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Chronist schwulen Lebens: Rüdiger Trautsch aus fünf Jahrzehnten

Das Schwule Museum würdigt den Hamburger Künstler

Rüdiger Trautsch
Front Club Hamburg, 1983 (Foto: Rüdiger Trautsch / Schwules Museum)

Im Herbst 2021 verstarb der Fotograf Rüdiger Trautsch (MANNSCHAFT berichtete). Ein Grossteil seines Nachlasses befindet sich im Archiv des Schwulen Museum (SMU) Berlin. Nun werden erstmals seine gesammelten Arbeiten aus fünf Jahrzehnten gezeigt – als Chronik der «schwulen und späteren queeren Bewegung».

Trautschs Arbeiten werden vom SMU zwischen «Kunst und Dokumentation» verortet sowie als «unverzichtbares Anschauungsmaterial für die queere Geschichtsschreibung in Deutschland».

Trautsch hat u.a. die ersten schwulen Protestmärsche in Münster und West-Berlin in den 1970er Jahren fotografisch festgehalten, er hat Celebrity-Aufnahmen von Warhol und Mapplethorpe gemacht, aber auch von Bärenpartys, es entstanden Drag- und Paarserien sowie viele Bilder des legendären Hamburger House Clubs «Front».

Rüdiger Trautsch
«Schwulsein macht Spass»: Demo der Homosexuellen Aktion West-Berlin, 9. Juni 1973 (Foto: Rüdiger Trautsch / Schwules Museum)

Fotografieren als soziale Praxis
Für Trautsch sei Fotografieren eine soziale Praxis gewesen, heisst es in einer Pressemitteilung des Museums. Er habe fotografiert, «um Freundschaften zu schliessen». Wer Trautsch beim Arbeiten auf dem Folsom Festival erlebt hat oder ihn je beim Sortieren seiner Werke im SMU getroffen hat, weiss, was genau damit gemeint ist. Er war immer offen für Gespräche und eine beeindruckende Quellen von Wissen, das er gern teilte.


Die Ausstellung «Photography as a Way of Life» ist kuratiert vom Archiv- und Sammlungsleiter des SMU, Peter Rehberg, in Zusammenarbeit mit Dragan Šimičević. Und auch wenn im SMU in der Vergangenheit schon viele Ausstellung mit Werken von Trautsch angereichert wurden, ist dies die erste Schau, die sich ausschliesslich seinen Arbeiten widmet.

Rüdiger Trautsch
Examensarbeit Hochschule für bildende Künste HH, «Aus Liebe hat es kaum einer getan»,1980 (Foto: Rüdiger Trautsch / Schwules Museum)

Denn: «Der Bestand mit den fotografischen und zeichnerischen Arbeiten von Rüdiger Trautsch gehört zu den bedeutendsten im Schwulen Museum», heisst es. Die Ausstellung wurde ursprünglich mit ihm zu seinem 75. Geburtstag konzipiert, aber wegen Corona immer wieder verschoben. Auf Basis der gemeinsam entwickelten Ideen hat Peter Rehberg die Schau nun als «posthume Hommage» angelegt.

«Aus Liebe hat es kaum jemand getan»
Es gibt acht Kapitel, dazu gehören Langzeitprojekte wie «Same Sex Couples», Bilder vom Prominenten, aber auch Trautschs Diplomarbeit an der HFBK Hamburg mit Bildern und Texten über einen schwulen Kaufhaus-Dekorateur aus St. Georg, Titel: «Aus Liebe hat es kaum jemand getan» (1981).


Trautsch wurde 1946 in Hamburg geboren, mit seinem Partner Ken Hall betrieb er ein kommerzielles Fotostudio, 1983 entstand die Serie über den nahegelegenen Club «Front». Die Zusammenarbeit mit Hall endete, als dieser an Aids erkrankte und in die USA zurückkehrte. 1994 schloss Trautsch das Studio und arbeitete fortan als freier Fotograf. Im Oktober 2021 starb Trautsch nach langer Krankheit.

Rüdiger Trautsch
Romy Haag, Dressing Room Schmidts Tivoli, Hamburg, 2009 (Foto: Rüdiger Trautsch / Schwules Museum)

«Photography as a Way of Life» ist im SMU vom 16. Juni bis 18. September zu sehen. Die Eröffnung ist am 15. Juni um 19 Uhr (Eintritt frei).

Weitere Details zur Ausstellung finden sich hier.


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