Feiern auf Ukrainisch: Keine «Gay-Atmosphäre mit Allerweltsmusik»
Veselka ist das erste queere Veranstalter*innen-Kollektiv des Landes
Auch nach über zwei Jahren Krieg lässt sich die queere Gemeinschaft nicht unterkriegen und feiert das Leben: Mit Partys und Events zeigen sie Zusammenhalt und Sichtbarkeit. Am 17. Mai findet in Berlin die erste Veselka-Ausgabe des Jahres statt mit internationaler Besetzung.
Veselka, das erste queere Veranstaltungs-Kollektiv der Ukraine, bringt etwas Farbe in einen, vom Krieg gezeichneten, eher grauen Alltag. Veselka hatte seine Geburtsstunde im Jahr 2018 in der Ukraine, ist jedoch seit dem Beginn der militärischen Invasion Russlands nach Europa umgezogen.
MANNSCHAFT fragte nach bei Stanislav Tweeman, Mitbegründer des Kollektivs, Promoter und Fulltime-DJ. Der 37-jährige erzählt von den Anfängen des Kollektivs, von Zukunftsplänen und vom Kampf der Community für Sicherheit und Toleranz.
Stanislav, wie entstand Veselka? Seit der Krieg im Osten der Ukraine im Jahr 2014 begann, fand sich unsere Community mehr als zuvor zusammen. Das war der Beginn einer «Untergrund-Renaissance», zumindest in Kiew. Wir hatten hochwertige Veranstaltungsorte, Clubs und Festivals. Viele interessante Künstler*innen wurden eingeladen, und unsere eigene Szene begann zu wachsen.
Aber für mich war das nicht genug: Ich war gelangweilt von den immer gleichen Orten, und Menschen in den gleichen Klamotten, mit fast null Selbstausdruck. Ich hatte ein Bedürfnis nach Lokalen, die keine «Gay-Atmosphäre mit Allerweltsmusik» haben. Ich hatte das dringende Bedürfnis nach klassischen Lokalen mit einer aufgeschlossenen Atmosphäre und natürlich guter Musik.
In Kiew hatte ich als Veranstalter einen guten Ruf, doch es gab Clubs, die, wie man mir sagte «bei aller Offenheit, keine küssenden Typen auf der Tanzfläche» sehen wollten. Meine Freunde sagten «Stas, tu’ das nicht, ruiniere deine Karriere nicht mit dem Stempel «Schwulen-Promoter». Ich verbrachte etwa zwei Jahre damit, eine Idee zu entwickeln, bis 2018 mein Freund Denis Pinchuk wagemutig genug war und sagte «Stas, lass es uns versuchen.»
Wie entstand der Name Veselka? Zuerst haben wir ziemlich lange über die Namensgebung nachgedacht, aber dann wurde uns klar, dass das Symbol für die LGBTIQ-Community der Regenbogen ist. Veselka bedeutet wörtlich übersetzt Regenbogen. Doch der Name hat noch mehr Bedeutungen: Auf Ukrainisch bedeutet «veselo» Spass, und das Wort «viset» bedeutet wörtlich «abhängen».
Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Ukraine ein junges Land ist. Die ukrainische Sprache wurde damals nicht regelmässig für die Benennung von z. B. Veranstaltungen verwendet, da wir eine lange Geschichte mit dem imperialistischen und postsowjetischen Erbe Russlands hatten, die sich auf die völlige Zerstörung der ukrainischen Identität konzentrierte. Erst nach der Maidan-Revolution und dem Krieg im Jahr 2014 sollte unsere nationale Identität erwachen.
Wer gehört zum Kollektiv? Das sind im Moment die DJs Ruslan Mays, Nastya Murovyova, Vani Vachi und ich, S.A. Tweeman. Ebenfalls sind unser Türsteher Serg Gutsulini und unsere Hauptdarstellerin Panda Volkova fester Bestandteil des Teams.
Welche neuen Pläne habt ihr? Wir organisieren weiterhin Spendenaktionen und bieten Podiumsdiskussionen über das queere Leben in der Ukraine und die aktuelle Situation an, um die Sichtbarkeit und die Präsenz der Ukrainer in Europa, und darüber hinaus, aufrechtzuerhalten. Ausserdem planen wir die Gründung des Musiklabels Veselka.
Wohin fliessen die Gelder der Spendenaktionen? Meistens spenden wir an unsere Freunde, die an der Front stehen, und Stiftungen, denen wir vertrauen und die unsere Werte teilen, wie z.B. Ukraine Pride und LGBTIQ Militär.
In den letzten zwei Jahren gab es mehrere Events. Welche zum Beispiel? Wir waren auf Showcases in München, Leipzig, Prag, Riga, Vilnius, Almaaty, Liverpool und New York City. Ausserdem zweimal beim United Queer Festival Whole, und in Brüssel hatten wir ein wirklich gutes Gemeinschaftsprojekt mit Slava.
Welche weiteren Events sind für die Zukunft geplant? Wir setzen unsere Residenz im Berliner RSO-Club fort, gehen zum zweiten Mal nach Prag und NYC, und planen für Herbst/ Winter die «Veselka – 6 Jahre» Welttournee.
Wie war, und wie ist, die aktuelle Sicherheitslage für die queere Community in der Ukraine? Nun, was soll ich sagen … Wir haben ganz gut gelebt. Natürlich ist die Ukraine ein junges Land, und Queers waren manchmal mit Massenaufständen auf der Strasse konfrontiert, und es gibt eine Menge Dinge, die in Ordnung gebracht werden müssen, aber wir kamen voran. Es gab es in den letzten paar Wochen viele Fälle, in denen LGBTIQ-Personen von einigen Jugendlichen wegen ihres Aussehens belästigt wurden. Wir kämpfen also immer noch.
Und aus meiner Sicht der Dinge sind die LGBTIQ Militärs eine sehr wichtige Organisation für unsere Zukunft. Sie kämpfen nicht nur an vorderster Front mit dem Feind, sondern auch für unsere zukünftige Gesellschaft: Tolerant und ohne Vorurteile. Es ist ziemlich schwer, im postsowjetischen Umfeld den Mut zu haben, offen zu sagen, dass man schwul ist.
Eine Strasse nach jemandem zu benennen, ist wohl eine der höchsten Würdigungen in unserer Gesellschaft. Wir haben eine umfassende Übersicht erstellt, wer aus der LGBTIQ-Community im deutschsprachigen Raum auf diese ehrenvolle Weise verewigt wurde (MANNSCHAFT+).
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