Dritte Option in Österreich: Gutachtenzwang statt Selbstbestimmung
Laut Erlass ist ein Gutachten nötig - allerdings nicht von einem Arzt des Vertrauens, sondern von einer staatlichen Stelle
Der Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) kritisiert die behördliche Umsetzung des VfGH-Urteils zum Personenstandsgesetz: Das Innenministerium fordert für die dritte Option ein Attest.
Am 20.12.2018 hat das BMI einen Erlass zur behördlichen Umsetzung des dritten Geschlechtseintrages herausgegeben, das «weit weg» sei vom Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), kritisiert der Verein VIMÖ. Statt einer Selbstbestimmung, wie vom VfGH angemahnt, werde nun ein ärztliches Gutachten gefordert, aber nicht vom Arzt des Vertrauens, sondern von einem VdG-Board – einer medizinischen Instanz zu Varianten der Geschlechtsentwicklung, installiert vom Gesundheitsministerium.
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«Gewaltvoll und retraumatisierend» «Das ist ein gewaltvoller Schritt gegen intergeschlechtliche Personen: ein Akt, der erneut pathologisiert, phänomenisiert und retraumatisierend wirkt», kritisiert der Verein am Donnerstag in einer Pressemitteilung. Als Verein, der für die Menschenrechte intergeschlechtlicher Personen arbeitet, wird das Innenministerium aufgefordert, diesen Erlass zu überdenken. Dazu Luan Pertl von VIMÖ: «Wir erwarten, dass Höchstgerichtsentscheidungen nicht nur zu Kenntnis genommen, sondern auch entsprechend umgesetzt werden.»
So wie sich der VfGH auf den Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention bezieht, welcher die «geschlechtliche Identität und Selbstbestimmung» und «insbesondere Menschen mit alternativer Geschlechtsidentität vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung» schützt, fordern wir dies auch vom Innenministerium.
Es muss endlich anerkannt werden, dass nur der jeweilige Mensch selbst die Entscheidungshoheit über sein Leben haben sollte.
«An dieser Umsetzung ist samt und sonders alles verfassungswidrig», so Rechtsanwalt Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda, der die Klage für Alex Jürgen durchgefochten hatte. Für Alex Jürgen selbst ist der Erlass «diskriminierend – alleine deshalb, weil es der einzige Eintrag ist, den man nur aufgrund des Körperstatus bekommt und nicht aufgrund des gefühlten oder gelebten Geschlechts, so wie es bei den Einträge männlich oder weiblich ist.»
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«Es muss endlich anerkannt werden, dass nur der jeweilige Mensch selbst die Entscheidungshoheit über sein Leben haben sollte. Alles andere verletzt Menschen, deren Rechte und Würde», unterstützt Gabriele Rothuber für die HOSI Salzburg die Forderungen von VIMÖ.
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