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«Drei Nüsse für Aschenbrödel»: Remake für schwulen Kuss zensiert?

Eine Neuverfilmung des Weihnachtsklassikers sorgt für Aufregung bei tschechischen LGBTIQ-Aktivist*innen

Drei Haselnüsse für Aschenbrödel
Popstar Astrid Smeplass und Cengiz Al in der Neuverfilmung von «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» (Foto: Storm Films / Sola Media)

Der tschechische Film «Drei Haselnüsse von Aschenbrödel» von 1973 ist einer der meistgeliebten Weihnachtsklassiker überhaupt. Jetzt sorgt ein Remake aus Norwegen für Aufregung in Tschechien, weil darin zwei küssende Männer zu sehen sind, die entfernt wurden.

Der Originalfilm von Regisseur Václav Vorlíček, der weltweit jedes Jahr zur Weihnachtszeit im Fernsehen gezeigt wird und Millionen von Fans in allen Altersgruppen hat, entstand zu einer Zeit, als in Tschechien die Kommunistische Partei regierte. Entsprechend ist der Film, basierend auf dem Märchen von Božena Němcová, mit einer klaren sozialistischen Botschaft ausgestattet: das Aschenbrödel ist keine passive Frau, die auf das Glück in Form eines reichen privilegierten Traumprinzen warten, sondern eine aktive arbeitende Frau, die am Ende selbstbewusst auf einem eigenen Pferd gleichberechtigt neben dem Prinzen durch den Schnee reitet.

Diese feministische Botschaft steht auch im Zentrum des neuen norwegischen Films, der im Original «Tre Nøtter til Askepott» heisst und im schneedeckten Maihaugen in einem riesigen historischen Freiluftmuseum gedreht wurde. Er lief im November in den norwegischen Kinos an.

Popstar Astrid S als Aschenbrödel
Die Hauptrolle hat Popsängerin Astrid Smeplass übernommen, besser bekannt als Astrid S. Sie hatte zuvor über 2,3 Milliarden Streams generiert mit ihren Hit-Singles «Hurts So Good», «Think Before I Talk» und «Emotion». Im Interview mit dem Branchenblatt Variety sagte Smeplass, das tschechische Original sei für sie als Kind ein wichtiger Film gewesen, weil Aschenbrödel darin «so mutig und widerständig» gezeigt worden sei. Die Produktionsfirma Sola Media bestätigte gegenüber Variety, dass die Neuverfilming «ein unglaublich modernes und feministisches Märchen» sei, dass «trotzdem charmant und atmosphärisch» ist.


Als Prinz sieht man Cengiz Al, der zuvor als Yousef Acar in der Serie «Skam» mitgespielt hatte. Sonst noch dabei: Kristofer Hivju («Game of Thrones»), Bjørn Sundquist («Hansel and Gretel: Witch Hunters»), Thorbjørn Harr («Vikings») und Nils Jørgen Kaalstad («Lilyhammer»).

Von dem Film, den Regisseurin Cecilie A. Mosli («Grey’s Anatomy») gedreht hat, gibt es zwei Fassungen: eine für den norwegischen Markt und eine für den internationalen Vertrieb. Die beiden Fassungen unterscheiden sich nur in einem Punkt: in der norwegischen Version sieht man zwei liebende Männer, die sich küssen. Für den internationalen Vertrieb wurde diese Szene entfernt. Und diese Fassung ohne schwulen Kuss sollte auch in Tschechien gezeigt werden, wo der Film am 23. Dezember in die Kinos kommen wird. (MANNSCHAFT berichtete darüber, dass Tschechien die Adoption durch ein schwules Paar weiterhin nicht anerkennt.)

Muss die EU-Kommission eingreifen?
Daraufhin protestierten einige LGBTIQ-Aktivist*innen in sozialen Medien und sprachen von Zensur. Es sei «ein weiteres Beispiel, wie ein zentraleuropäisches Land LGBTIQ+-Menschen zensiert», schreibt Rémy Bonny. Und ruft die EU-Kommission via Twitter auf einzugreifen.


🏳️‍🌈🇨🇿A gay kiss in a Cinderella-movie is censored in the Czech Republic.

🚫Just another example of a Central European country censoring LGBTIQ+ people.

🇪🇺This is a clear violation of the EU’s Audiovisual Media Services Directive.
👉The @EU_Commission must intervene. https://t.co/HRlJ1Qpb2d

— Rémy Bonny 🏳️‍🌈🇪🇺 (@RemyBonny) December 1, 2021

Warum überhaupt zwei verschiedene Fassungen erstellt wurden, sei unklar, schreibt World Today News. Lukáš Vedral, bei Bontonfilm für den Verleih in Tschechien zuständig, sagt: «Wir glauben, dass es ein Zeichen von Misstrauen und Angst ist, dass Zuschauende ausserhalb Norwegens diesen Moment nicht akzeptieren könnten.» (MANNSCHAFT berichtete über die mögliche Eheöffnung in Tschechien.)

Vojtěch Frank, der gerade zusammen mit Jakub Hojka das erste tschechische LGBTIQ-Musical auf die Bühne gebracht hat, sagt zu MANNSCHAFT: «Scheinbar wurde dem Verleih gleich die zensierte Fassung geschickt, weil man fürchtete, es könnte Proteste geben – weil ja auch Kinder in den Film gehen werden. Gestern (am 1. Dezember) hat allerdings der Verleih bekanntgegeben, dass er Kopien der norwegischen Originalfassung angefordert habe für die tschechischen Kinos.»

Wer küsst eigentlich wen in der Szene?
Obwohl es inzwischen etliche Medienberichte über den Fall gibt, erfährt man nirgends, wer sich nun eigentlich mit wem küsst in der umstrittenen Szene: die Freunde des Prinzen? Ein gewisser Baron von Snauser mit einem Mann aus dem Aschenbrödel-Haushalt? Man weiss es nicht.

Drei Haselnüsse für Aschenbrödel
Nader Khademi als Baron Von Snauser (r.) im neuen «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel»-Film (Foto: David Vu/Storm Films AS)

Lukáš Vedral von Bontonfilm sagte diese Woche: «Wir müssen uns hier verteidigen gegen alle die behaupten, wir bei Bontonfilm  hätten den Film zensiert oder hätten in irgendeiner Weise bei dieser Entscheidung mitgemischt. Wir hätten solch eine Entscheidung nie getroffen und hätten auch gar nicht das Recht, solch eine Entscheidung zu treffen», so Vedral zu World News Today.

«Wir (in Tschechien) sehen den Aschenbrödel-Film alle als unser Eigentum an, aber diese norwegische Version von Drei Haselnüsse ist ein ausländischer Film, und wir als Verleih haben auch die Fassung bekommen, die fürs Ausland gedacht war», erklärt Vedral.

Die norwegische Post hatte vor einer Woche für Aufmerksamkeit gesorgt, als sie den ersten Weihnachtswerbefilm veröffentlichte, in dem der Weihnachtsmann eine Liebesbeziehung mit einem Mann namens Harry eingeht – ein Film, der die Diversität im Land feiern soll und daran erinnert, dass vor 50 Jahren Homosexualität in Norwegen entkriminalisiert wurde (MANNSCHAFT berichtete).

Warum die norwegische Produktionsfirma jetzt zeitgleich meint, eine Kussszene zwischen Männern fürs Ausland aus einem Märchenfilm entfernen zu müssen, bleibt ihr Geheimnis und sollte unbedingt hinterfragt werden. Besonders, weil man sich so bewusst für ein feministisches Statement einsetzt – aber nicht für LGBTIQ?

In Deutschland lief der Film bereits im November an, sorgte aber nur wegen Astrid S für Schlagzeilen in der BILD-Zeitung, nicht wegen der Zensurfassung, die auch hierzulande zu sehen war.


Bärbel Bas

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