LGBTIQ-Gesundheitsbericht zeigt: «Diskriminierung macht krank»

(Symbolbild: AdobeStock)
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60 Prozent der Queers bezeichnen ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut, in der Gesamtbevölkerung sind es 74 Prozent. Das zeigt der erste österreichische LGBTIQ-Gesundheitsbericht, den Gesundheitsminister Johannes Rauch präsentiert hat.

89 Prozent der Befragten LGBTIQ-Personen haben schon einmal Diskriminierung erlebt, im Gesundheitsbereich waren es 54 Prozent. Das Gesundheitsministerium hat bereits erste Massnahmen für eine bessere, diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung von LGBTIQ-Personen gesetzt. «Diskriminierung macht krank. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass alle Menschen sich auch trauen, medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen», betont Rauch bei der Vorstellung mit Projektleiterin Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH

Nach wie vor werden trans und inter sowie homo- und bisexuelle Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung benachteiligt. Das hat grosse Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen. Der erste österreichische LGBTIQ-Gesundheitsbericht belegt das erstmals mit Zahlen.

Der Bericht wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums von der Gesundheit Österreich GmbH erarbeitet und von einer Expert*innengruppe, mit Vertreter*innen der verschiedenen Communities, begleitet: Courage – Österr. Institut für Beziehungs- und Sexualforschung; FH Vorarlberg; Equality Management FH Technikum Wien; HOSI Salzburg; TransX; ÖGPH-Kompetenzgruppe Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt; Gender Medicine & Diversity Unit (Medizinische Universität Innsbruck); Queer Base – Anlaufstelle für lesbische, schwule, bisexuelle, inter, trans und queere Flüchtlinge; Venib – Verein nicht-binär; VIMÖ – Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich. Für den Bericht wurden im vergangenen Jahr 1047 Personen aus der Gruppe online befragt.

29 Prozent bewerteten den eigenen Gesundheitszustand als mittelmässig, weitere 11 Prozent als schlecht oder sehr schlecht. Das ist deutlich mehr als in der Gesamtbevölkerung, wo die Anteile bei 19 bzw. 6 Prozent lagen (Österreichische Gesundheitsbefragung 2019). 45 Prozent der LGBTIQ-Personen berichten von einer mindestens 6 Monate dauernden Erkrankung.

Besonders häufig leiden LGBTIQ-Personen unter psychischen Erkrankungen: 53 Prozent hatten nach eigenen Angaben in den letzten 12 Monaten eine Depression. Bei 29 Prozent der Befragten wurde die Depression ärztlich diagnostiziert. In der Gesamtbevölkerung waren es laut Gesundheitsbefragung 2019 lediglich 6 Prozent.

Immer noch sind LGBTIQ-Personen besonders oft mit Diskriminierung konfrontiert: 89 Prozent haben in den vergangenen zwei Jahren entsprechende Erfahrung gemacht. Drei Viertel von ihnen führten das auf ihre sexuelle Orientierung zurück, 61 Prozent auf ihr Geschlecht bzw. ihre Geschlechtsidentität. 54 Prozent berichteten über Diskriminierung im Gesundheitsbereich, etwa durch unangebrachte Kommentare, Beleidigungen oder den Druck, sich einer bestimmten medizinischen oder psychologischen Behandlung zu unterziehen.

Daraus resultierend gab fast die Hälfte der Befragten an, den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen teilweise zu meiden. Mit der Gesundheitsversorgung insgesamt sind 52 Prozent der befragten LGBTIQ-Personen eher oder sehr zufrieden, nur 16 Prozent sind eher oder sehr unzufrieden.

Personen, die Bedarf an medizinischer Versorgung haben, müssen vor abwertenden Äusserungen geschützt sein

«Wir haben ein hervorragendes Gesundheitssystem. Dass so viele Menschen über diskriminierende Erfahrungen berichten, zeigt dennoch Handlungsbedarf. Personen, die Bedarf an medizinischer Versorgung haben, müssen vor abwertenden Äusserungen geschützt sein. Zudem zeigt die Studie deutlichen Bedarf an besseren Informationen für das Gesundheitspersonal», schildert Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch. «Gerade in der Gesundheitsversorgung haben wir die Verantwortung, alle Menschen bestmöglich zu versorgen – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung.»

«Mit dem Pride Month erhalten LGBTIQ-Personen knapp einen Monat lang Sichtbarkeit. Sichtbarkeit, die für das Gesundheitssystem 365 Tage im Jahr wünschenswert wäre. Der LGBTIQ-Gesundheitsbericht 2022 ist ein erster Schritt, diese Vielfalt sichtbar zu machen. Dieser erste Bericht zeigt, dass zu den unterschiedlichen Gruppen und gesundheitsrelevanten Themen weitere Arbeiten notwendig sind, damit sich im Gesundheitssystem vorhandene Benachteiligungen hin zu gleichen Chancen entwickeln können», so Sylvia Gaiswinkler.

Auf Basis des Berichts werden nun Massnahmen zur Sensibilisierung des Gesundheitspersonals und ein Gesundheitsförderungsprogramm für Coming-out-Prozesse und Transitionsprozesse konzipiert. Für die Befragten hat ein auf LGBTIQ-Themen sensibilisiertes und geschultes Personal eine hohe Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um Kenntnisse zu LGBTIQ-Themen, sondern generell um eine respektvolle Haltung gegenüber den Patient*innen.

«Die im Gesundheitsbereich tätigen Menschen wollen sicher das Beste für alle Patient*innen. Vor allem in den Bereichen inter und trans gelingt das leider nicht immer, wie der vorliegende Bericht aufzeigt. Für diese Themen braucht es eine an die Lebensrealitäten der betroffenen Menschen angelehnte Sensibilisierung des Gesundheitspersonals. Die vom Ministerium geplanten Massnahmen sind ein wichtiger erster Schritt», so Conny Felice, Geschäftsführerin HOSI-Salzburg.

Als erste Massnahmen neu erarbeitet wurden bereits die Broschüren «Coming out» und «Vielfalt willkommen heissen». Sie sollen eine begleitende Unterstützung für LGBTIQ-Personen sein sowie das Gesundheitspersonal im Umgang mit LGBTIQ-Patient*innen unterstützen. Noch in diesem Jahr soll zusätzlich ein E-Learning-Tool zur Sensibilisierung von Gesundheitspersonal starten. Dabei wird der Fokus auf inklusive Kommunikation, Bewusstseinsbildung und Wissenstransfer gelegt. Zusätzlich wurde die Website des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit weiteren Inhalten zur LGBTIQ-Gesundheit und Informationen zu Coming-out-Beratungsangeboten ergänzt.

Auch in der Schweiz wurde kürzlich eine erste umfassende Studie zum Gesundheitszustand queerer Personen und ihrem Zugang zur Gesundheitsversorgung veröffentlicht. Die Ergebnisse sind ernüchternd, so die LGBTIQ-Dachverbände und die Aids-Hilfe Schweiz (MANNSCHAFT berichtete).

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