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Dragqueens von Uber-Fahrern diskriminiert: «Weil ich schwul bin»

Von wegen Safe Space: Immer öfter werden LGBTIQ «geflaggt» wegen konstruierter Vorwürfe

Barbie Breakout
Barbie Breakout alias Timo Pfaff (Foto: Marcel Steger)

Viele Dragqueens und Queers meiden öffentliche Verkehrsmittel und nutzen lieber Taxis oder Uber, um nicht angepöbelt zu werden. Doch in letzter Zeit häufen sich in Berlin und anderswo falsche Beschwerden seitens der Fahrer über LGBTIQ-Kund*innen.

«Die Fahrt verlief ganz normal. Ich habe mich nett verabschiedet und bin ausgestiegen. Plötzlich ist dann eine Meldung auf meinem Handy aufgeploppt», sagt die Berliner Dragqueen Barbie Breakout alias Timo Pfaff der Zeitung BZ.

Der Fahrer habe sich beschwert, weil sie angeblich keinen Mund-Nasen-Schutz getragen habe. Die Künstlerin empört: «Ich fuhr ungeschminkt und habe definitiv eine Maske getragen!»

Die gleichen Anschuldigungen bekam Barbie Breakout danach noch drei Mal. Das machte sie stutzig. Nach einigem Rumfragen in der Community erfährt sie: Auch andere haben das schon erlebt, so etwa die Dragqueen Bambi Mercury. Die sagt: «Ich bin mir sicher, ich wurde vom Fahrer gemeldet, weil ich schwul bin.» (MANNSCHAFT berichtete über die Aufklärungsarbeit Berliner Dragqueens in öffentlichen Bibliotheken.)


Nachdem zuerst die BZ und BILD über den Fall berichtet hatten, erklärt Barbie Breakout in MANNSCHAFT die Hintergründe.

«Ich wurde insgesamt viermal von einem Uber-Fahrer ‹geflaggt› mit der Behauptung, keine Maske getragen zu haben, obwohl ich das natürlich immer tue. Ich war alle vier Male nicht in Drag. Man bekommt dann so ‘ne halbe Stunde nach der Fahrt eine E-Mail mit der Beschwerde des Fahrers und einem Hinweis von Uber, dass das nicht nochmal passieren darf.»

Was genau passiert, wenn sich solche Beschwerden von Fahrern häufen, ist nicht ganz klar. Wird man als Fahrgast vom Service ausgeschlossen? Werden keine Fahrten mehr vermittelt? «Ich weiss es nicht», sagt Barbie.


«Einspruch erheben ist schwer genug, man findet beim Kundendienst keine direkte Möglichkeit», so die Dragqueen zu MANNSCHAFT. «Hat man sich dann durchgewurschtelt und legt Veto ein, bekommt man eine Standardmail zugeschickt, wo Uber beteuert, das alles sehr ernst zu nehmen; aber dann hört man nie wieder was.» (MANNSCHAFT berichtete darüber, was Schüler*innen über Drag wissen sollten.)

So lief das laut Barbies Schilderung zwei von den vier Malen. «Das erste Mal hatte ich gar nicht richtig verstanden, was die von mir wollten, und das letzte Mal reagierte man einfach nicht mal mehr.»

Barbie Breakout
Screenshot der Nachricht, die Timo Pfaff alias Barbie Breakout von Uber bekam (Foto: Privat)

Schliesslich meldete Barbie ihrerseits den Fahrer und liess Uber wissen, dass sie sich diskriminiert fühle. «Wieder keine Reaktion.» Auf erneutes Nachfragen sei dann eine Mail gekommen, dass der Fall an ein Diskriminierungsspezialteam weitergeleitet worden sei, dieses würde sich mit ihr in Verbindung setzen. Aber dann sei abermals nichts geschehen, sagt Barbie.

«Als ich dann alles bei Instagram postete, in der Hoffnung, ein bisschen Druck aufbauen zu können, meldeten sich andere Leute, wie zum Beispiel Bambi Mercury», erzählt Barbie gegenüber MANNSCHAFT. «Denen war das Gleiche passiert. Und auch andere aus Frankfurt und London schilderten ähnliche Probleme, jemand schickte mir sogar einen Artikel über Vorfälle in San Francisco. Das Problem ist also bekannt.»

Uber präsentiere sich gern als «queer friendly» Unternehmen, klagt Barbie, «sitzt aber die Probleme seiner Fahrgäste mit queer-feindlichen Fahrern einfach aus». Warum? «Weil die ja eh kein Sprachrohr haben», meint Barbie.

Doch jetzt bekäme Uber endlich Gegenwind, so Barbie. Der CSD Berlin e.V. habe sich eingeschaltet. «Und schon schickt Uber eine E-Mail rum, in der Fahrgäste ermutigt werden, Diskriminierungsfälle zu melden.»

Der letzte Fahrer, der mich geflaggt hat, wollte von mir wissen, ob ich auch auf ‹willenlose Weiber› stehen würde.

Warum Barbie konkret geflaggt werde, ist ihr unklar. «Ja, ich kleide mich an vielen Tagen sichtbar queer», so Barbie zu MANNSCHAFT. «Ich habe oft rockähnliche Dinge über meinen Hosen, ich trage fast immer eine grosse Handtasche, manchmal Makeup und ja, meine Stimme ist eben meine Stimme. Der letzte Fahrer, der mich geflaggt hat, trug lustigerweise selber keine Maske, wollte aber von mir wissen, ob ich auch auf ‹willenlose Weiber› stehen würde. Es ging darum, dass ein paar unvorgesehene warme Tage kommen sollten, und solches Wetter würde die Frauen ja immer ganz kopflos machen», schildert Barbie.

«Ich antwortete, ich würde mir generell nichts aus Frauen machen, willenlos oder nicht. Daraufhin warf er mir einen sehr speziellen Blick in den Rückspiegel und war den Rest der Fahrt still. Er setzte sogar seine Maske auf», worüber Barbie rückblickend sogar lachen muss.

Zur Beurteilung der Lage sagt Barbie: «Ich weiss, dass das ein Luxusproblem ist. Viele Menschen sitzen jeden Tag sehr sichtbar queer in der Bahn und lassen viel Schlimmeres über sich ergehen. Mein Privileg ist, mir Uber leisten und mich dem Stress der Bahnfahrten entziehen zu können. Für viele Queens ist es aber auch ein günstiger Weg, um zu Gigs zu kommen, es geht ja nicht nur um den täglichen Traffique durch die Stadt. Also ja, Uber sollte ein Safe Space sein, ist aber kläglich am Versagen.»

Barbie fordert als Mindestmassnahme von Uber, nur Fahrer*innen zu beschäftigen, die unterschreiben würden, dass queere Menschen gleichwertig seien und dass man sich verpflichte, Diskriminierungen nachzugehen, statt die Opfer zu ignorieren.

Uber-Sprecher Fröhlich nennt in der Presse seinerseits als mögliche Konsequenz Verwarnungen oder sogar den Ausschluss der betroffenen Fahrer*innen von der Plattform.

 

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Ein Beitrag geteilt von CSD Berlin PRIDE (@csd.berlin.pride)

In einem Instagram-Video, das der CSD Berlin e.V. in Abstimmung mit Uber geteilt hat, finde sich der Hinweis, dass das Unternehmen letztlich nur dann reagieren könne, wenn sich die Opfer von Diskriminierung melden würden. Barbie dazu: «Danke fürs victim blaming an dieser Stelle! Die Meldungen liegen ihnen ja vor – sie ignorieren sie nur.»


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