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Hauptsache Hitler

Mir ist da was aufgefallen. Wissenschaftsmagazine drucken praktisch immer den Führer aufs Cover. Hitler muss bei der Leserschaft irgendwie verkaufsfördernd wirken. Bei «Men’s Health» ist es der Typ mit dem Sixpack, der den Absatz in die Höhe treibt –beim Wissenschaftsmagazin Adolf Hitler. Eine Parallele sehe ich insofern, als Hitler wahrscheinlich auch mit Selbstbräuner herumexperimentierte, er aber den Begriff Tarnfarbe benutze.

Wie dem auch sei, bei der aktuellen Ausgabe von «Welt der Wunder» hat es der Führer wieder mal aufs Cover geschafft. Im Heft geht es um Psychopathen. Mit denen kenne ich mich aus. Ich hatte mal einen als Chef. Menschen mit psychopathischer Veranlagung erkennt man übrigens an folgenden Eigenschaften: Sie verfügen über oberflächlichen Charme, lügen krankhaft und streben nach Macht. Gemäss «Welt der Wunder» ist einer von hundert Menschen ein Psycho­path. Bei Grindr ist der Prozentsatz möglicherweise etwas höher.

Im Heft werden diverse Psychopathen vorgestellt. Adolf ist zwar gut genug für die Front (was für ein Wortspiel), im Artikel selbst wird er dann aber mit drei Sätzen abgehandelt. Putin und Erdoğan hingegen erhalten eine ganze Seite. Das russische Staatsoberhaupt soll wegen seiner Vergangenheit als Ex-KGB-Agent ein pathologischer Lügner sein. Er wurde quasi dazu erzogen, unter grossem Druck nicht die Wahr­heit zu sagen. Erdoğan hingegen sei ein Fälscher. Der türkische Präsident soll bei seinem Hochschuldiplom geflunkert haben. Es wurde von einem Direktor unterschrieben, der erst nach Erdoğans Abschluss die Stelle antrat. Zu Donald Trump heisst es: «Der Grund warum Trump nicht zum US-Präsidenten taugt? Er ist nicht psychopathisch genug.» Da dürften etliche Republikaner enttäuscht sein.


[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]«Hitler muss bei der Leserschaft verkaufsfördernd wirken.»[/perfectpullquote]

Doch «Welt der Wunder» bietet ihren Leserinnen und Lesern mehr als reisserische Psychoanalysen von Staatsoberhäuptern. Dank dem Heft weiss ich jetzt, dass Waldbrände unter dem Boden weiterglühen können und sich nach einem Winter mit Schnee im Frühjahr wieder neu entzünden. Oder dass keine Melonen mehr wachsen, sollte die Honigbiene aussterben. Und das Steuerrad im Auto von Formel-1-­Profi Lewis Hamilton kostet 50 000 Euro. Wahnsinn! 50 000 Euro! Mit so viel Geld könnte sich ein Boxenluder endlich den Traum vom eigenen Nagelstudio erfüllen.

Das Foto von Putin muss von einer Frau geschossen worden sein. Wem sonst würde er erlauben, seinen gespreizten Beinen so nahe zu kommen?

Schlussendlich sind es wahrscheinlich die kuriosen Facts, die den Reiz eines Wissenschaftsmagazins ausmachen. Das Ganze schön bebildert und häppchenweise serviert. Quasi wie Galileo auf ProSieben, einfach gedruckt und weniger werbelastig. Es sind Informationen, die sich alle auch mittels Wikipedia zusammentragen liessen, nur würde das Lesen dann nicht halb so viel Spass machen. Ausserdem entdeckt man immer wieder etwas für den Alltag, das einem weiterhilft. Für mich persönlich zum Beispiel folgende Gewissheit: Ein Flugzeug kann fünfeinhalb Stunden durch Gewitterfronten fliegen und alle dreieinhalb Minuten vom Blitz getroffen werden, ohne dass es abstürzt. Also zumindest theoretisch, sagt der Testpilot. Falls ein Psychopath hinter dem Steuerknüppel sitzt, dann bestimmt auch praktisch.


Kaufempfehlung für …

Menschen, die beim Stuhlgang noch etwas lernen wollen, Fans von Halbwissen sowie Coiffeursalons, die sich im Einzugsgebiet der Universität befinden.

Frank Richter

 

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