Warum «Padam Padam» zur schwulen Sommerhymne 2023 wurde
Kylies Sommerhit «Padam Padam» hat den schwulen Slang erweitert. Warum das dringend nötig war, schreibt Peter Fässlacher in seinem Samstagskommentar*.
«What is your favourite gay slang right now?», fragt LGBTIQ-Tiktoker Chris Stanley einen Passanten bei einem seiner Strasseninterviews. Die Antwort kommt schnell: «Padam!» Chris fragt: «How do you use it in a sentence?» Antwort: «People go: What are you doing tonight? And I go: Padam! It means being gay and having a great time.» (Wie man schwulen Slang verwendet? Wenn die Leute fragen: Was machst du heute Abend?, dann sage ich: Padam! Es bedeutet, schwul zu sein und eine tolle Zeit zu haben.)
Es ist schon erstaunlich, wie neue Begriffe entstehen, und umso interessanter, wenn man live mit dabei sein kann. Wie bei Kylie Minogues Song «Padam Padam». Warum Hits zu Hits und Tiktok-Trends zu Trends werden (und andere eben nicht), wird natürlich immer zum Teil Rätsel bleiben. Erstaunlich ist aber dennoch, warum gerade «Padam Padam» zur schwulen Sommerhymne 2023 geworden ist. Andere Songs tun sich da schon schwerer, die durchaus auch für die Community gemacht wurden wie «Rush» von Troye Sivan oder «Mind your business» von Britney Spears feat. will.i.am tun. Auch abgesehen davon, dass sie den Sprung in den schwulen Sprachgebrauch nicht geschafft haben. Padam aber schon.
Ich persönlich hätte jede Wette verloren, dass das markante «Padam Padam» nach dem gleichnamigen (und weltberühmten!) Chanson von Edith Piaf überhaupt noch einmal als Titel eines Songs verwendet werden könnte und dann auch noch Erfolg haben würde! Ich habe mich gefragt: Warum scheint der Song und vor allem der Begriff «Padam» so viele schwule Männer anzusprechen, dass sie daraus – binnen kürzester Zeit – eine vielseitige Floskel gemacht haben, die von Begrüssung bis Verabschiedung fast in jeder Unterhaltung beliebig eingesetzt werden kann?
Aus meiner Sicht ist «Padam» eine kreative Lösung des ziemlich ernsten Problems, dass es mit einer heterosexuellen Sprache unmöglich ist, ein nicht heterosexuelles Leben zu beschreiben. Das Beschreiben einer schwulen Lebensrealität besteht aus dem ständigen Ringen um die passende Formulierung. Die bereits vorhandenen Formulierungen sind letztlich immer Begriffe, die aus einer heterosexuellen Welt stammen. Schwules Leben und Empfinden entspringen aber einem anderen Ort, einer anderen Sicht auf die Welt, einem anderen inneren Erleben. Und das zu beschreiben ist nicht einfach. Es existiert nur das, wofür es auch das passende Wort gibt – und das ist oft besonders schwer zu finden. Und bevor man beginnt, bereits bestehende Wörter mühsam umzudeuten, müssen einfach neue Wörter her, die im Idealfall noch keine wirkliche Bedeutung haben. Und da kommt Padam ins Spiel.
Padam ist ein Wort ohne Bedeutung und somit ein indirektes Angebot, ihm eine Bedeutung zu geben. Man kann selbst entscheiden, was es bedeuten soll. Es ist ein Wort ohne Vorgaben von aussen, wie man es verwendet, wann man es verwendet oder was man genau damit sagen soll oder muss. Man kann nicht massgeregelt werden, dass man es gerade «falsch» verwendet hat. Es eröffnet einen kreativen Raum, das Wort und dessen Bedeutung selbst zu gestalten – und damit Teil seiner eigenen Realität zu machen, die noch nicht von anderen verwendet wird. Solche Wörter gibt es nicht oft. Padam ist eine Form – den Inhalt darf jeder selbst bestimmen.
Tiktoker Chris Stanley kannte übrigens weder den Song von Kylie Minogue noch «Padam» als geflügeltes Wort. Und trotzdem konnte er den Begriff sofort in einen Satz einbauen: «Honestly, this conversation is Padam!»
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
Unterstütze LGBTIQ-Journalismus
Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!
Das könnte dich auch interessieren
Film
Arte zeigt «Eismayer» – Liebe unter Soldaten im Bundesheer
Der gefürchtete Ausbilder beim österreichischen Bundesheer führte lange ein Doppelleben. Schwul war er nur heimlich. Als Vizeleutnant Eismayer den Rekruten Mario trifft, verändert sich alles.
Von Newsdesk Staff
Serie
Österreich
Kultur
Fokus
Coming-out
Buch
Liebe, Lust und andere Katastrophen – unsere queeren Lesetipps
Éric Chacour verwebt queere Liebe mit familiären Zwängen in Kairo. Chloé Caldwell zerlegt das lesbische Begehren in schmerzhafter Klarheit. Und Eryx Vail stellt die Frage, ob queeres Leben in dystopischen Zukunftsvisionen überhaupt vorkommen darf.
Von Newsdesk Staff
Schwul
Lesbisch
Gesellschaft
Kultur
Queer
Buch
Warum verehrte eine lesbische Frau Adolf Hitler?
Wie kann sich eine lesbische Frau mit Hitler und den Nazis identifizieren? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine lesenswerte Biografie über Stephanie Hollenstein, Hitlers queere Künstlerin.
Von Christian Höller
Lesbisch
Geschichte
Kultur
Kommentar
«Man tritt nicht nach Schwächeren, die schon fast am Boden liegen»
Jacques Schuster, Chefredakteur der Welt am Sonntag hat einen in vielerlei Hinsicht gestrigen Text gegen LGBTIQ verfasst. Unser Autor antwortet mit einem Gegenkommentar*.
Von Kriss Rudolph
Pride
Deutschland
Queerfeindlichkeit