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Bayreuther Schlammschlachten um den Wagner-Clan

Das tragische Schicksal von Isolde

Wagner
Eva Rieger, Musikwissenschaftlerin (Foto: Robert Michael/dpa)

Die Richard-Wagner-Spezialistin Eva Rieger befasst sich in ihrem neuen Buch mit der ältesten Tochter des Komponisten. Isoldes Leben ist ein besonders trauriges Kapitel.

Von Sibylle Peine, dpa

Man könnte meinen, die Geschichte der Wagners sei längst auserzählt – diese unendlichen Dramen um Deutschlands grosse Künstlerdynastie, um Geniekult, Intrigen und Verstrickungen rund um das Bayreuther Haus Wahnfried. Fast alle Familienmitglieder wurden schon intensiv ausgeleuchtet.

Neben Richard Wagner (1813-1883) selbst auch seine zweite Frau, die unerbittliche Gralshüterin Cosima Wagner, sodann der Sohn Siegfried und dessen Frau Winifried mit ihrer unrühmlichen Hitler-Verbandelung. Der rebellischen Enkelin und Nazi-Gegnerin Friedelind Wagner wurden im vergangenen Jahrzehnt gleich zwei grosse Biografien gewidmet. Eine davon stammt von Eva Rieger.


Die renommierte Musikwissenschaftlerin und Autorin hat jetzt eine weitere Wagner-Frau ins Visier genommen, die nicht auf Linie war und deshalb ein tragisches Schicksal erlitt: Isolde, das älteste Wagner-Kind und Lieblingstochter ihrer Mutter Cosima.


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Tatsächlich war Isolde das Ergebnis eines berühmten Seitensprungs. Als sie 1865 geboren wurde, war ihre Mutter Cosima, eine Tochter von Franz Liszt, noch mit dem Dirigenten Hans von Bülow verheiratet. Deshalb war Isolde offiziell auch eine «von Bülow». Aber es gab keinen Zweifel daran, dass ihr biologischer Vater Richard Wagner war.


Entsprechend kam sie als Kind und Heranwachsende in den Genuss der kulturell inspirierenden Atmosphäre Bayreuths. Schon als Dreizehnjährige dichtete und komponierte sie, später entwarf sie Theaterkostüme. Auch war Isolde eine talentierte Malerin.

Rieger macht nun klar, dass auch Isolde vom reaktionären Wagner-Geist, dieser unheilvollen «Mischung aus Antisemitismus, übersteigertem Nationalismus und Antifeminismus» durchdrungen war – und dass sie es nicht schaffte, ihre eigenen Vorurteile zu bekämpfen. Vor allem gelang es ihr nicht, sich aus der übermächtigen Umarmung ihrer dominanten Mutter Cosima zu lösen.


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Diese hatte nach dem Tod Wagners 1883 die Leitung der Festspiele kraftvoll übernommen und verlangte, dass sich alle Familienmitglieder in den Dienst «unserer Sache» stellten, die sie als heiligen Kult verstand. Die Lage spitzte sich aber erst nach der relativ späten Heirat Isoldes mit dem Dirigenten Franz Beidler zu, der seit 1896 musikalischer Assistent in Bayreuth war.

Bald kam es zwischen ihm und seiner Schwiegermutter zu Missstimmigkeiten über seine Arbeit und schliesslich zu einer bitterbösen Schlammschlacht. Dokumentiert wird das in einer Reihe von Briefen, die Rieger ausführlich zitiert und die ein unerfreuliches Licht auf das erdrückend autoritäre und angespannte Arbeitsklima in Bayreuth werfen.

Das Paar und ihr Sohn wurden vom Bayreuther Hof verbannt
Cosima warf Beidler vor, es mangele ihm «die ideale Wärme, zartes Gefühl, Innigkeit und schwebende Entrücktheit». Isolde, die sowohl ihren Mann als auch ihre Mutter liebte, geriet zwischen die Fronten und begann zu kränkeln. Das Paar und ihr Sohn, lange Zeit der einzige Wagner-Enkel und Erbe, wurden vom Bayreuther Hof verbannt.

Als Beidler damit drohte, die Homosexualität von Isoldes Bruder Siegfried öffentlich zu machen, eskalierte die Lage. Der Clan schlug zurück und setzte nun alles daran, die ungebührliche Wagner-Tochter zu enterben. Tatsächlich verlor Isolde 1914 den Erbschaftsprozess, nicht einmal ihre Abstammung von Richard Wagner wurde anerkannt. Cosimas Rolle in dieser Angelegenheit war mehr als trüb, selbst wenn sie nicht die treibende Kraft hinter den Machenschaften war. Isoldes Lebensmut war damit gebrochen. Sie starb 1919 mit nur 53 Jahren.

Der erste Teil des Rieger-Buchs ist etwas blass geraten und hätte hier und dort gestrafft werden können – oft werden nicht so weltbewegende Ereignisse nur chronologisch aneinandergereiht. Der zweite Teil dagegen erinnert in seiner Wucht fast an ein antikes Drama.

Am Ende bleibt die traurige Erkenntnis, dass bei all den hochtrabenden Ansprüchen der Bayreuther Gralshüter das menschlich tolerante Miteinander in beschämender Weise auf der Strecke blieb.


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