Von Fanliebe zur Besessenheit: «Lurker» und der Preis des Ruhms

Der angehende Popstar Oliver (Archie Madekwe) und Matthew (Théodore Pellerin)
Zwei junge Männer, zwei Sehnsüchte: Oliver (links, Archie Madekwe) und Matthew (Théodore Pellerin). (Bild: High Frequency Entertainment)

In der schillernden Musikszene von Los Angeles erzählt «Lurker» (ab 18.12. in deutschen Kinos) von Aufstiegsfantasien, Sozialneid und der gefährlichen Illusion von Nähe im Zeitalter von Social Media.

Fans, deren Begeisterung in Besessenheit umkippt, sind schon lange fester Bestandteil der Film- und Serienlandschaft, und die Bandbreite reicht dabei von «Alles über Eva» mit Bette Davis über die Stephen-King-Adaption «Misery» bis hin zur bösen Influencerinnen-Komödie «Ingrid Goes West» oder der Horrorserie «Swarm».

«Lurker», das Spielfilmdebüt von Alex Russell, bewegt sich nun also durchaus auf altbekannten Pfaden – und ist doch anders als das Meiste in diesem Subgenre. Nicht nur, weil der bewundernd-fanatische Part hier mal nicht von einer Frau übernommen wird. Sondern auch, weil nie wirklich klar wird, ob dieser Protagonist tatsächlich ein waschechter Fan ist.

Sicher ist: Matthew (Théodore Pellerin) weiss sehr genau, wer der junge Mann ist, der den Klamottenladen in Los Angeles betritt, in dem er als Verkäufer jobbt. Oliver (Archie Madekwe) ist Popstar, noch nicht weltberühmt, aber kurz vor dem grossen Durchbruch und definitiv so bekannt, dass die übrige Kundschaft in Aufregung gerät. Mit einer cleveren Song-Wahl weckt Matthew das Interesse des britischen Sängers und darf abends nach dem Konzert erst backstage und dann sogar in Olivers Haus in den Hollywood Hills abhängen.

Kritisch beäugt von dessen Entourage will Matthew dort am liebsten gar nicht mehr weg und versucht mit aller Macht, sich nützlich und beliebt zu machen, um in Olivers Gunst zu steigen. Der ist in seiner Coolness nicht immer leicht zu durchschauen, was seine Zuneigung angeht. Doch als Matthew beim angedachten Videodreh mit einer spontanen Idee und dem alten Camcorder seiner Oma die Lage rettet, scheinen die beiden fast Kumpels auf Augenhöhe zu werden. Doch es dauert nicht lange, bis die Dynamik in dieser ungleichen Beziehung wieder kippt.

Russell, der auch schon für Serien wie «Beef» oder «The Bear» schrieb, verankert seine Besessenheitsgeschichte fest in der Musikbranche von L.A. und in einer Social-Media-Gegenwart, die nicht zuletzt einem jungen Publikum nur allzu vertraut vorkommen dürfte. Er erzählt dabei sehr clever und vielschichtig von Sozialneid und Aufstiegsfantasien, von Eifersucht in Freundschaften und den Verlockungen des Ruhms. Homoerotische Spannungen spielen im Verhältnis seiner Protagonisten eine eher untergeordnete Rolle, sind aber allseits präsent und entladen sich zumindest mal auf kämpferische Weise. Deutlich präsenter als Thema ist aber ohne Frage die Einsamkeit junger Männer.

Je weiter seine Geschichte dabei zum Thriller eskaliert, desto mehr strapaziert die Handlung ihre Glaubwürdigkeit. Doch «Lurker» ist ohnehin – bis zum geradezu gewagten, Zynismus-schwangeren Finale – ein Film, der vor allem von seiner Atmosphäre lebt. Zu der tragen die stylischen Bilder von Kameramann Pat Scola ebenso bei wie die Musik von Kenneth Blume, allerdings sind es die Hauptdarsteller, die hier das eigentliche Ereignis sind. Der queere Kanadier Pellerin, der zuletzt etwa in «Becoming Karl Lagerfeld» begeisterte, und der Brite Madekwe, der nicht zuletzt mit seiner queeren Rolle in «Saltburn» bekannt wurde, gehören zu den spannendsten Newcomern ihrer Generation und meistern beide sehenswerte Gratwanderungen. Der eine zwischen Naivität und Berechnung, der andere zwischen Selbstbewusstsein und unterdrückten Zweifeln.

«Lurker» ist ab 18. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen. Ein Kinostart in der Schweiz und Österreich steht noch nicht fest.

Mehr: «Feige Entscheidung» – Netflix cancelt schwule Serie «Boots» (MANNSCHAFT berichtete)

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare