«Als Anderssein nicht irritierte, sondern inspirierte»
Sven Ratzke hat mit «Tanz auf dem Vulkan» Deutschland-Premiere gefeiert
In seinem neuen Programm «Tanz auf dem Vulkan» taucht Sven Ratzke ein in die verruchten 1920er Jahre der brodelnden Metropole Berlin. An seiner Seite die virtuosen Streicher*innen des renommierten Matangi Quartets.
Die Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts sind in ihrer Mitte angekommen und wir wissen noch nicht, wie es ausgeht – nur soviel: es sieht nicht gut aus –, da blickt Sven Ratzke auf das Schicksalsjahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts zurück. Am Mittwoch wurde in Berlin Deutschland-Premiere gefeiert.
Der Entertainer nimmt sein Publikum mit in das legendäre Nachtleben der gegensätzlichen Welten von Berlin, in die grauen Gassen und die grossen Theater, in die wilden Clubs und die kleinen dunklen Kaschemmen. Diese wilde Mischung machen für ihn den Zauber der 1920er aus: «Es war eine Zeit, in der Anderssein nicht irritierte, sondern inspirierte.»
Er lässt das «Eldorado» wieder aufleben, den legendären queeren Nachtclub mit verschiedenen Adressen, zuletzt mitten im heutigen Regenbogenkiez, er erinnert an Magnus Hirschfeld und sein Institut für Sexualwissenschaft, vor allem aber würdigt er die prägenden Figuren der Kultur jener Zeit: die bisexuellen Ikonen Josefine Baker und Anita Berber, Marlene Dietrich (die er vor zwei Jahren in seinem Dietrich-Programm verkörperte, ebenfalls am Renaissance-Theater – zum MANNSCHAFT-Interview) und natürlich Bertold Brecht und Kurt Weill. Denn es ist Premieren-Abend der «Dreigroschenoper». Sie ist der Dreh- und Angelpunkt der neuen Ratzke-Show.
Der Deutsch-Niederländer, der wie kein anderer fabulieren und Geschichten erzählen kann, erzählt von Begegnungen, von seinem Grossvater und von sich selbst, wie er in jungen Jahren nach Berlin kam und sofort spürte: Hier gehöre ich her!
Das Bühnenbild: ein Boxring, denn Brecht war ein grosser Boxfreund, der sein Gedicht «Gedenktafel für zwölf Weltmeister» den realen Weltmeistern im Mittelgewicht widmete und einst schrieb: «Das Leben … als Metapher für das Boxen wäre eine mögliche Vorstellung – Metapher für einen dieser Kämpfe, die nicht enden wollen, Runde folgt auf Runde.»
In diesem Ring sitzen die virtuosen Streicher*innen des renommierten Matangi Quartets: die Violinistinnen Hannelore De Vuyst und Maria-Paula Majoor, dem Bratschisten Karsten Kleijer sowie Arno van der Vuurst am Cello. Sie spielen, als ob die Titanic unergeht», wie Ratzke sagt. Sie spielen um ihr Leben, die sensationellen Arrangements von Christian Papst. So swingend und groovend hat man Weill noch nie gehört.
Sven Ratzke lädt das Publikum ein zum «Tanz auf dem Vulkan», zum Drahtseilakt zwischen Hemmungs- und Hoffnungslosigkeit, die Berlin vor 100 Jahren erfüllte und erschreckend viele Gemeinsamkeiten mit der heutigen Zeit hat.
Am Ende seines Programm müssen Weill und Brecht im Exil fliehen, ebenso wie Hirschfeld, dessen Institut die Nazis abbrennen, die Bücher von Thomas und Heinrich Mann und vielen anderen werfen sie ins Feuer, die zu lesen längst verboten sind.
«Wer die Freiheit behalten will, der muss dafür kämpfen.»
Sven Ratzke
«Der Tanz auf dem Vulkan» ist kein Nostalgie-Trip in die 1920er, Raztke widersteht der Versuchung, den moarlischen Zeigefinger zu heben. Aber die Menschen aufwecken, das will er schon. Denn: «Wer die Freiheit behalten will, der muss dafür kämpfen.»
«Tanz auf dem Vulkan» läuft noch bis Sonntag (5.10.) im Renaissance-Theater, es folgen weitere Aufführungen ab 2. Dezember.
Dem schwulen Schauspieler Vladimir Burlakov ist es wichtig, Stellung zu beziehen, ganz gleich mit welchen Folgen – schon in der Schule habe er bei Ungerechtigkeit nie seinen Mund gehalten (MANNSCHAFT berichtete).
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