Hat Netflix den «Woke-Virus»? Kritik an «grenzwertiger Agitation»

Worüber Elon Musk meckert

Charlie Spring (Joe Locke; re.) und Nick Nelson (Kit Connor) in «Heartstopper» (Foto: –/Netflix/dpa)
Charlie Spring (Joe Locke; re.) und Nick Nelson (Kit Connor) in «Heartstopper» (Foto: –/Netflix/dpa)

In der britischen Netflix-Serie «Heartstopper» geht es um Teenagerliebe. Boy meets Boy – und zwar so rührend, dass eine Kritik an Diversität in TV und Streaming irgendwie herzlos wirkt.

Filme und Serien über das Finden der eigenen Identität oder die erste grosse Liebe gibt es viele. Die Netflix-Serie «Heartstopper» (acht halbstündige Folgen), in deren Mittelpunkt wie schon bei der schwedischen Serie «Young Royals» zwei verliebte Jungs stehen, spielt das mit hervorragenden Darstellern rührend durch.

«Heartstopper» ist anders als vieles, auch wenn die Handlung nicht besonders innovativ gestrickt ist und alle Spannungsbögen rasch gelöst werden (MANNSCHAFT berichtete). Es ist eine queer und divers erzählte Schulserie mit rührend romantischer Liebesgeschichte, die stellenweise mit kleinen Animationen wie Herzchen und Schmetterlingen angereichert ist.

Kit Connor (l.) und Joe Locke in «Heartstopper» (Foto: Netflix)
Kit Connor (l.) und Joe Locke in «Heartstopper» (Foto: Netflix)

Und das Beste: Es wirkt angenehm unverkrampft, wenn Schwule, Lesben, trans Personen, Schwarze, Weisse hier ganz selbstverständlich in Rollen auftauchen – so wie es britische Macher*innen schon bei Serien wie «Sex Education» oder aber «Queer as Folk» oder in den 90ern beim Coming-out-Film «Beautiful Thing» geschafft haben (MANNSCHAFT berichtete).

Angesichts dieser Serie und anderer Streamingproduktionen mit diversen Figuren wirkt ein kürzlicher Ausfall von Elon Musk unpassend. Netflix habe das Woke-Virus, schrieb der Tesla-Chef, nachdem der Streaming-Primus im letzten Quartalsbericht angab, erstmals nach zehn Jahren Nutzerschwund erlebt zu haben (MANNSCHAFT berichtete).

Wokeness sei ein «Gedankenvirus», eine Bedrohung für die Zivilisation, behauptete der 50-Jährige. Wachsamkeit (Wokeness) sei «im Herzen spaltend, ausschliessend und hasserfüllt», meinte der Tech-Milliardär. Der Mann, der sich Twitter einverleibt, klagt also darüber, dass die Unterhaltungsbranche bisherige Benachteiligungen und Klischees in ihren Produktionen selbst reflektiert.

Widerspruch kommt da natürlich von der Queer Media Society: Musks «Herleitung zum Zuschauer*innenschwund bei Netflix» sei reaktionär und rückwärtsgewandt, pauschal und populistisch, sagt ein Sprecher. Musk und andere, die ihm zustimmten, implizierten, dass die Mehrheitsgesellschaft wegen divers aufgestellter Figuren und Themen abschalte. «Seine Aussagen sind nicht nur empirisch unhaltbar, sondern auch grenzwertige Agitation.»

Inhalte und Humor auf Augenhöhe zu erzeugen, Stereotype nicht weiter zu reproduzieren und altbekannte Klischees intelligent zu brechen – das sei ein Fortschritt. In der Tat: Das warmherzige «Heartstopper» ist der beste Beweis.

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