Ralf König: «Ich habe zum ersten Mal eine Schreibblockade»
Die Buchpremiere in Berlin wurde zu einem sehr persönlichen Abend mit Kinderzeichnungen und Porno-Comics
Zum 65. Geburtstag veröffentlicht Comiclegende Ralf König sein vielleicht persönlichstes Buch: «Pfaumensturz und Sahneschnitten». MANNSCHAFT war bei seiner Berliner Lesung dabei.
Ralf König spricht über Einsamkeit, queere Kultur, Altersheime – und warum sein gezeichneter Held «Spargel» vor allem wegen eines Körperteils begehrt ist.
Am Ende der rund 90 Minuten langen Lesung im Prinz Eisenherz wirkt Ralf König kurz nicht wie jemand, der seit 45 Jahren erfolgreich Comics zeichnet, dessen Werke verfilmt wurden und der bis heute für Titel wie «Bullenklöten» oder «Der bewegte Mann» bekannt ist – sondern eher wie Ralf, der eben jetzt mal auf der Bühne sitzt und aus seinem Leben plaudert. «Ich könnte noch ein bisschen erzählen», sagt er, «oder ich lese noch etwas vor – oder habt ihr schon genug für euer Geld bekommen?»
Obwohl der gebürtige Soester Ralf König seit Jahren in Köln lebt, hat er in der queeren Buchhandlung mitten in Berlin-Schöneberg so etwas wie ein Heimspiel. Drei Tage vor seinem 65. Geburtstag feiert er hier die Premiere seines neuen Buchs «Pfauensturz und Sahneschnitten». Die Hälfte des Publikums hat den grossen, gebundenen 200-Seiten-Hardcover-Band auf den Knien und wartet darauf, ihn später signieren zu lassen. Das Buch enthält Comics, die bisher noch nie in Buchform erschienen sind, sondern nur in Nischenmagazinen oder im Internet. Es sind Comics dabei über das Älterwerden, über Sex und über tote Großmütter, vor allem sind sie lustig.
Gleich zu Beginn der Lesung wird deutlich, dass es auf gewisse Art ein intimer Abend ist – denn es ist wohl auch das persönlichste Buch, das der Comiczeichner bislang veröffentlicht hat. Das liegt unter anderem an den Interviewpassagen mit Alex Jakubowski, die zwischen den Comics das Buch durchziehen und in denen er von seiner Jugend erzählt, von seinen Eltern, die inzwischen über 90 sind und im Altersheim leben – sowie von seiner eigenen Midlife-Crisis, in die er gerade hineinschlittert.
Eigentlich sollte Journalist Alex Jakubowski mit auf der kleinen Eisenherz-Bühne stehen, aber das klappte nicht – und so moderiert König sich selbst: Er erzählt von seinen ersten Zeichnungen nackter Frauen, seinen frühen Hetero-Crushes in der Schule – und davon, wie sehr er inzwischen mit der queeren Kultur fremdelt und sich dann doch wieder mit ihr arrangiert. So merkte er, dass sich immer wieder Menschen von seinen Zeichnungen negativ beschrieben fühlten – und hat gelernt mit dieser Kritik umzugehen.
Diese Kritik aus der eigenen Community taucht auch in seinen Comics auf. Einen der ersten Strips, den er aus dem neuen Buch vorliest, handelt von zwei Männern, die sich am Strand von Gran Canaria niederlassen wollen. Einer breitet sein Regenbogen-Handtuch aus, was den anderen provoziert: «Muss denn jeder gleich sehen, dass hier zwei Schwule liegen?» Es entspinnt sich ein Streit, wie er sicher schon an vielen Stränden der Welt geführt wurde.
Plötzlich ruft ein Zuhörer in die Stille: «Hast du die meisten Sachen selbst erlebt, über die du schreibst?» König erzählt, dass vieles aus echtem Erleben stamme. Manchmal müsse er sich zusammenreissen, einen Dialog nicht wörtlich wiederzugeben. «Es ist ein Mischmasch aus Erinnerung und ein bisschen Fantasie.» In seinem Buch beschreibt er zum Beispiel kiffende Rentner im Keller eines Altersheims – die seien erfunden, «aber nur, weil die Realität eines Altersheims so deprimierend ist».
Das buchstäbliche Kernstück des Buchs sind aber die 24 Comic-Strips über «Spargel» – einen jungen Berliner, sehr dünn, daher der Spitzname, aber mit überproportional grossem Penis. Erfunden hat ihn Ralf König für das Magazin «Boner», für das er endlich Comics mit explizit pornografischem Inhalt zeichnen durfte. «Ich hätte nie gedacht, dass die mal irgendwo anders erscheinen», sagt König. «Und jetzt sind sie alle in einem Buch.»
«Ich habe noch lange nicht vor aufzuhören.»
Ralf König, Comiczeichner
Die Comics handeln von der Suche nach Liebe zwischen «Prinzknecht» und «Grindr» für einen Mann, der sich beim Sex oft als dritter, überflüssiger Teil fühlt: «Alle sind nur scharf auf meinen Schwanz.» Er trifft verschiedene One-Night-Stands, leidet aber die meiste Zeit unter Einsamkeit mit seinem Hund Francois. Sein bester Freund hat nur einen trockenen Rat: «Eines Tages kommt so ein schöner Arsch und heiratet deinen schönen Schwanz.»
Die Zeichnungen sind definitiv nicht jugendfrei – aber wer das zu deftig findet, blättert einfach weiter zu den kurzweiligen «Konrad und Paul»-Comics, die König seit Jahren wöchentlich auf Facebook veröffentlicht. Mehrere Bücher hat er ihnen inzwischen gewidmet. Und mit den beiden Figuren, das deutet König an, sei er noch lange nicht fertig.
Am Ende des Abends verrät er, dass er zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie eine Schreibblockade habe. «Seit fast zwei Jahren habe ich den Stoff der Nibelungen vor mir», sagt er, «aber ich komme irgendwie nicht vorwärts.» Es solle ein Buch werden, in dem die Sage ohne Gemetzel auskomme: «Der Drache hat Zahnfleischbluten, und Siegfried und Hagen haben natürlich eine Affäre.» Aber er komme einfach nicht voran – beendet den Abend aber mit einer guten Nachricht: «Ich habe noch lange nicht vor aufzuhören.»
Am 7. September wird Ralf König im BKA in Berlin eine Jubiläumslesung veranstalten mit Unterstützung von Freunden und Wegbegleitern. Mehr Infos hier.
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