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Bischof Jung: Viele halten Sexualmoral der Kirche für überholt

Man müsse verstehen wollen, was die Gemüter bewegt

Bischof Franz Jung
Bischof Franz Jung (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Viele Gläubige halten das kategorische Nein des Vatikans zur Segnung homosexueller Partnerschaften für falsch. Und Segnungsgottesdienste finden seither dennoch statt. Für den Würzburger Bischof ist das Thema längst nicht beendet – auch wenn Rom das so will.

Die Proteste nach dem Nein des Vatikans zur Segnung homosexueller Paare sollten die Kirche nach Auffassung des Würzburger Bischofs Franz Jung aufrütteln. Er habe «die überaus heftigen Reaktionen als Weckruf verstanden für eine neue Form des Miteinanders zum Wohle der Kirche und zum Wohle der Menschen, die bei ihr Trost und Segen suchen», sagte Jung der Deutschen Presse-Agentur. Die aufgebrachten Rückmeldungen hätten deutlich gemacht, «dass viele Menschen die kirchliche Sexualmoral heute unter vielerlei Hinsicht für überholt halten».

«Auf eine solche Problemanzeige kann man nicht allein mit Verboten reagieren, sondern nur, indem man sich in einem ehrlichen Gespräch den aufgeworfenen Fragen stellt und weitere wissenschaftliche Expertise hinzuzieht», sagte Jung.

Seit Jahren sorgt das Thema Homosexualität in der katholischen Kirche für rege Diskussionen. Am 15. März 2021 hatte die vatikanische Glaubenskongregation in einer Stellungnahme bekanntgegeben: Jede Segnungsform, die eine gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkenne, sei unzulässig (MANNSCHAFT berichtete). Auch eine Aufweichung des Zölibats und erst recht die Öffnung des Priesteramts für Frauen hat die römische Zentrale bereits abgewiesen.


«Die empörte Reaktion aus vielen Teilen der Welt hat zweierlei gespiegelt», sagte Jung. Die Zeiten, «in denen es ausreichte, die Befolgung bestimmter Glaubensinhalte per Dekret oder Lehrschreiben einzufordern und die entsprechende Vermittlung der Katechese vor Ort zu überlassen», seien vorbei. «Ich bin davon überzeugt, dass es für uns alle wichtig ist, das Gespräch miteinander zu suchen und wenigstens ansatzweise verstehen zu wollen, was die Gemüter bewegt.»

Hier habe die Kirche noch grossen Nachholbedarf. Es müsse allen um ein vertieftes Verständnis der Offenbarung gehen. «Ich hoffe, dass die Synode zur Synodalität, in der der Papst das Hören grossgeschrieben hat, weltweit auf fruchtbaren Boden fällt, nicht zuletzt auch in Rom selbst.»

Im Sommer gab es Aufregung in Italien: Der Vatikan stand im Verdacht, den Entwurf eines Anti-Homophobie-Gesetzes zu blockieren (MANNSCHAFT berichtete).



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