Wie wäre es mal mit Platz 2, liebe CDU?
Es wird Zeit für den Austausch all der bekannten christdemokratischen Figuren, meint unser Autor
Der CDU-Bundesparteitag hatte Armin Laschet am 16. Januar schon online zum neuen Chef gewählt (MANNSCHAFT berichtete). Per Briefwahl wurde er nun mit 83,35 Prozent der gültigen Stimmen bestätigt. Möge Laschet seine Partei in die Opposition führen, schreibt Jan Feddersen in seinem Samstagskommentar*, das wäre auch für queere Anliegen wohl das Beste.
Alle drei Kandidaten für den Posten des Chefs der die meisten Jahre der Bundesrepublik regierenden Partei, der CDU, bekamen ihre Stimmen. Armin Laschet, der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, hat am Ende gegen Friedrich Merz, ein konservativer Redner und Expolitiker seiner Partei, ehe ihn die spätere Kanzlerin Angela Merkel ins politische Nirwana schickte, gewonnen. So weit, so bekannt.
Und wie in meinem vorigen Kommentar erwähnt, waren alle drei Aspiranten auf die Merkel-Nachfolge, als es um die Ehe für alle im Jahre 2017 (MANNSCHAFT berichtete) ging, gegen dieses Reformprojekt, auch Norbert Röttgen, der Aussenseiter im Kandidatentrio. Nur Jens Spahn, Gesundheitsminister und Mitglied des Teams Laschets, war für die Entprivilegierung der Ehe als heterosexuelles Belohnungsinstrument («Heiratest du, bist du okay») zugunsten homosexueller Paare – das war mutig genug, als offen schwuler Politiker für eine Gesetzesänderung einzutreten, die die Union – die CDU wie ihre bayerische Schwester, die CSU – so bekämpfte wie kein anderes Reformding der vergangenen 20 Jahre.
Aber ist Laschet nun wirklich der politische Bringer? Ist er tough genug, die dauerunaufgeregte Angela Merkel zu beerben, denn die will ja nicht mehr nach den Bundestagswahlen im Herbst Kanzlerin bleiben? Ist der tendenziell homounfreundliche Politiker aus Aachen wenigstens so cool genug, Queeres im Politischen gleich abzubügeln? Ich würde sagen: Wie auch immer er im Innersten tickt, was auch immer ihn persönlich bewegt oder treibt – es wird keine Auswirkungen auf die gesellschaftliche Grosswetterlage haben. Schwule und Lesben sind im Vergleich zur Zeit vor 40 oder 50 Jahren so sichtbar wie nie, und doch sollte unsereins noch präsenter werden, wobei das Lesbische inzwischen öffentlich sichtbarer ist als das Schwule, aber das nur nebenbei.
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Was ich sagen will: Alle Welt, alle politischen Analysten der Bundesrepublik gehen davon aus, dass es wieder ein Unionspolitiker werden wird, der da Angela Merkel beerben wird. Aber muss das so sein? Ist nicht, wie die SPD, die Union politisch ebenso verbraucht und erschöpft? Müsste nicht ein Wechsel in den Tonarten erfolgen? Wäre es nicht, vom Queeren abgesehen, jetzt Zeit für einen Politikwechsel, etwa hin zum Ökologischen, Grünen? Müsste nicht einer wie Robert Habeck oder Annalena Baerbock die Macht im Kanzler*innenamt übergeben werden?
Ich bin kein Grüner, ich wählte diese Partei (oder eine ihrer Vorläuferinnen) nur zwischen 1978 und 1997, aber ich finde, dass die Union wie in Baden-Württemberg mal auf den zweiten Platz versetzt gehört. Dort, in der Landeshauptstadt Stuttgart, regiert seit zehn Jahren der grüne Winfried Kretschmann, zunächst mit der SPD, seit fünf Jahren mit der stockkonservativen CDU. Und das tat dem Bundesland gut, mal keine Regentschaft überwiegend rasend-christlicher Politiker*innen über sich zu wissen. Das gleiche gilt für die Bundesrepublik überhaupt: Es wird Zeit für einen Wechsel, für den Austausch all der bekannten Figuren und Figurinen.
Dass queere Anliegen bei den Grünen am präsentesten sind und mit ihnen am ehesten Durchsetzungschancen haben: klar. Immerhin waren es die Parteiökos, die 1998, als Kanzler Helmut Kohl keine weitere Chance erhalten sollte, im Bündnis mit der SPD viele queere Reformen anstiessen und oft auch durchsetzten, etwa den Auftakt zur späteren Ehe für alle.
Über die SPD lässt sich ja leicht sagen, ohnehin im wahldemoskopischen Dauertief, dass sie sich mal auf den Oppositionsbänken regenieren soll, auch, damit Kevin Kühnert (der jetzt erstmal in den Bundestag einziehen will – MANNSCHAFT berichtete) an die Parteispitze klettern kann. Gründlicher wäre, auch die Union politisch vom ersten Zugriff auf die Macht zu befreien. Dann kann sie beraten, was sie sein will – konservativ, liberal oder was auch sonst. Die Grünen sollen mal zeigen, was sie können, ökologisch und sozial. Dass da queere Politikanliegen auch eine gute Adresse haben werden – das nehmen wir gern in Kauf. Insofern: Armin Laschet – na und?
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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