LGBTIQ-Musicals sind wunderbar – aber kein «super Lesben-Thema»
Von «Kiss Me, Kate» bis «Hedwig and the Angry Inch»
In dem neuen Buch «Breaking Free. Die wunderbare Welt des LGBTIQ-Musicals» wird jeder Buchstabe durchdekliniert. Mit erstaunlichen Erkenntnissen.
Am Montag wurden die Musical-Preise in Hamburg verliehen. Da gab es verhältnismässig wenig LGBTIQ, jedenfalls nicht, was das erzählte Bühnengeschehen betrifft (MANNSCHAFT berichtete).
Der umfangreiche Sammelband erzählt die Geschichte des LGBTIQ-Musicals und seine Geschichten – und das ist nicht nur G wie gay. Herausgegeben hat ihn der Musikwissenschaftler und MANNSCHAFT-Autor Kevin Clarke. Einen grossen Teil der Texte hat er selber geschrieben, es gibt aber auch Gastautor*innen wie Rosa von Praunheim, der Dagmar Manzel interviewt. Und in einem anderen Interview gesteht Jannik Schümann: «Ich liebe Musicals, aber ich kann nicht singen. Ich habe ein ganz gutes Gehör, sodass ich wenigstens Töne treffe.» Nur für die Bühne reiche es nicht aus.
Aber von Anfang an. Dort steht das Vorwort, und das kommt vom langjährigen Intendanten der Komischen Oper in Berlin, Barrie Kosky, dessen Abschied dieses Jahr gefeiert wurde (MANNSCHAFT berichtete). Der beschäftigt sich erstmal mit der Frage, warum der generelle Standard in Bezug auf Musicals in Deutschland so «katastrophal» ist. Was ihn zur Frage führt: Warum können die Deutschen keine Musicals spielen? Der gebürtige Australier erklärt das mit den kulturellen Folgen der Nazi-Zeit, u.a. weil damals Komponisten wie Paul Ábrahám oder Emmerich Kálmán umkamen oder ins Exil mussten.
Kosky blickt in seinem Vorwort auf die Produktion von «Kiss Me, Kate» zurück, die einst als spezielles Christopher-Street-Day-Event für die LGBTIQ-Community vermarktet wurde: Damit habe man das Haus bewusst zu einer Queer Location gemacht. Zwar sei das Publikum nicht ausschliesslich queer. «Es kamen auch Mütter, Väter und Grosseltern – auch ein Heteropublikum mag queere Ästhetik.»
Doch während schwule Männer eher nicht in die «Rocky Horror Show» gingen, seien es auch in erster Linie kreischende Heterofrauen, die in den Shows von RuPaul sässen. Kosky sagt: «Solche Frauen lieben es, in Schwulenbars zu gehen, weil sie sich dort vor toxischer Männlichkeit sicher fühlen.»
Und was das LGBTIQ-Publikum wiederum angeht: «Will es ein Musical über die Probleme sehen, mit denen es sowieso jeden Tag von früh bis spät konfrontiert ist?», fragt Kosky. «Oder will es lieber Angela Lansbury in Mame sehen bzw. hören, die im Grunde einen schwulen Mann spielt, der alle Alltagssorgen abschüttelt und drei Stunden davon singt und tanzt, wie fabelhaft das Leben ist?» Er wisse jedenfalls, so Kosky, was er lieber sehen würde.
Schon für dieses erhellende Vorwort lohnt sich das Buch. Aber es gibt noch viel mehr zu entdecken. So geht es um die Diskussion, ob Hedwig, die Titelfigur aus «Hedwig and the Angry Inch», nun trans ist oder nicht. Pierre Sanoussi-Bliss gesteht, wie man in der DDR an ein Album von Barbra Streisand kam, und die Autorin Stephanie Kuhnen gesteht, dass Musicals nicht gerade ein «Superlesbenthema» sind, weil Lesben dem Musical mit einer Art Snobbismus, aber auch Ahnungslosigkeit begegnen.
Abgerundet und abgeschlossen wird das knapp 330 Seiten starke Buch mit einem Nachwort von Klaus Lederer (Linke), dem offen schwulen Kultursenator Berlins. Der schliesst den Kreis und richtet die Scheinwerfer auf Produktionen und Protagonist*innen aus, natürlich, Berlin. So schwärmt er nicht nur für Kosky und Peter Lund, sondern auch für die «Operette für zwei schwule Tenöre» von Johannes Kram und Florian Ludewig, die im November wieder am BKA-Theater zu sehen ist und soeben in Hamburg den Preis für die besten Liedtexte absahnte.
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