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Monitoring in Berlin: Soviel Gewalt gegen LGBTIQ erfasst wie nie

Der 2. Bericht liegt vor

Gewalt
Symbolbild: iStockphoto

Berlin legt den 2. Monitoringbericht zu trans- und homofeindliche Gewalt in Berlin vor und verfügt damit nach eigenen Angaben als einziges Bundesland über ein solches Instrument zur Bekämpfung von Hassgewalt gegen LGBTIQ.

Neben dem Monitoring von Gewalt gegen LGBTIQ insgesamt, liegt der Schwerpunkt auf dem Bericht 2022 auf transfeindlicher Gewalt. Neben der wissenschaftlichen Auswertung der polizeilichen Meldestatistik wurde zu diesem Gewaltbereich eine Befragung transgeschlechtlicher Berliner*innen für den Monitoring-Bericht durchgeführt. Staatliche Stellen und Opferberatungseinrichtungen gehen bei den Gewaltfällen gegen LGBTIQ von einer hohen Dunkelziffer aus.


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Dazu die Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung, Lena Kreck (Linke): «Der Monitoring-Bericht 2022 für Berlin mit dem Schwerpunkt zu transfeindlicher Gewalt fällt in ein Jahr, das bundesweit stark von öffentlichen Debatten über die Menschenrechte transgeschlechtlicher Personen geprägt ist und in dem transfeindliche Gewalt wie selten öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt hat. Diese Aufmerksamkeit ist bedeutsam für die Bekämpfung von Hassgewalt, weil wir sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen müssen, die Solidarität braucht und transparente Informationen darüber, wie die Situation in Berlin tatsächlich ist.»


Mit dem Monitoringbericht wolle man zu einem öffentlichen Bewusstsein beitragen und Betroffene weiter motivieren, Vorfälle zu melden und zur Anzeige zu bringen. Die in der Stadt gut ausgebaute Infrastruktur aus Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden sowie Fachberatungsstellen werde durch den Monitoringbericht um ein wichtiges Instrument ergänzt.

Der kontinuierliche Anstieg polizeilich registrierter LGBTIQ-feindlicher Straftaten in Berlin seit 2014 setzt sich aktuell fort. 2020 wurden 377, 2021 sogar 456 Taten erfasst. Das ist der mit Abstand höchste jemals erfasste Wert. Einen ähnlichen Trend zeigt die aktuelle Berliner Kriminalitätsstatistik zu queerfeindlichen Übergriffen (MANNSCHAFT berichtete).

Beleidigungen stellen weiterhin das am häufigsten angezeigte Delikt dar, wobei deren Anteil in den letzten Jahren zunahm und 2021 bei 48,5 % lag. Auch Körperverletzungen (2021: 28,7 %) und gefährliche Körperverletzungen (2021: 9,6 %) kommen oft vor.


Die Einstufung LGBTIQ-feindlicher Taten als extremistische Kriminalität, die seit 2019 verstärkt zu verzeichnen ist und 2021 bereits den Grossteil aller Fälle (84,4 %) betrifft, verweist auf einen Paradigmenwechsel innerhalb der polizeilichen Bewertung des Phänomens.

Die angezeigten trans- und homophoben Straftaten in Berlin weisen weiterhin geografische Schwerpunkte in LSBTIQ*-Ausgeh- und Wohnvierteln auf. Ein besonders grosser Teil der Fälle wird in Mitte (24,8 %), Tempelhof-Schöneberg (17,6 %) und Friedrichshin-Kreuzberg (17,4 %) angezeigt.

Mehr als die Hälfte aller Vorfälle (51,4 %) findet in den Abend- und Nachstunden (18:00 bis vor 6:00 Uhr) statt, wobei pandemiebedingt in den Jahren 2020 und 2021 eine Verschiebung hin zu Mittags- und frühen Abendstunden (12:00 bis vor 18:00 Uhr) zu beobachten ist.

Fast drei Viertel der Übergriffe gegen LGBTIQ insgesamt richten sich gegen einzelne Personen (2021: 70 %, niedrigster Wert 2019: 64,5 % und höchster Wert 76,2 % 2017).

Zum Schwerpunkt transfeindliche Gewalt ist festzustellen: Zwei Drittel der befragten trans Personen (66 %) haben in den letzten fünf Jahren Gewalterfahrungen gemacht, fast die Hälfte (48,2 %) im letzten Jahr.

Öffentliche Orte wie das öffentliche Strassenland oder öffentliche Verkehrsmittel, an denen es regelmässig zu flüchtigen Begegnungen unter Unbekannten kommt, sind für trans Personen in besonderem Masse von Unsicherheit geprägt.

61,7 % der Befragten gaben an, in sozialen Medien mehr oder minder häufig von Übergriffen betroffen gewesen zu sein – 10,6 % sehr oft, weitere 6,4 % oft.

Die Hälfte der Befragten (50,5 %) gab an, dass bei dem erlebten Vorfall neben Transfeindlichkeit noch weitere gruppenbezogene Motive eine Rolle gespielt hätten. Am häufigsten habe es sich dabei um Sexismus (76,6 %) oder Homophobie (68,1 %) gehandelt.

Obwohl bei fast zwei Dritteln (61,3 %) der berichteten Gewaltvorfälle unbeteiligte Personen zugegen waren, haben die Betroffenen nur in wenigen Fällen (7 %) Hilfe oder Solidarität durch Passant*innen erfahren. Nur 13 % der von Vorfällen betroffenen Befragten erstatteten polizeiliche Anzeige.

Der Bericht erscheint im Rahmen der Umsetzung der Initiative «Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt» (IGSV) im zweijährigen Rhythmus und wird von der Camino gGmbH erstellt. Für 2024 ist das Schwerpunktthema «Bisexuellenfeindliche Gewalt» vorgesehen.


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