Vor dem Urteil: Darf Paula auch juristisch zwei Mütter haben?
Die Akkermanns klagen gegen eine «verfassungswidrige Diskriminierung»
Trotz der Eheöffnung in Deutschland haben verheiratete Frauen nicht immer die gleichen Rechte wie heterosexuelle Ehepaare. Das Oberlandesgericht Celle beschäftigt sich mit dem Fall einer Familie aus Schellerten. Die gerichtliche Entscheidung soll am Mittwoch bekannt gegeben werden. Von Christina Sticht, dpa
Zwei Frauen aus dem Landkreis Hildesheim kämpfen dafür, beide vom Staat als Mütter ihrer Tochter Paula anerkennt zu werden. Es gehe um eine rechtliche Gleichstellung mit heterosexuellen Ehepaaren, sagte Gesa Teichert-Akkermann (45), die Paula im Februar 2020 zur Welt brachte, der Deutschen Presse-Agentur. Ihre Ehefrau Verena Akkermann (48) sei eine der beiden Mütter, Paula kenne ihre Stimme seit der Schwangerschaft. Nach derzeitiger Rechtslage stehe ihrer Partnerin aber nur das mitunter langwierige Verfahren der Stiefkindadoption offen.
Dies ist aus Sicht der Akkermanns eine «verfassungswidrige Diskriminierung». Denn bei heterosexuellen Ehepaaren werde der Vater automatisch in die Geburtsurkunde eingetragen, auch wenn das Kind zum Beispiel mit Hilfe einer Samenspende entstanden ist.
Anfang des Jahres beschäftigte sich das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit dem Fall, nachdem Anträge der Familie aus Schellerten in erster Instanz vom Amtsgericht Hannover und Amtsgericht Hildesheim abgewiesen wurden. «Wir haben dem Gericht heute ganz persönlich geschildert, was es für Paula und uns bedeutet, dass queere Familien bei der Anerkennung von Elternschaft diskriminiert werden», sagte die 45-Jährige nach der mehr als zweistündigen Anhörung. «Wir kämpfen nicht nur für uns selbst, sondern für die Rechte aller Regenbogenfamilien.» Das Gericht will laut einem Sprecher seine Entscheidung in wenigen Wochen schriftlich übermitteln.
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Das Frauenpaar wird von der Rechtsanwältin Lucy Chebout sowie von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt. Der Anwältin zufolge war die entscheidende Rechtsfrage, ob die Regelung zur Eltern-Kind-Zuordnung im Bürgerlichen Gesetzbuch, die sich dem Wortlaut nach auf Ehemänner bezieht, auch auf Ehefrauen angewendet werden kann – oder sogar muss.
Die derzeitige Regelung gehe in erster Linie zu Lasten der Kinder in queeren Familien, erklärte die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Das Standesamt hatte es abgelehnt, Verena Akkermann als zweite Mutter in die Geburtsurkunde einzutragen. Paula habe damit rechtlich nur eine Mutter und gegenüber ihrer zweiten Mutter keinen Anspruch auf Unterhalt, Versorgung oder Erbe. Die 48-Jährige benötige selbst für einen Arztbesuch mit der Tochter die Vollmacht ihrer Ehefrau. Dieses Problem stellt sich auch für Paare, bei denen ein*e Partner*in keinen Geschlechtseintrag oder einen divers-Eintrag hat.
Nach Auskunft des Bundesjustizministeriums ist eine umfassende Reform des Abstammungsrechts in Arbeit. In einigen Bereichen seien Gleichstellung, Vereinfachung und Entlastung aber so dringend erforderlich, dass sie schon vorab geregelt werden sollen, sagte ein Ministeriumssprecher der dpa. So befinde sich ein im Sommer an die anderen Ressorts übersandter Gesetzentwurf derzeit in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Im Zentrum dieser Teilreform stehe die Einführung einer gleichrangigen Mutterstellung zweier Frauen kraft Ehe und kraft Anerkennung, sagte der Sprecher.
Inzwischen gibt es eine Bewegung von Paaren, die nicht den Weg über die Stiefkindadoption gehen wollen. So seien im August allein in Berlin von sechs Paaren für sieben Kinder Anträge auf Feststellung der Elternschaft eingereicht worden, berichtete Christina Klitzsch-Eulenburg von der Initiative «Nodoption».
Das Oberlandesgericht Celle ist nicht das erste hohe Gericht, das sich mit der Elternschaft eines lesbisches Paar beschäftigt. Im Herbst 2018 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, dass nach der Einführung der Ehe für alle ein Frauen-Paar nicht automatisch gemeinsam Eltern werden könne. Notwendig sei eine Reform des Abstammungsrechts, hiess es damals.
«Natürlich hoffen wir nach dem Termin heute, dass das Gericht erkennt, dass auch ich Mutter unserer Tochter Paula bin», sagte Verena Akkermann. «Aber wenn nicht, dann steht unser Entschluss: Wir machen weiter. Notfalls gehen wir bis nach Karlsruhe.»
Das Bundesland Rheinland-Pfalz hat bundesweit erstmals eine Studie gefördert, die sich mit der Situation lesbischer Mütter nach einer Scheidung von ihrem Ehemann befasst hat. Die Studie macht grosses Unrecht sichtbar, das bisher nicht bekannt war. So lebten lesbische Mütter in Angst um den Verlust des Sorgerechts ihrer Kinder, wenn sie sich von ihrem Ehemann scheiden liessen, um in einer Liebesbeziehung mit einer Frau zu leben (MANNSCHAFT berichtete).
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