Spanische Justiz untersucht Kindesmissbrauch in katholischer Kirche

Es geht um über 200 Vorfälle

Dolores Delgado, Generalstaatsanwältin von Spanien (Foto: Isabel Infantes/Europapress/dpa)
Dolores Delgado, Generalstaatsanwältin von Spanien (Foto: Isabel Infantes/Europapress/dpa)

Die spanische Justiz will zahlreiche Fälle von mutmasslichem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche untersuchen. Es geht um über 200 Vorfälle.

Generalstaatsanwältin Dolores Delgado habe die regionalen Staatsanwaltschaften bereits angewiesen, alle Verdachtsfälle und Anzeigen zusammenzutragen und innerhalb der nächsten zehn Tage nach Madrid zu schicken, berichteten am Dienstag unter anderem der staatliche Fernsehsender RTVE und die Zeitung El País unter Berufung auf Justizkreise.

Eine offizielle Mitteilung dazu gab es zunächst zwar nicht. Der Radiosender Cadena Ser zitierte aber einen Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft mit den Worten, man werde «die Opfer zu Wort kommen lassen» und in jenen Fällen, in denen aufgrund der Verjährungsfrist keine Strafverfolgungsmassnahmen ergriffen werden könnten, «eine opferorientierte Justiz anwenden». Man wolle erreichen, dass «so etwas nie wieder passiert».

Vor rund neun Monaten hatte die katholische Kirche in Spanien erstmals Daten über Fälle von Kindesmissbrauch offengelegt. Die Bischofskonferenz teilte damals mit, seit 2001 habe es insgesamt 220 erfasste Fälle von sexuellem Missbrauch durch Geistliche gegeben. Bei 151 Fällen sei die interne Untersuchung bereits abgeschlossen, hiess es. Weitere Details, wie die Zahl der Opfer oder Angaben zu Tätern oder Tatorten, wurden nicht enthüllt.

In Spanien hatte die Generalstaatsanwaltschaft bereits 2019 gewarnt, dass die Massnahmen der Kirche zur Aufdeckung und Vermeidung von sexuellem Kindesmissbrauch «unzureichend» seien. Die Kirche wurde damals aufgefordert, jeden Verdacht ohne «interne Überprüfungen oder Filter» vor Gericht zu bringen.

Inwieweit die Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen der Kirche überlassen werden soll, sorgt nicht nur in Spanien für Debatten. Am Montag betonte die deutsche Bundesregierung, dass es bei der Aufklärung mutmasslicher Missbrauchsfälle im katholischen Erzbistum München und Freising kein kirchliches Sonderrecht geben werde. In einem vom Erzbistum selbst in Auftrag gegebenen Gutachten ist von mindestens 497 Opfern und 235 mutmasslichen Tätern und einer grossen Dunkelziffer die Rede (MANNSCHAFT berichtete).

Dieser MANNSCHAFT-Kommentar erhebt die Forderung, der deutsche Staat möge die Kirchensteuer nicht mehr eintreiben (MANNSCHAFT berichtete).

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