Klima der Angst – Neue Homophobie-Welle in Afrika
Selbst in vergleichsweise liberalen Ländern wie Namibia dreht sich der Wind
Vor zwei Monaten hat Uganda seine Anti-Homosexuellen-Gesetze verschärft. Diesem Vorbild könnten mehrere Länder auf dem Kontinent folgen – und es sind längst nicht nur autokratische Staaten, die die Rechte von LGBTIQ einschränken wollen.
Von David Renke und Henry Wasswa, dpa
Belastende Dokumente mit Hinweisen auf Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft in Ugandas Hauptstadt Kampala hat Sam Ganafa längst vernichtet. Der 62-Jährige leitet seit Jahren die Schwulenrechtsorganisation Spectrum in dem ostafrikanischen Land – seit zwei Monaten macht er sich damit strafbar. Denn seit Ende Mai ist es per Gesetz verboten, in Uganda «LGBT-Propaganda» zu verbreiten. Das neue Gesetz geht jedoch noch weiter. Sexuelle Handlungen können in bestimmten Fällen sogar mit der Todesstrafe geahndet werden (MANNSCHAFT berichtete).
«Wir sind besorgt und arbeiten in Angst», sagt Ganafa. Er ist mit seinem Büro umgezogen, in der Nähe leben viele Muslime. «Die muslimischen Führer haben erklärt, dass sie unsere Mitglieder zu Tode hacken würden», sagt Ganafa. Doch Uganda ist nur eines von mehreren afrikanischen Ländern, das zurzeit versucht, strengere Gesetze gegen LGBT-Personen zu verabschieden. Selbst in Afrikas «Vorzeigedemokratien» müssen LGBT-Personen um ihre Rechte fürchten.
In Ghana berät das Parlament aktuell über ein Gesetz, nach dem Schwulen und Lesben mehrjährige Haft drohen könnte, wenn sie sich selbst als homosexuell bezeichnen (MANNSCHAFT berichtete). Homosexuelle Beziehungen sowie die Ehe mit einer Person, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hat, soll dem Entwurf entsprechend bestraft werden. Homosexueller Geschlechtsverkehr ist in Ghana bereits illegal – das Gesetz soll das Strafmass noch einmal verschärfen.
Der ghanaische Parlamentarier Samuel Nartey George unterstützt den Entwurf und begründet dies mit Auswirkungen auf das Gesundheitssystem: «Homosexuelle und Transgender haben statistisch gesehen eine mindestens sechsmal höhere Rate an Fettleibigkeit, Drogenmissbrauch und Selbstmordgedanken als heterosexuelle Menschen.»
Im ostafrikanischen Kenia soll demnächst im Parlament ebenfalls über ein Gesetz nach ugandischem Vorbild debattiert werden – zumindest, wenn es nach Parlamentarier George Peter Kaluma geht. Er will das «Gesetz zum Schutz der Familie» ins Parlament einbringen und möglichst jegliche «LGBT-Propaganda» verbieten. Dabei können bereits homosexuelle Handlungen mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden.
Selbst in vergleichsweise liberalen Ländern wie im südafrikanischen Namibia dreht sich der Wind für die LGBTIQ-Gemeinschaft. Im Juli beschloss das dortige Parlament ein Gesetz, das die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, ausschliesst. Namibia verbietet Homosexualität zwar, strafrechtlich verfolgt werden Homosexuelle jedoch schon lange nicht mehr. Ähnlich wie im Nachbarland Südafrika gibt es in Namibia sogar Veranstaltungen und Demonstrationen für die Rechte homosexueller Menschen.
Länder wie Ghana, Kenia oder Namibia gelten als vergleichsweise funktionierende Demokratien und stabile Länder Afrikas. Sie vereint jedoch eine Gemeinsamkeit: Eine mächtige christlich-religiöse Lobby, die die Anti-LGBTIQ-Gesetze fördert und in die afrikanischen Parlamente bringt. Die Anerkennung der Rechte von LGBTIQ gilt in vielen afrikanischen Demokratien als schädlicher Import aus dem Westen. «Lasst uns das gute Familiensystem, das wir von unseren Vorfahren geerbt haben, schützen», teilte der Christliche Rat in Ghana in Bezug auf den aktuellen Gesetzentwurf mit. Der Gruppe gehören 29 der größten christlichen Kirchen des Landes an. Einige würden die Lüge verbreiten, Homosexualität sei ein Menschenrecht, hiess es weiter.
Auch Kenia, Uganda oder Tansania wollen die afrikanischen Traditionen schützen. «Unsere Kultur, unsere Traditionen, unser christliches und islamisches Erbe erlauben es nicht, dass ein Mann einen Mann heiratet oder dass eine Frau eine Frau», erklärte Kenias Präsident William Ruto vor einigen Monaten.
Dabei stammen viele der heute gültigen Verbote von Homosexualität aus der Kolonialzeit. Erst die Kolonialherren hatten sie importiert (MANNSCHAFT berichtete). Seit Jahren wirken zudem Gruppen von ausserhalb auf den Kontinent ein: Stramm konservative evangelikale Gruppen aus den USA investieren laut dem Think Tank Chicago Council on Global Affairs Millionenbeträge, um entsprechende Anti-Homosexuellen-Gesetze in Afrika zu fördern. Auch schärfere Abtreibungsgesetze stehen auf der Agenda der Gruppen.
Die Evangelikalen treffen mit ihren Kampagnen oft auf offene Ohren. Laut Human Rights Watch liegen 33 der 69 Länder, die Homosexualität verbieten, in Afrika. In Mauretanien, Somalia und im Norden Nigerias gilt nach Angaben des Internationalen Verbandes ILGA die Todesstrafe für Homosexualität. Selbst in Botsuana, einem der liberalsten afrikanischen Länder für die LGBTIQ-Gemeinschaft, gingen am vergangenen Wochenende christliche Gruppen auf die Strasse, um gegen ein Gesetz zu protestieren, das die Ehe für alle öffnen soll. Seit 2019 ist Homosexualität in Botsuana nicht mehr strafbar.
Die neue Welle der Homophobie sorgt vor allem für ein Klima der Angst. Wie schwerwiegend die Folgen sind, zeigt sich bereits in Uganda. Dort gehen seit Verabschiedung des neuen Gesetzes immer weniger Homosexuelle in Kliniken, da sie fürchten, von Ärzten angezeigt zu werden. «Ich habe Angst, dass die Zahl der HIV-Fälle unter unseren Leuten steigen wird», sagt der Leiter einer Klinik in Kampala, die bislang Homosexuelle ohne Stigmatisierung und in einer sicheren Umgebung behandelte. Er und sein Team würden nur noch per Videosprechstunde arbeiten.
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