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«Müssen uns aktiv gegen Benachteiligung Homosexueller einsetzen»

Den Segen für homosexuelle Paare lehnt Woelki aber weiter ab

Kardinal Woelki
Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln (Foto: Oliver Berg/dpa-Pool/dpa)

Kardinal Woelki ist der profilierteste Konservative bei den deutschen Katholiken. Frauen als Priester? «Nicht realistisch.» Segen für homosexuelle Paare? «Nicht möglich.» Ein «Rechtskatholik» will er deshalb noch lange nicht sein. Interview: Christoph Driessen, dpa

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wird am Mittwoch (18. August) 65 Jahre alt. Im dpa-Interview blickt er auf sein Leben zurück, äussert sich zur derzeitigen Krise des Erzbistums, verteidigt seine konservativen Positionen und erläutert, warum er trotz aller Kritik weitermachen will.

Herr Kardinal, Sie werden am Mittwoch 65 Jahre alt. Ist das ein besonderer Einschnitt für Sie?
Es ist ein Geburtstag, der einen daran erinnert, dass das Leben nicht unendlich weitergeht. Es beginnt die letzte Wegstrecke.

Sie sind 1956 in Köln geboren worden und dann in einer Siedlung aufgewachsen, die von der Kirche für Vertriebene angelegt worden war. Das war eine geschlossene katholische Welt, oder?
Ich würde sagen, es war eine Welt, in der der Glaube eine Rolle spielte. Ich habe das als etwas erlebt, das meinem Leben Orientierung gegeben hat – und die Freiheit, meinen Weg zu gehen.


Wie kam es dann dazu, dass Sie Priester wurden?
Es mag vollkommen unglaubwürdig erscheinen, aber der Gedanke, Priester zu werden, war bei mir schon im dritten Schuljahr präsent. Warum? Weil ich werden wollte wie mein Kaplan. Ich habe das grosse Glück gehabt, nie schlechte Erfahrungen mit einem Priester gemacht zu haben. Das ist ja nicht selbstverständlich, wie wir heute wissen.

Sie sind dann 1985 zum Priester geweiht worden und wurden später Geheimsekretär des konservativen Kölner Kardinals Joachim Meisner. Seitdem gelten Sie als Meisner-Zögling.
Naja, das sind so Bilder, die vor allem medial geschaffen sind und so wunderbar in Endlos-Schleife wiederholt werden können.

Das finden Sie nicht fair?
Ich war schon Mitte 30, als ich Kardinal Meisner kennenlernte, und da war ich längst von anderen Menschen geprägt worden. Ich habe ihm viel zu verdanken. Aber wir hatten auch unterschiedliche Auffassungen, wie das nun einmal so ist bei erwachsenen Menschen.


Kardinal Meisner ist im Gercke-Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Fällen des sexuellen Missbrauchs belastet worden. Er hat demnach vor allem die mutmasslichen Täter geschützt, um die Opfer hat er sich nicht gross gekümmert. Haben Sie davon nichts mitbekommen?
Die Aufgabe des Sekretärs ist es, das Büro zu organisieren, die Post zu erledigen, Vorträge vorzubereiten… Fälle, bei denen es um sexuellen Missbrauch ging, wurden vom Erzbischof mit dem Personalchef und vielleicht noch mit dem Generalvikar besprochen. Der Sekretär hat daran nicht teilgenommen. Kardinal Meisner war der Bischof, ich war der Kaplan. Allein schon von seinem Amtsverständnis her hat er mit mir nicht über solche Fragen gesprochen.

Als Sie dann später Nachfolger von Meisner wurden, verbanden Reformkatholiken mit Ihnen grosse Hoffnungen. Die haben Sie bitter enttäuscht.

Antwort: Reformkatholiken, Linkskatholiken, Rechtskatholiken – ich mag solche Schubladen nicht, denn das polarisiert. Das macht Menschen kaputt, das macht die Gesellschaft kaputt, das macht die Kirche kaputt.

Aber Tatsache ist doch nun mal, dass es in der Kirche unterschiedliche Positionen gibt. Es gibt diejenigen, die sich im Reformprozess Synodaler Weg für die Zulassung von Frauen zum Priesteramt oder für den Segen für homosexuelle Paare (MANNSCHAFT berichtete) einsetzen. Und es gibt die, die das nicht wollen.
In der Kirche ist immer miteinander gestritten worden. Das zeigt, dass die Kirche lebendig ist. Es gibt dann aber auch die Autorität des Lehramts.

Damit meinen sie: Eine offene Diskussion, schön und gut, aber am Ende muss auch jemand entscheiden, und das sind die Bischöfe. Aber die sind sich ja auch nicht einig. Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, sagt zum Beispiel, dass die katholische Lehre weiterentwickelt werden muss, etwa wenn es um die Position der Frauen geht.
Im Kölner Generalvikariat hiess es nicht umsonst über mich: «Bei dem musst du entweder Priester oder Frau sein, wenn du was werden willst.» Ich bin sehr dafür, Frauen in der Kirche an Leitung und Entscheidung zu beteiligen. Das tue ich – und das tue ich nicht aus opportunistischen Gründen. Natürlich entwickelt sich der Glaube weiter. Aber dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden, das ist theologisch gesehen einfach nicht realistisch.

Dann nehmen wir einen anderen Punkt: die Segnung von homosexuellen Paaren. Auch da sind Sie dagegen (MANNSCHAFT berichtete).
Sie wissen, dass katholische und auch viele evangelische Christen in der Welt die Heilige Schrift so lesen, dass es nicht möglich ist, eine solche Beziehung zu segnen wie man die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau segnet. Dieser Auffassung schliesst sich auch die jüngste Erklärung der Glaubenskongregation mit der Unterschrift des Heiligen Vaters an. Ich stelle mich als Kardinal dahinter. Deswegen wäre es unwahrhaftig, mit dem Segnen einer homosexuellen Beziehung gleichzeitig ein öffentliches Zeichen gegen die Lehre der Kirche zu setzen. Aus meiner Sicht wäre es sehr wichtig, das Thema Homosexualität nicht auf die Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen zu reduzieren. Wir müssen uns als Kirche aktiv gegen die Verfolgung und Benachteiligung von Homosexuellen einsetzen – besonders international, wo es für Homosexuelle zum Teil um Leben und Tod geht.

Ich möchte das in keiner Weise als Diffamierung homosexueller Menschen verstanden wissen.

Das ist in der Tat so – und wenn der Vatikan wie neulich geschehen offiziell wiederholt, dass homosexuelle Partnerschaften nicht gesegnet werden dürfen, dann untergräbt das die Position von Homosexuellen in diesen Ländern noch weiter.
Ich sehe in der Erklärung eine Stärkung des katholischen Eheverständnisses und möchte das in keiner Weise als Diffamierung homosexueller Menschen verstanden wissen. Die Glaubenskongregation hat das auch selbst deutlich gemacht.

Im März wurde das schon angesprochene Missbrauchsgutachten veröffentlicht. Ende Mai hat der Papst dann zwei Apostolische Visitatoren entsandt, um die Situation im Erzbistum zu überprüfen. Sie haben dazu gesagt, Sie verstünden das als Hilfestellung des Vatikans und sähen das positiv. Ist das wirklich so?
Der Vatikan war hier natürlich in einer schwierigen Situation. In dem Gutachten sind Personen beschuldigt worden wie der Erzbischof von Hamburg und zwei Kölner Weihbischöfe, die sich dann auch an den Vatikan gewandt und ihren Rücktritt angeboten haben. Ich finde es legitim, dass man in einer so herausfordernden Situation sagt: Da wollen wir mal von aussen drauf schauen und uns selbst ein Urteil bilden.

Wie haben Sie das Gespräch mit den Visitatoren erlebt?
Die beiden Bischöfe haben in einer empathischen Weise meine Sicht der Dinge erfragt.

Wissen Sie, wann mit Entscheidungen des Vatikans zu rechnen ist?
Nein.

Unabhängig davon: Wäre es nicht besser für das Erzbistum, wenn Sie zurücktreten und so einen Neuanfang ermöglichen würden?
Davonzulaufen, ist doch keine Lösung. In einer Familie oder unter Freunden geht man nicht einfach auseinander, wenn es schwer wird. Man ringt und versucht, Lösungen zu finden. Die Herausforderungen würden auch bei einem anderen Erzbischof dieselben bleiben.

Aber wie wollen Sie ein normales Arbeitsverhältnis mit dem Diözesanrat, dem Diözesanpastoralrat, den Stadt- und Kreisdechanten wiederherstellen? Alle haben signalisiert, dass sie sich eine Zukunft mit Ihnen kaum noch vorstellen können.
Diese Fragestellung möchte ich so nicht stehen lassen. Die Situation ist sehr viel differenzierter. Es ist nicht so, als ob alle sagen würden: «Wir wollen mit dem nicht zusammenarbeiten.» Im Diözesanpastoralrat nicht und auch nicht bei den einzelnen Gruppen. Ich habe ausserdem Hunderte von Briefen erhalten, die mich auffordern, weiterzumachen. Das ist das eine. Und das andere ist: Es geht hier letztlich nicht um uns, es geht darum, dass wir unserer Verantwortung für die Kirche gerecht werden. Wir handeln nicht im Sinne Christi, wenn wir uns gegenseitig blockieren oder mit irgendwelchen Unterstellungen schachmatt setzen.

Verraten Sie uns am Schluss noch, wie Sie Ihren Geburtstag feiern?
Ich feiere ihn an dem Tag selbst mit den engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und dann feiere ich ihn noch bewusst einfach und bescheiden im ganz kleinen Kreis – mit Familie und ganz wenigen Freundinnen und Freunden.

Rainer Maria Woelki wuchs im Kölner Arbeiterstadtteil Mülheim auf, seine Eltern waren Vertriebene aus Ostpreussen. Auf die Priesterweihe 1985 folgte ein schneller Aufstieg in der Kirchenhierarchie: 1990 wurde er Geheimsekretär des Kölner Erzbischofs Joachim Meisner, 2003 Weihbischof, 2011 Erzbischof von Berlin und 2014 Erzbischof von Köln. Er gilt als einflussreichster Kritiker des Synodalen Wegs, des derzeitigen Reformprozesses in der katholischen Kirche in Deutschland.


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