Trotz Verbot: Die meisten Bundesministerien gendern weiter
Wer hält sich intern und extern an die neuen Vorgaben von Wolfram Weimer?
Der Streit in der Koalition um gendergerechte Sprache geht in die nächste Runde.
Nachdem Wolfram Weimer, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag, kürzlich das Gendern mit Sonderzeichen (Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich oder Binnen-I) für den offiziellen Schriftverkehr seiner Behörde verboten hatte (MANNSCHAFT berichtete) und sogar sämtliche öffentlich geförderten Institutionen, wie Museen, Stiftungen oder Rundfunkanstalten, aufrief, seiner Vorgabe zu folgen, ist die Frage: Hält sich eigentlich in den anderen Ministerien jemand daran?
Der Berliner Tagesspiegel hat bei den anderen Ministerien nachgefragt und einzeln abgeklopft, wie Weimers Kolleg*innen seinen Appell handhaben. Fazit: «Im Kabinett ist Weimer mit seinem Appell offenbar nicht durchgedrungen.» Kein anderes Ministerium habe ein ähnliches Verbot ausgesprochen oder geplant, heisst es.
Man halte entsprechende Schritte angesichts der bereits bestehenden Regelungen für unnötig. Aus dem Bundesverkehrsministerium von Patrick Schnieder (CDU) heisst es: «Das BMV hält sich an die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung, in der für den amtlichen Schriftverkehr die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung als Massgabe definiert sind» (MANNSCHAFT berichtete).
So oder so ähnlich sei auch die Rückmeldung von anderen Sprecher*innen der Ministerien ausgefallen, schreibt der Tagesspiegel. Die Mehrheit der Ministerien wolle eine geschlechtergerechte Sprache durch Doppelnennungen und neutrale Ersatzformen gewährleisten. Man schreibe also von «Lehrerinnen und Lehrern» oder «Lehrkräften» oder «Lehrenden» statt einfach nur von «Lehrern». In allen von der Union geführten sowie fast allen SPD-Ministerien wolle man es dabei belassen. «Eine Änderung dieser Praxis ist nicht vorgesehen», teilte ein Sprecher von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) dem Tagesspiegel mit.
Weiter heisst es kommentierend von Seiten des Tagesspiegel: «Alle Geschlechtsidentitäten – also nicht nur Männer und Frauen, sondern auch nicht-binäre und diverse Menschen – sprachlich sichtbar und ansprechbar zu machen, ist für fast alle Mitglieder der Bundesregierung kein Thema. Unisono wird auf das Regelwerk der deutschen Rechtschreibung verwiesen. Die Empfehlungen des Rates wurden 2006 in einem Rundschreiben des Innen- und Justizministeriums als Massstab für den Schriftverkehr definiert.»
Laut dieser Empfehlung seien alternative Schreibweisen wie Binnen-I und Gendersternchen nicht vorgesehen, so ein Sprecher von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). In den Ministerien für Inneres, Forschung und Digitales (alle Union) sowie Justiz (SPD) habe man sich ähnlich geäussert, so der Tagesspiegel.
«Solche Schreibweisen gelten derzeit als rechtschreibwidrig und können auch im Sinne barrierearmer Kommunikation nicht als allgemeinverständlich vorausgesetzt werden», betont ein Sprecher von Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU).
Im Auswärtigen Amt von Johann Wadephul (CDU) wies man ebenfalls explizit darauf hin: «Auch dem Minister sind diese Aspekte sowie eine adressatenorientierte Sprache ein Anliegen.»
«Im rein internen Schriftverkehr kann eine Wortbildung mit einem Gendersternchen erfolgen», sagte hingegen eine Sprecherin von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Gelegentlich würde es aufgrund der Bedeutung der Zeichenzahl auch in Social-Media-Posts genutzt. Aus dem Ressort von Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) hiess es, das Gendersternchen sei der «Standard» der internen und externen Kommunikation. Möglich seien aber auch Doppelnennungen oder Ersatzformen.
Somit ist unklar, ob Weimer andere Ministerien in seinem vielfach als «Kulturkampf» beschriebenen Versuch das Gendern zu verbieten überzeugen kann.
Zu seinem 65. Geburtstag veröffentlichte Comiclegende Ralf König sein vielleicht persönlichstes Buch: «Pfaumensturz und Sahneschnitten». MANNSCHAFT war bei seiner Berliner Lesung dabei.
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