Ernst Ostertag freut sich auf neue LGBTIQ-Bar in Zürich
«Es braucht solche sicheren Orte, auch heute noch»
Der Zürcher Ernst Ostertag setzt sich zeitlebens für die Rechte der LGBTIQ-Gemeinschaft ein. In einem Gespräch mit der Zeit (bezahlpflichtiger Artikel) blickt der 92-Jährige auf sein Leben zurück und gibt Ausblicke, worauf er sich in Zukunft freut.
Eng mit Ostertags Geschichte verbunden ist die legendären Zürcher «Barfüsser-Bar», die mit der «Kweer Café & Bar» nun einen Nachfolger bekommt (MANNSCHAFT berichtete). In der angeblich «ältesten Schwulenbar Europas» lernte er vor 66 Jahren seinen inzwischen verstorbenen Partner Röbi Rapp kennen, der hier als Travestiekünstler auftrat und mit dem er fortan immer an ihrem Begegnungstag, dem 3. November, auf ihre Liebe angestossen hatte.
«Endlich wieder», sagt Ostertag der Zeit, bezüglich der bevorstehenden Eröffnung des neuen Lokals, in dem sein Mann – 2003 liessen die beiden als erstes schwules Paar im Kanton Zürich ihre Partnerschaft eintragen – wohl gerne aufgetreten wäre, wie Ostertag konstatiert.
Der Zürcher erinnert sich: Im linken Teil der Bar, hin zur Spitalgasse, hätten die Lesben gesessen, im rechten Teil, hin zur Brunngasse, die Schwulen. Die zwei Bereiche seien durch einen langen Bartresen miteinander verbunden gewesen. Der Zugang der Bar sei über Spital- und Brunngasse möglich gewesen – ein für Ostertag bedeutender Fakt, dem sich die Polizei nicht immer bewusst gewesen wäre, sodass er bei einer Razzia in den 1960er Jahren durch die Tür in die Brunngasse unbemerkt fliehen konnte.
Fliehen, ausweichen, verbergen – Ernst Ostertags Leben war davon geprägt. Selbst wenn die Schweiz 1942 als eines der ersten Länder in Europa «sexuelle Handlungen zwischen willigen Erwachsenen desselben Geschlechts» legalisierte. In der Öffentlichkeit habe er sich besonders fromm geben müssen, in der Bar hingegen konnte er er selbst sein. (MANNSCHAFT berichtete über die LGBTIQ-Geschichte Zürichs)
«Solange wir in der Gesellschaft ein Tabu waren, waren wir im Barfüsser sicher», sagt Ostertag. Nachdem Ende der 1950er-Jahre zwei männliche Prostituierte ihre Freier getötet hatten, änderte sich das allerdings, erstarkte die Hetze gegen Schwule. Razzien häuften sich, wer sich nicht ausweisen konnte wurde abgeführt, stundenlang verhört, drangsaliert.
Mit seinem Lebensgefährten Rapp zog Ostertag in Zürich erst zusammen, als sie bereits 30 Jahre lang ein Paar waren – als staatsangestellter Lehrer, der alle vier Jahre wiedergewählt werden musste, hatte er Angst, seinen Job zu verlieren. Erst als er 1993 pensioniert wurde, wagte es Ostertag, sich offen für die Rechte von queeren Menschen einzusetzen.
Auf seine Initiative hin wurden unter anderem Erinnerungstafeln zur Lesben- und Schwulengeschichte an der Fassade «Barfüsser-Bar» befestigt (MANNSCHAFT+). Mittlerweile habe sich die Gesellschaft zwar geöffnet, der Mensch sei aber gleich geblieben, betont Ostertag. «Es braucht solche sicheren Orte, auch heute noch», so der 92-Jährige. Jeder Mensch verliebe sich irgendwann, jeder Mensch stelle sich irgendwann die Frage, wohin er gehöre. «Deshalb brauchen junge queere Menschen unbedingt einen Ort für sich. Wo sie erste Annäherungen wagen können und vielleicht auch Zurückweisung erfahren», so Ostertag. «Aber niemals, weil sie schwul oder lesbisch sind.»
Für die Ende September öffnende Kweer-Bar hätten sich bereits sieben Personen beworben – ohne Auschreibung, alle sind lesbisch oder schwul. «So soll es sein», findet Ostertag.
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