menschen, die ihren traditionellen, waffenbewehrten, soldatischen Werten schlicht dadurch zuwiderlaufen, dass es sie gibt. Sie haben nichts getan, sie sind da, sie sind sichtbar, und sei es, dass sie aus einem populären Café in der slowakischen Metropole kommen. Die Täter handelte auch nicht im Affekt, jedenfalls nicht in einer Weise, die auf starke Spontanregung deutet, sondern er wusste kaltblütig, welchen Ort er zum Tatort machen wollten, eben ein Lokal, in dem Männer verkehren, die nach seinem Verständnis keine (soldatischen, aggressionsgetriebenen, toxisch anmutenden) Männer sind und deshalb ausgelöscht gehören.

Das alles ist eine Katastrophe, vor allem für die Ermordeten, für deren Liebste, für deren Angehörige. Und für uns, die natürlich und mit jedem Recht phantasieren, es hätten wir sein können, zufällig auf Besuch im schönen Bratislava, die es als schwule Männer, lesbische Frauen oder als trans Menschen trifft. Einfach so, weil wir so sind, wie wir sind.

Ich plädiere dennoch für eine Sicht, die eher auf Coolness setzt. Das soll nicht hart, nicht verhärtet klingen, aber: Wir werden nicht ermordet. Sondern zwei Menschen, die zufällig im Visier eines Rechtsradikalen, eines enthemmten Mannes waren – wir anderen werden nicht ermordet, sondern, und das ist schlimmer: Wir werden durch solche Taten einschüchtert. Vorsichtiger gestimmt, das sich so ausdrückt: Kann man noch in ein queeres Lokal gehen? Kann man nicht, wenn auch zufällig, selbst Opfer eines schrecklichen Tat werden? Wer schützt uns vor Männern, deren Weltsicht nur auf persönlichen Krieg wider unliebsame Männer und Frauen setzt?


Immerhin: «Wenn ich sage, dass die Slowakei ein freies und demokratisches Land ist, dann meine ich das auch so. Es ist nicht hinnehmbar, dass jemand aufgrund seiner Lebensweise um sein Leben fürchten muss», schrieb der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger am Donnerstag in sozialen Medien. Und Staatspräsidentin Zuzana Čaputová ergänzte sogar die pflichtschuldigen Worte des Regierungschefs. Sie sagte: «Seit drei Jahren sage ich, dass Worte Waffen sind. Dass wir Politiker für jedes einzelne Wort, das wir sprechen, verantwortlich sind. Doch viele füllen den öffentliche Raum rücksichtslos mit Hass», teilte die die Präsidentin mit (MANNSCHAFT berichtete).

Es gab schon früher Morde an unsereinem, für die sich kein Politiker, keine Politikerin hernach mitfühlend fand, wenigstens mit anteilnehmenden Worte. In der Slowakei sind diese gefunden worden. Das Mass der Gewalt gegen uns ist in den vergangenen Jahren vielleicht nicht in jeder Hinsicht und überall gestiegen, aber die Fälle, die unsere Community zu beklagen hat, sind markanter geworden.

Wir aber müssen weitermachen. Sichtbar sein, werden. Wir müssen riskieren, dass wir und, wie es heisst, «unsere Lebensweise» nicht nur hinter dunklen Vorhängen gelebt werden. Würden wir uns zurückziehen und unsere Ängste nähren, hätten Täter wie der in der Slowakei am Ende gewonnen.


*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen LGBTIQ-Thema. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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