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Expertise: Inter Menschen fürchten sich vor Abhängigkeit im Alter

In Pflegeeinrichtungen fehlt es an Wissen über Intergeschlechtlichkeit

Altern Senior*innen
(Symbolbild: Unsplash/Glen Hodson)

Die von der Berliner Fachstelle «LSBTI*, Altern und Pflege» in Auftrag gegebene Expertise über inter Menschen im Alter zeigt Handlungsbedarf bei Pflege- und Betreuungseinrichtungen auf. Traumatisierende Erfahrungen mit der Medizin erschweren das Verhältnis zwischen Pflegepersonen und inter Senior*innen zusätzlich.

In einer Videokonferenz stellte Luan Pertl den rund 70 Teilnehmenden am heutigen Freitag die Ergebnisse der Expertise zum Thema «Inter und Alter(n)» vor. Diese wurde im Auftrag der Berliner Fachstelle «LSBTI*, Altern und Pflege» erstellt und basiert auf Interviews mit fünf inter Menschen sowie bereits bestehenden Studien zum Thema.

Angst vor Abhängigkeit
Luan Pertl, selbst inter Person und seit knapp 20 Jahren queerpolitisch aktiv, sah sich zunächst mit der Herausforderung konfrontiert, gesprächsbereite inter Senior*innen zu finden. Die inter Senior*innen, die Pertl schliesslich gefunden hatte, stellten sich nicht für ein Interview zur Verfügung. Die Mehrzahl der Interviews wurde schliesslich mit Personen um die 50 geführt.

In den Gesprächen sei deutlich geworden, dass viele inter Menschen unbedingt verhindern wollten, im Alter von anderen Menschen, Pflegeeinrichtungen oder der Medizin abhängig zu sein, sagte Pertl an der Präsentation der Expertise.


In den anonymisierten Antworten liessen einige sogar durchblicken, dass sie eher Suizid begehen würden, als ihr Leben in Abhängigkeit von anderen zu fristen.

Traumatisierende Erfahrungen
Früheste traumatisierende Erfahrungen seien der Grund für dieses stark verwurzelte Misstrauen gegenüber der Medizin: Behandlungen – vielfach ohne Zustimmung der Betroffenen – die dafür sorgen sollen, dass inter Personen ins binäre Geschlechtersystem unserer Gesellschaft gepresst werden können. Spätfolgen solcher Eingriffe sind zum Beispiel Schmerzen oder Empfindungsstörungen an den Genitalien, Probleme beim Urinieren, oder Fisteln an der Harnröhre.

Deshalb sei es so wichtig, dass Pfleger*innen und Ärzt*innen gegenüber inter Menschen ganz genau jeden Schritt einer Untersuchung oder Behandlung erklären würden. «An uns wurde leider viel gemacht, ohne dass uns vorher etwas erklärt wurde», so Luan Pertl.


Konkreter Bildungsauftrag
Eigentlich sollten für die Analyse auch Betreuungseinrichtungen in Berlin wichtige Feedbacks liefern. Doch alle 30 angeschriebenen Institutionen reagierten nicht auf Luan Pertls Anfrage. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Vor dem Hintergrund der Interviewergebnisse gebe die fehlende Rückmeldung allerdings Anlass zur Sorge, heisst es im Bericht dazu.

Luan Pertl leistete in den vergangenen Jahren selbst Bildungsarbeit mit Pflege- und Betreuungseinrichtungen und liess diese Erfahrungen als Ersatz für das fehlende Feedback in die Expertise einfliessen. Pertl habe in den Workshops festgestellt, dass es den Institutionen an Detailwissen im Umgang mit inter Personen mangle.

Einer der wichtigsten Punkte der Expertise ist deshalb die Forderung nach entsprechenden Fortbildungen in den Pflege- und Betreuungseinrichtungen. Auf der Basis dieser Resultate soll nun ausserdem gemeinsam ein «sicheres» Pflegesystem für inter Menschen aufgebaut werden.


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